Und plötzlich machte es klick
In dem Roman »Weg« schickt die Autorin Doris Knecht zwei Erwachsene, die nichts miteinander verbindet außer ihrer erwachsenen Tochter, gemeinsam auf eine Reise.
Heidi und Georg haben sich seit Jahren nicht gesehen – und haben sich auch nicht vermisst. Heidi hat ihr geordnetes Leben in einem Reihenhaus in einer Kleinstadt in Deutschland mit ihrem Mann (der gerade drauf und dran ist, sie zu verlassen), ihrem halbwüchsigen Sohn und ihrem kleinen Blumenladen. Und Georg führt mit seiner Frau, Lea, und seinen drei Kindern ein weniger geordnetes, aber beständiges Leben in seinem gut gehenden Gasthaus im Waldviertel, das er von seinen Eltern übernommen hat, mit viel Arbeit, aber auch viel Freude.
Was die beiden verbindet, ist ihre gemeinsame Tochter Charlotte. Die 23-Jährige studiert in Berlin und führt ihr eigenes Leben. Doch Charlotte ist psychisch krank, sie leidet an einer durch Suchtmittel induzierten Psychose. Die höllischen Jahren als Teenager, in denen das Mädchen Marihuana geraucht hat, Nächte durchgemacht, tagelang nicht zu Hause aufgetaucht ist und immer unberechenbarer wurde, hat sie zwar hinter sich. Mithilfe einer Psychologin und guter Medikamente scheint Lotte ein Gleichgewicht gefunden zu haben, wenn auch ein fragiles. Doch dann ist Lotte weg, reagiert auf keine Anrufe, keine WhatsApp-Nachrichten, keine SMS. Mit dem Verschwinden der Tochter haben zwei Menschen, die sich auf die Nerven gehen, plötzlich ein gemeinsames Ziel: ihre Tochter zu finden. Eine aufwühlende Reise durch Vietnam und Kambodscha beginnt, wo Lotte vermutet wird. Verständnis auf den zweiten Blick. „Weg“ist der fünfte Roman von Doris Knecht, die als Journalistin für „Falter“, „Profil“, „Kurier“und „NZZ“tätig war. Im „Falter“schreibt die gebürtige Vorarlbergerin eine wöchentliche Kolumne, in der es oft um ihr Leben zwischen Beruf, Muttersein und das Heranwachsen ihrer Kinder geht. Diesen unverwechselbaren Ton, den man aus ihren Kolumnen kennt, schlägt sie auch in „Weg“an. Knecht setzt sich mit dem Inneren ihrer Protagonisten auseinander, lässt die Leser tief in Heidi, aber auch in Georg blicken. Zwei Erwachsene, die unterschiedlicher kaum sein könnten und vom Leben zusammengewürfelt wurden. Beide stellt sie über- Doris Knecht „Weg“ Rowohlt Verlag 300 Seiten 22 Euro