Die Presse am Sonntag

Das P30 Pro und die Hybris Huaweis

Huawei will die Nummer eins werden. Da ist es den Chinesen egal, wenn sie bei der Präsentati­on des 30 Pro Samsung und Apple diskrediti­eren.

- VON BARBARA STEINBRENN­ER

Am Dienstagna­chmittag präsentier­te der chinesisch­e Hersteller Huawei in Paris zwei neue Smartphone­s, eine Uhr und einige Accessoire­s. Darunter auch eine Sonnenbril­le, bei der bis zum Schluss nicht klar war, was die jetzt genau mit Huawei zu tun haben soll. Auch nach der Präsentati­on war die Brille von Gentle Monster noch immer ein Mysterium. Aber der Reihe nach.

Pressekonf­erenzen haben seit Steve Jobs längst kein angestaubt­es Image mehr. Darum heißt es auch kaum mehr Präsentati­on, sondern Event oder Show. In Videos mit epischer Musik versucht man Emotionen zu wecken. Für ein Smartphone, für das man knapp 1000 Euro auf den Tisch legen soll. Marketing im 21. Jahrhunder­t basiert auf Gefühlen und weniger auf dem tatsächlic­hen Innenleben eines Geräts.

Kamera, Kamera, Kamera. Wenn etwas an diesem Dienstag im Vordergrun­d stand, dann die Kamera. Das 6,4 Zoll große P30 Pro beherbergt die stärksten und neuesten Komponente­n der Smartphone-Industrie. Gut, ein 5G-Modul gibt es nicht, aber aufgrund eines mangelnden Netzes verständli­ch. Und auch der Klinkenste­ckeranschl­uss hat ausgedient, aber das lässt sich mit Bluetoothk­opfhörern oder mit USB-C-Adapter ausgleiche­n.

Ansonsten lesen sich die Spezifikat­ionen des Huawei-Smartphone­s annähernd wie die eines Topgeräts vom Mitbewerb. Das scheint auch Huawei so gesehen zu haben und statt sich mit langweilig­en Details wie Akku (4200 mAh) und Prozessor (Kirin 980 wie auch im Mate 20 Pro) aufzuhalte­n, liegt der Fokus auf den Kameras.

Vier Kameras will Huawei auf der Rückseite verbaut haben, wobei die Werbeschla­gzeile nicht hält, was sie verspricht. Es sind wie auch beim Galaxy S10+ drei Kameras. Die Hauptkamer­a löst mit 40 Megapixel auf und verfügt über einen optischen Bildstabil­isator, die zweite, die Weitwinkel­kamera löst mit 20 Megapixel auf und die dritte im Bunde sorgt für ordentlich Zoom. Die angebliche vierte Kamera, der „Time-of-Flight“-Tiefensens­or sorgt für einen besseren Bokeh-Effekt, schießt aber keine Fotos.

Selbst dem Laien gelingen hier ohne Feineinste­llungen tolle Bilder, die auch bei zehnfachem Zoom noch detailgetr­eu und lichtstark sind. Der 50-fache digitale Zoom holt Motive aus weiter Entfernung ganz nah heran. Beeindruck­end scharf, gemessen an den Distanzen.

Bereits beim Vorgänger, dem P20 hat sich Huawei von der Konkurrenz abgehoben. Die Kameraqual­ität besticht und hätte den chinesisch­en Hersteller selbstbewu­sst in die P30-Präsentati­on gehen lassen können. Statt aber wie jedes Jahr nur mit aufgemotzt­en Beispiel- und Vergleichs­bildern zu glänzen, gingen die Chinesen brutal in die Offensive. Seitenhieb­e sind normal, aber ... Jeder Hersteller kann es sich nicht verkneifen, sich mindestens einmal über die Konkurrenz zu erheben. Man will sich als der Beste präsentier­en, mit allen Mitteln. Aber normalerwe­ise bleibt es bei einem Seitenhieb. Huawei übertrat diese unausgespr­ochene Grenze und verglich das P30 Pro live auf der Bühne mit dem Galaxy S10+ und dem iPhone Xs. Der Überraschu­ngseffekt blieb aus und ließ die anwesenden Journalist­en erstaunt, aber nicht begeistert zurück. „Die Presse am Sonntag“nutzte im Interview mit Richard Yu die Chance und sprach den Huawei-Chef darauf an: „Viele wissen nicht, dass wir die Besten sind. Und Kunden müssen das wissen. Also müssen wir es ihnen zeigen.“

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Reuters Das P30 Pro von Huawei besticht erneut durch seine Kameraqual­itäten.

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