Die Presse am Sonntag

»Männer haben offenbar ein anderes Selbstbild«

Väter seien umso zufriedene­r, je mehr sie arbeiten, zeigt eine Studie des Soziologen Martin Schröder.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Sie haben voriges Jahr eine brisante Studie veröffentl­icht. Väter macht es unglücklic­h, wenn sie Teilzeit arbeiten – kann man das so zusammenfa­ssen? Martin Schröder: So wurde das verkürzt in den Medien wiedergege­ben. Seit 1984 werden die Deutschen alle zehn Jahre im „Sozio-oekonomisc­hen Panel“nach ihrer Lebenszufr­iedenheit befragt. Was ich feststelle: Männer, die weniger arbeiten, sind unzufriede­ner. Noch stärker, wenn sie Kinder haben. Das gilt auch für kinderlose Frauen. Ihre Lebenszufr­iedenheit ist bei 40 Wochenstun­den am höchsten. Die einzige Gruppe, bei denen sich das nicht zeigt, sind Mütter. Sie sind immer gleich zufrieden, unabhängig davon, wie viel sie arbeiten. Und woran liegt das? Der Unterschie­d ist vor allem zwischen Vätern und Müttern groß. Meine Vermutung ist, dass das mit dem Selbstbild zusammenhä­ngt, mit den gesellscha­ftlichen Normen. Männer haben offenbar nicht das Selbstbild, dass sie Windeln wechseln und auf dem Spielplatz sind. Sondern, dass sie die Familie versorgen müssen. Und man ist tendenziel­l unzufriede­ner, wenn man diesem Bild nicht entspricht. Mütter können den Daten zufolge sehr gut zwischen den verschiede­nen Rollen hin- und herspringe­n. Es ist ihnen tatsächlic­h egal, ob sie viel oder wenig arbeiten? Das ist es, was die Daten uns sagen. Die Lebenszufr­iedenheit der Mütter ist immer relativ hoch, egal, ob sie mehr oder weniger arbeiten. Mütter können sehr gut damit leben, gar nicht zu arbeiten oder halbtags. Oder eben auch Vollzeit. Bei Vätern ist der Effekt ganz stark. Sie sind am zufriedens­ten, wenn sie zwischen 40 und 60 Stunden in der Woche arbeiten. Und wie sehen das ihre Frauen? Die Lebenszufr­iedenheit der Männer hängt nicht von der Arbeitszei­t der Frau ab. Es ist ihnen egal, ob die Partnerin zu Hause ist oder Vollzeit arbeitet. Umgekehrt gilt das nicht: Frauen sind zufriedene­r, je länger ihre Männer arbeiten. Erst wenn der Mann mehr als 50 Wochenstun­den arbeitet, geht die Zufriedenh­eit wieder runter. Und wie erklären Sie sich das? Denkbar ist, dass das Modell, in dem eine Person hauptveran­twortlich für das Geldverdie­nen ist, die Menschen zufriedene­r macht – weil es unkomplizi­erter ist. Man muss dann nicht immer alles aushandeln, es ist klar, wer für das Geld und wer für den Rest verantwort­lich ist. Und ich vermute, dass Männer sich eher mit der Rolle des Versorgers identifizi­eren als mit der Rolle, zu Hause zu sein, während die Frau arbeiten geht. Jetzt gehen die politische­n Bestrebung­en aber eher in die andere Richtung: Männer sollen motiviert werden, mehr im Haushalt zu machen, auch in Karenz zu gehen, vielleicht auch in Elternteil­zeit. Trifft die Politik also nicht die Bedürfniss­e der Familien? Es spricht ja nichts dagegen, den Menschen Möglichkei­ten zu eröffnen. Es ist ja auch nicht jeder Mensch wie der statistisc­he Durchschni­tt. Für problemati­sch halte ich den Versuch, Frauen, ob sie es wollen oder nicht, stärker in Arbeit zu drängen. Wie auch den Versuch, Männer, ob sie wollen oder nicht, stärker in die Rolle zu Hause zu drängen. Aber die Politik kann Menschen unterstütz­en, verschiede­ne Lebensentw­ürfe zu verwirklic­hen, je nach ihren Bedürfniss­en. In Österreich ist ein Teil des Karenzgeld­es daran gekoppelt, dass beide Elternteil­e in Karenz gehen. Ist das gut? Auf jeden Fall. Der Rest der Karenzzeit verfällt ja nur, wenn ihn der Vater der Kinder nicht in Anspruch nimmt. Solang es kein Zwang ist, ist es kein Problem. Nach dem, was Sie sagen, müsste der Schluss, dass Teilzeitar­beit Männer unglücklic­h macht, aber dann doch stimmen. Nein, so kann man das nicht sagen. Wir haben nur die Daten. Was wir nicht sagen können, ist, ob ein Mann, der sich freiwillig für Teilzeit entscheide­t, um mehr bei der Familie zu sein, auch an Zufriedenh­eit einbüßt. Und es ist ja auch nicht gesagt, dass sich das alles nicht ändert. Wir sehen nur, wie es in den letzten Jahrzehnte­n war. Und da hat sich gezeigt: Kaum etwas hat so einen negativen Einfluss auf die Lebenszufr­iedenheit von Vätern, wie weniger zu arbeiten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria