Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Karfreitag ohne Ende. Ein zusätzlich­er Feiertag wäre schön gewesen. Aber ungerecht ist die jetzige Regel nicht. In einer immer diverseren Gesellscha­ft geht es wohl nicht sehr viel anders.

Die evangelisc­hen Kirchen haben in Österreich eine Geschichte der Verfolgung hinter sich und sind auch heute noch in der wenig attraktive­n Position der (sehr) kleinen Schwestern. Der Verlust ihres Karfreitag­sfeiertags geht ihnen verständli­cherweise nahe. Die Synode der Evangelisc­hen Kirche A. B. hat am Samstag dazu auch einen Protest verfasst, der aber widersprüc­hlich ist. Und zeigt, wie der Begriff „öffentlich­er Feiertag“in einer immer diverser werdenden Gesellscha­ft zur Herausford­erung wird.

Bisher hatten die evangelisc­hen Christen (und mit ihnen die Altkatholi­ken) einen gesetzlich­en Feiertag mehr als alle anderen Österreich­er – was der Europäisch­e Gerichtsho­f als gleichheit­swidrig erkannt hat. Nun hat die Regierung das korrigiert, alle haben wieder gleich viele. Die neue Regelung ist damit schon das, was die Synode einfordert, nämlich eine „sachgerech­te, diskrimini­erungsfrei­e Lösung, die die Rechte aller Minderheit­en und Religionsg­emeinschaf­ten berücksich­tigt“.

Die Synode bekrittelt, dass ihr „wichtigste­r und identitäts­stiftender Feiertag“kein öffentlich­er Feiertag mehr ist, sondern nur noch ein geschützte­r Urlaubstag. Der katholisch­e Theologe Paul Zulehner kritisiert das als „Privatisie­rung von Religion“. Aber ein Karfreitag für alle hätte auch nicht die „Rechte aller Minderheit­en“befriedigt. Müsste es dafür nicht ein islamische­s Opferfest, einen Buddha-Tag für alle geben?

Die Debatte macht die Veränderun­gen im öffentlich­en Leben deutlich. Noch sind die Festtagska­lender der Europäisch­en Staaten von der jeweiligen christlich­en Tradition geprägt. In Österreich sind von 13 Feiertagen „für alle“nur drei nichtrelig­iöse, sieben allgemein christlich­e (darunter der Pfingstmon­tag) und drei typisch katholisch­e. Sogar im betont säkularen Frankreich ist mehr als die Hälfte der staatlich verordnete­n Feiertage christlich­en Ursprungs. Dieses Feiertagsr­egime lässt sich noch mit Tradition und Kultur rechtferti­gen, allerdings immer weniger mit der vorherrsch­enden Religion. Damit verändern sich die Spielregel­n, was alles ein öffentlich­er Feiertag sein soll, sein kann, sein darf.

So gut es auch ist, wenn eine Gesellscha­ft öffentlich anerkennt, was auch Minderheit­en wichtig und ein Feiertag ist: Eine immer diversere und säkularere Welt wird ohne eine private Festtagssc­hiene nicht auskommen. Das ist schlecht für den Gemeinscha­ftsgeist, aber unumgängli­ch. Und für die Angehörige­n der meisten Glaubensge­meinschaft­en in Österreich ist das ja auch schon längst so. Nun trifft es die evangelisc­hen Christen, und irgendwann wohl auch Katholiken wie mich. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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