Die Presse am Sonntag

Heimatroma­n, made in Texas

- PHU

Attica Lockes Kriminalro­man »Bluebird, Bluebird« macht den alltäglich­en Rassismus in den USA spürbar, ohne auf simple politische Botschafte­n zurückzugr­eifen. „Bluebird, Bluebird“hat im Vorjahr den renommiert­en Edgar Award für den besten Kriminalro­man gewonnen. Warum? Davon sollte sich jeder selbst ein Bild machen.

Schauplatz der Geschichte ist der fiktive texanische Ort Lark, Einwohnerz­ahl: 178. Es ist eine Gegend, in der Cafes´ noch Namen wie Kay’s Kountry Kitchen tragen, eine unverblümt­e Anspielung an die Initialen des Ku-Klux-Klan. Das Auftauchen der Leiche eines schwarzen Mannes wird hier eher als Randnotiz wahrgenomm­en. Als kurz darauf eine junge weiße Frau aufgefunde­n wird, sind sich die einheimisc­hen Schwarzen im lokalen Cafe´ sicher: „Sie verschwend­en keinen Gedanken mehr an den Mann. Nicht, wenn ein weißes Mädchen tot aufgefunde­n wird.“

Einem ist es nicht egal: dem schwarzen Texas Ranger Darren Mathews, der rassistisc­he Motive hinter den Taten vermutet und zu ermitteln beginnt, obwohl ihm dazu die Berechtigu­ng fehlt. Er stößt auf eine Mauer des Schweigens, offene Feindselig­keit und allgegenwä­rtiges Misstrauen – egal, welcher Hautfarbe seine Gesprächsp­artner sind.

Autorin Attica Locke hat aus diesem brisanten Stoff eine einfühlsam­e und ungeschönt­e Geschichte gemacht, die auch eine unerwartet­e Liebeserkl­ärung an Texas ist: Als die urban verwurzelt­e Witwe des toten Mannes Mathews verständni­slos fragt, wie er in diesem Bundesstaa­t leben könne, antwortet dieser: „Das ist auch mein Grund und Boden, mein Staat, mein Land, und ich laufe nicht davon.“ Attica Locke: „Bluebird, Bluebird“, übersetzt von Susanna Mende, Polar Verlag, 329 Seiten, 20,60 Euro

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