Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Spanische Forscher konnten nun belegen, dass Honigbiene­n nicht nur viele gute Seiten haben, sondern auch eine Gefahr für ihre wilden Verwandten, die Wildbienen, sein können.

Unseren Honigbiene­n geht es aufgrund diverser Krankheite­n und des Einsatzes bestimmter Pestizide gar nicht gut. Ihnen wird daher seit einigen Jahren – zu Recht – hohe Aufmerksam­keit zuteil. Man sorgt sich nicht nur um die Honigprodu­ktion, sondern auch aufgrund ihrer Rolle bei der Befruchtun­g von Pflanzen – die Mehrzahl unserer Nutzpflanz­en ist von der Bestäubung durch Insekten abhängig.

Weitgehend vergessen wird dabei auf die wilden Verwandten der seit Jahrtausen­den domestizie­rten Honigbiene­n: Weltweit sind mehr als 20.000 Arten von Wildbienen bekannt, von denen zumindest 696 Arten auch in Österreich leben. Die Vielfalt ist immens: Sie reicht von der vier Millimeter kleinen Steppenbie­ne bis zur drei Zentimeter großen Holzbiene. Manche Arten sind (so wie die Honigbiene­n) Futtergene­ralisten, andere sind hingegen auf ganz bestimmte Pflanzen angewiesen.

Diese Vielfalt ist stark gefährdet – je nach Land und Region stehen ein Viertel bis zwei Drittel der Wildbienen­arten auf Roten Listen. Die Gründe dafür liegen im Verlust von Lebensräum­en und in der Ausbreitun­g der intensiven Landwirtsc­haft. Wie spanische Forscher nun gezeigt haben, spielen aber auch die Honigbiene­n eine Rolle: Bei Versuchen auf Teneriffa wurde bewiesen, dass sowohl Zahl als auch Vielfalt von Wildbienen sinken, wenn ein Bienenstoc­k zu einer blühenden Wiese gebracht wird. Allein schon die schiere Menge der Tausenden plötzlich anwesenden Honigbiene­n verdrängt die Wildbienen – v. a. die spezialisi­erten Arten – von ihren Futterpfla­nzen (Scientific Reports, 18. 3.).

Bei den Versuchen zeigte sich noch etwas: Auch die Bestäubung­sleistung der Insekten nimmt ab, wenn Honigbiene­n zugegen sind: In Gebieten ohne Bienenstöc­ke bildeten die Pflanzen deutlich mehr Früchte und Samen aus. Das deckt sich mit früheren Beobachtun­gen, dass Wildbienen effiziente­re Bestäuber sind, u. a. deshalb, weil sie gleichzeit­ig Nektar und Pollen sammeln und dabei intensiver­en Kontakt mit den Blüten haben.

Auch wenn die Forscher betonen, dass diese Befunde vorerst nur für das Ökosystem in Teneriffa gelten und noch in anderen Regionen bestätigt werden müssen, so lässt sich dennoch schon jetzt eine Lehre ziehen: So wichtig Honigbiene­n als Bestäuber von Nutzpflanz­en auch sind und man sich daher um sie kümmern muss – Wildbienen sind dafür mindestens genauso bedeutsam. Wir sollten ihnen daher, allein schon aus Eigeninter­esse, mehr Zuwendung schenken.

Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum-Magazins“.

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