»Was ist der Plan B, wenn Tojners Plan scheitert? Die Gstettn vergammelt«
Pro Heumarkt-Hochhaus. Dietmar Steiner, langjähriger Direktor des Architekturzentrum Wien, spricht sich klar für die Umsetzung der Pläne am Heumarkt-Areal aus. Die Stadt habe vieles richtig gemacht.
Man könnte meinen, Dietmar Steiner sei mit seiner Meinung derzeit allein auf weiter Flur – oder, allein in Wien. Zumindest habe man den Eindruck, es fahre eine ganze Armada auf, wenn es um das Projekt am Heumarkt gehe. Viele, die in der Architektur Rang und Namen haben, Denkmalschützer bis zur Bundesregierung sind angetreten, um einen, so der Eindruck, monströsen Turmbau zu stoppen, der Wien verschandelt habe.
Dietmar Steiner aber sieht das anders. Er, der langjährige Direktor des Architekturzentrum Wien, ist explizierter Fürsprecher des Projektes. So plädiert er dafür, die Debatte von Geschmacksfragen wieder auf architektonische und städtebauliche Fragen zu bringen. Die Sorge, Wien drohe den Status als Unesco-Weltkulturerbe zu verlieren, teilt er nicht. Er sieht diesen ohnedies kritisch. „Ich war von Anfang an gegen das Weltkulturerbe Innere Stadt. Warum? Natürlich bin ich für Schutz und Erhaltung historischer Architektur. Aber ich kannte aus anderen Fällen die Argumentation von Icomos und ahnte, was auf uns zukommen würde: Icomos liefert Geschmacksurteile, keine städtebaulichen oder architektonischen Analysen.“
Beim Städtebau gehe es nicht um Geschmack, sondern um Infrastruktur, Verkehr, gesellschaftliche und wissenschaftliche Übereinkunft: „Das reicht von der jeweils herrschenden Machtdemonstration bis zu geometrischen und ästhetischen Manövern nach architektonischen Regeln.“Dementsprechend gehe es beim Heumarkt nicht nur um den Canaletto-Blick, die Perspektive vom Schloss Belvedere aus, mit dem die Unesco argumentiert.
„Stadträume gibt es nie nur in einer Blickrichtung, sie stehen in vielfältiger Beziehung. Der Ort um den Eislaufverein steht mit dem Stadtpark und seinem anderen Ende, der Biedermeier-Bebauung des Heumarkts und den Achsen des Schwarzenbergplatzes in Beziehung. Mit den Gründerzeitblöcken der Ringstraße und ihren Bauhöhen hat dieser Bauplatz nichts zu tun. So war schon die städtebauliche Setzung des Hotel Intercontinental richtig. Es schließt und rahmt den Stadtpark und gibt ihm eine Fassung. Viel besser als das Gewürfel von RZB, Hilton und die gedrückte Massivität von Wien Mitte am anderen Ende.“
Städtebau sei keine Geschmacksfrage. Architekt Isay Weinfeld habe auf Basis des Hotels seine Komposition entwickelt: die Scheibe mit einem durchlässigen Sockel verbunden und den Turm als Fluchtpunkt vom Schwarzenbergplatz gesetzt. „Es ist eine Komposition, definiert aus Dimensionen und Relationen der Baukörper für sich und zueinander. Das begrenzt den Raum.“
Weil es ums Gesamte gehe, sei Stutzen keine Lösung: „Städtebaulich ist es für diese Zone ein Irrtum, 40 Meter Maximalhöhe anzusetzen. Die passende Höhe hänge vom Projekt ab. Aus stadträumlicher Sicht geht es um den Dialog der Baukörper zueinander. Eine Höhe aller Gebäude wie heute das Intercontinental würde fürchterlich aussehen.“Limitiere man die Höhe, würde Weinfeld aussteigen, ist Steiner sicher. „Bei 40 Meter wird es ein anderes Projekt sein, dann fängt man von vorn an. Ob sich Michael Tojner das antut? Was ist der Plan B, wenn das Projekt scheitert?“Steiners These: „Tojner betreibt das Intercont weiter oder verkauft. Der Eislaufverein geht in Konkurs und schließt. Die Gstettn vergammelt. Konzerthaus und Akademisches Gymnasium bleiben wie sie sind. Die Lothringerstraße bleibt ein unwegsamer Parkplatz.“
Warum wehren sich dann, wenn das Projekt städtebaulich Sinn ergebe, so viele Architekten dagegen? Steiner spricht von vielen Befindlichkeiten. Die dubiosen Umstände des Grundstücksverkaufs oder Aufregung um Luxuswohnungen (auch wenn die nur einen Teil der Nutzung ausmachen) hätten für Unmut und Antipathie gegenüber Investor Tojner gesorgt. Und, „die Cr`eme de la Cr`eme der Wiener Architekten hat viele Vorschläge präsentiert, von denen keiner überzeugen konnte. Im internationalen Verfahren hat Weinfeld mit einem ruhigen, urbanistisch passenden Entwurf gewonnen.“Steiner ortet da eine gewisse
Dietmar M. Steiner,
geboren 1951 in Wels, ist Architekturpublizist, -historiker und -kritiker.
1993 bis 2016
war er Direktor des Wiener Architekturzentrums, zuvor u. a. Generalsekretär der Österr. Gesellschaft für Architektur und Betreiber eines Büros für Architekturberatung. Fremdenfeindlichkeit. Überhaupt sei der Protest von einigen lautstarken Gruppen befördert worden, die sich stets im Denkmal- oder Stadtbildschutz engagieren. „Aber es gibt kein Projekt, das durch Einsprüche oder Protest besser geworden wäre. Siehe Wien-Mitte oder Museumsquartier.“
Die Stadt habe indes nicht viel falsch gemacht, sagt Steiner. „Die zuständigen Politiker haben seit 2011 ein transparentes Verfahren mit internationalem Wettbewerb und renommierter Jury veranstaltet. Sollen sie das Ergebnis autoritär abändern oder infrage stellen, weil es einigen nicht gefällt?“Der Nutzen für Stadt und Öffentlichkeit sei in Verträgen festgeschrieben. „Es gibt kein anderes privates Bauvorhaben, das einen vergleichbaren Gewinn für die Öffentlichkeit bietet.“Aus seiner Sicht seien das die Fakten, während Icomos und Gegner nach Geschmack urteilten – bzw. gehe es um „Gemeinplätze wie Identität oder Qualität – die dann Icomos beurteilen will. Jenseits des demokratisch legitimierten Prozesses“.