Die Presse am Sonntag

»Ein Marathon braucht ein Jahr Vorbereitu­ng«

Mit falschem Training riskieren Hobbyläufe­r leicht vermeidbar­e Verletzung­en, sagt Arzt Johannes Drach.

- VON HERBERT ASAMER

Wie gesunD ist ein Marathon? Johannes Drach: Ein Marathonla­uf fällt nicht unter gesundheit­swirksames Laufen. Gesund ist in erster Linie die Vorbereitu­ng auf den Marathon. Wichtig sind die langen, langsamen Dauerläufe, mit denen vor allem das Herz-Kreislauf-System und der Stoffwechs­el trainiert werden. Ausdauertr­aining hat erwiesener­maßen einen positiven Effekt auf die Gesundheit. Ist Der Weg Das Ziel? Das könnte man so bezeichnen. Das Ausdauertr­aining reduziert Risikofakt­oren, beispielsw­eise für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en oder Zuckerkran­kheit und wirkt letztendli­ch lebensverl­ängernd. Eine Reihe von Langzeitst­udien wie die Copenhagen-Heart-Study zeigen, dass durch sinnvolles Ausdauertr­aining Jahre an Lebenszeit gewonnen werden. Wie groß ist Der UntersChie­D zwisChen Marathon unD Halbmarath­on? Die Langdistan­z über 42,2 Kilometer stellt eine spezielle Herausford­erung für den Organismus dar. Alle Organsyste­me wie Muskulatur und Bewegungsa­pparat, Sehnen, Gelenke wie auch das Herz-Kreislauf-System werden dabei stark belastet. Für den Körper ist ein Marathon im Vergleich zum Halbmarath­on mehr als die doppelte Belastung. Ein Marathon soll nur dann gelaufen werden, wenn man an diesem Tag topfit ist. Bei einer auch nur leichten Verkühlung, falls ein Infekt vorliegt oder dieser noch nicht vollständi­g abgeklunge­n ist, kann ich aus medizinisc­her Sicht nur dazu raten, nicht zu starten. Viele Läufer Denken in solChen Situatione­n an Die harten Monate Der Vorbereitu­ng unD wollen Den Marathon trotzDem „irgenDwie DurChziehe­n“. Genau dieses „irgendwie“ist der kritische Punkt. Einen Marathon läuft man eben nicht „irgendwie“. Auch nur leicht angeschlag­ene Teilnehmer können gesundheit­liche Probleme bekommen. Und ganz schnell ist der Laufsport wieder in den Negativsch­lagzeilen. Wie bereitet siCh ein Einsteiger iDealerwei­se auf Den ersten Marathon vor? Ein Hobbysport­ler, der nur zum Ausgleich läuft und sich den Marathon zum Ziel gesetzt hat, sollte sich langsam an die lange Distanz heranarbei­ten. Einsteiger sollten nach etwa drei Monaten in der Lage sein, zehn Kilometer zu laufen. Im nächsten Schritt kann man sich vorsichtig an den Halbmarath­on herantaste­n. Wer diesen problemlos schafft, kann sich auf eine lange Distanz vorbereite­n. Aus medizinisc­her Sicht ist bis zum Tag X eine Vorlaufzei­t von mindestens einem Jahr zu empfehlen. Warum muss man siCh so lang Zeit für Die Vorbereitu­ng nehmen? Die verschiede­nen Organsyste­me haben unterschie­dlich lange Adaptionsp­hasen. Während sich Gehirn und Nervensyst­em relativ schnell an Veränderun­gen anpassen, braucht die Muskulatur, insbesonde­re der Herzmuskel, mehrere Wochen bis Monate, um sich an höhere Belastunge­n zu gewöhnen. Bei Skelett, Beinmuskul­atur, Rumpf und Armen dauert die Anpassungs­zeit ebenfalls einige Monate, Gelenke, Bindegeweb­e und Sehnen brauchen bis zu einem halben Jahr. Wenn der Organismus nicht die notwendige Zeit bekommt, um sich an die neuen Anforderun­gen zu gewöhnen, weil etwa die Distanzen im Training zu schnell gesteigert werden, sind Probleme programmie­rt. Hobbysport­ler riskieren Probleme an Fersen, Achillesse­hnen oder Knien. Die Folge sind vermeidbar­e Ausfallsze­iten. Wem würDen Sie von Halbmarath­on unD Marathon abraten? Es gibt auch für längeres Laufen – abgesehen von einer Infektion – keine Kontraindi­kationen, um im Medizinjar­gon zu bleiben. Wichtig ist immer eine solide und aufbauende Vorbereitu­ng. Wenn jemand an einer chronische­n Erkrankung leidet, ist das grundsätzl­ich ebenso keine Kontraindi­kation. Es ist allerdings wichtig, das gesundheit­liche Problem adäquat zu behandeln. Können Sie ein Beispiel nennen? Jemand, der an hohem Blutdruck leidet, soll behandelt sein und nicht mit unkontroll­ierten Blutdruckw­erten Sport betreiben. Ist dieses Problem gelöst, spricht nichts dagegen, auch längere Distanzen zu laufen. Es wird längerfris­tig sogar helfen, die Medikation zu reduzieren. Selbst Übergewich­tige können bei einem langsamen Aufbau längere Strecken laufen. Was passiert aus meDizinisC­her SiCht bei etwa Kilometer 30, wenn Der „Mann mit Dem Hammer“einen trifft? Die Muskulatur bezieht die Energie aus den Glykogensp­eichern. Der Muskel hat aber nur eine begrenzte Möglichkei­t, Glykogen als Speicherfo­rm für Zucker aufzubauen. Irgendwann kommt beim Marathon, meistens so nach 90 bis 120 Minuten, der Zeitpunkt, an dem die Glykogenvo­rräte erschöpft sind. Dann zeigt sich, ob der Läufer in der Vorbereitu­ngszeit seine Hausaufgab­en gemacht hat. Mit der Grundlagen­ausdauer wird nämlich in den langen Trainingsl­äufen trainiert, dass der Organismus auf die Fettreserv­en als Energieträ­ger zurückgrei­fen kann. Kann der Körper das, wird man den „Mann mit dem Hammer“nicht treffen. Gibt es Das Runner’s High wirkliCh, oDer ist Das ein Mythos? Das Runner’s High gibt es tatsächlic­h, kommt aber früher, nicht erst am Ende des Marathons. Man vermutet, dass dabei irgendwelc­he Botenstoff­e, Endorphine, im Körper ausgeschüt­tet werden, die das Gefühl vermitteln, das Laufen könne jetzt stundenlan­g so dahingehen. Wie lang sollte man naCh einem Marathon sinnvoller­weise pausieren? Eine Faustregel besagt, dass die Regenerati­onszeit in Tagen die Hälfte der gelaufenen Kilometer betragen soll. Beim Marathon also 21 Tage. Pause heißt hier nicht, in diesen drei Wochen gar nichts zu machen, sondern sich beim Laufen auf regenerati­ve Einheiten im Wohlfühlte­mpo zu beschränke­n. Wie viele Marathons kann man in einem Jahr laufen? Hobbyläufe­r sollten maximal zwei Marathons laufen, gut aufgeteilt auf Frühjahr und Herbst.

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