Gefährlich viel Gemüse?
Gleich mehrere vegane Influencer mussten ihre rein pflanzliche Ernährung aufgeben. Sie wurden krank davon. Wie ungesund ist Veganismus? Und brauchen wir tatsächlich Fleisch?
Ihr Lebensmodell ist nicht aufgegangen. Und damit auch nicht ihr Geschäftsmodell. Gleich drei vegane YouTube-Stars mussten zuletzt zugeben, dass ihnen ihre Ernährungsweise nicht ein gesünderes Leben, sondern Schlafstörungen, Depressionen, unreine Haut, Müdigkeit, steife Glieder oder eine ausgebliebene Periode brachte. Der Aufschrei im Netz war groß als sich der zweifache Weltmeister im Freerunning Tim Shieff, YouTuberin Bonny Rebecca oder zuletzt Yovana Mendoza (die noch dazu eine strenge Diät mit nur roher veganer Kost einhielt) outeten, wieder Milchprodukte, Fisch, Eier und auch Fleisch zu essen. Immerhin hatten sie monatelang ihren Fans zum Teil vorgegaukelt, dass sie mit veganer Ernährung genauso werden könnten wie sie: schön, schlank, sportlich, erfolgreich. Wer es ihnen nachmachen wollte, kaufte ihre E-Bü
cher, veganen Kleider etc. Doch ihre Körper sprachen eine eindeutige Sprache: So wie bisher geht es nicht weiter. Übrig bleiben wie so oft in der Influencerwelt zerplatzte Träume und die Frage: Macht Veganismus krank?
„Grundsätzlich kann man sich vegan ernähren. Es ist keine ungesunde Ernährung“, sagt dazu Jürgen König, der Leiter des Department für Ernährungswissenschaften an der Universität Wien. Das Aber folgt umgehend: „Um es vernünftig zu machen, muss man sich sehr genau auskennen, damit man die richtigen Nährstoffe bekommt. Es ist ein relativ komplexes Konzept.“
Das größte Problem, sagt König, sei ein drohender Vitamin-B12-Mangel. Denn Vitamin B12 könne nicht ausreichend durch pflanzliche Ernährung aufgenommen werden. Einfach, weil es keine pflanzliche Nahrung gibt, die genügend B12 enthält. „Auch nicht Sauerkraut oder Algen. Da ist zwar etwas B12 drinnen, aber es reicht nicht aus.“Jemand, der sich vegan ernähre, müsse daher Vitamin B12 in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zu sich nehmen. Es gebe freilich auch noch andere Nahrungsbestandteile, bei denen man darauf achten müsse, dass man sie ausreichend aufnehme, aber die – sagt König – seien leichter in den Griff zu bekommen.
Vitamin B12 ignoriert man dafür besser nicht. Ein Mangel sei auch deswegen so gefährlich, weil er sich langsam entwickle. Es dauert, bis sich die Konsequenzen im Körper zeigen. Die haben es dann aber in sich. Als Folge kann der Körper nicht genügend rote Blutkörperchen bilden. „Es kommt zu einer Art von Anämie.“Man sei ständig krank, müde, abgeschlagen, auch die Periode könne ausbleiben.
Studien berichten von Knochenerweichungen und neurologischen Erkrankungen als Folge.
Ähnlich argumentiert Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Institutes für Ernährungsmedizin. „Vegane Ernährung ist mit Gefahren verbunden“, sagt er. „Bei dieser ist die Wahrscheinlichkeit einer Unterversorgung wesentlich höher als bei einer vegetarischen Ernährung oder einer mit Fleisch.“ Milch verschleimt nicht. Dabei hoffen Veganer genau das Gegenteil – ihrem Körper durch die pflanzliche Ernährung besonders viel Gutes zu tun. Milchprodukte würden etwa – so erzählen viele – den Körper verschleimen. Doch dafür, sagen sowohl König als auch Widhalm, gebe es keine wissenschaftlichen Beweise. „Das ist ein Mythos. Es ist immer eine Frage der Menge. Aber es ist nicht richtig, dass Milch verschleimt oder Krebs auslöst“, sagt König. Und Widhalm fügt hinzu: „Es gibt zehn bis 15 Prozent der Menschen, die eine partielle Laktaseschwäche haben. Das heißt, sie können Laktose nicht verdauen.“Aber das sei meistens eine Frage der Menge. „Ein viertel Glas Milch geht, aber ein halbes ist dann oft schon zu viel.“
Dabei gibt es auch immer wieder Eltern, die ihren Kindern Milchprodukte vorenthalten. Oder Mütter, die selbst in der Schwangerschaft darauf verzichten. Davon raten König und Widhalm tunlichst ab. „Kinder befinden sich im Wachstum und haben einen hohen Bedarf an Eiweiß. Es ist schwierig, dies über vegane Ernährung zuzuführen. Die Gefahr ist zu groß, dass die Kinder Entwicklungsstörungen haben“, sagt König. Die als besonders eiweißhaltig geltende Hafermilch, die gern als Milchersatz verwendet wird, reiche dabei nicht aus. Ihr würden genügend Kalzium oder Vitamin B2 fehlen.
Eine vegetarische Ernährung, sagt König, sei bei Kindern ab zwei Jahren hingegen kein Problem. Wenn man auch hier immer wieder auf etwaige Mängel (etwa Eisen) achten würde. Bei Kindern unter zwei Jahren würde er auch nicht auf Fleisch verzichten.
»Es ist nicht richtig, dass Milch verschleimt oder Krebs auslöst.«
Die richtige Menge Fleisch. Doch wie sieht dann eine ideale Ernährung aus? Braucht man wirklich Fleisch, um sich optimal zu ernähren? Die Wissenschaft zeige, sagt Kurt Widhalm, dass „bei einer vegetarischen Ernährung, bei der man Milchprodukte oder sogar Fisch zu sich nimmt, Mangelerscheinungen extrem selten sind. Fleisch braucht man hingegen nicht unbedingt“. Im Gegenteil. Alle neueren Ernährungsstudien hätten gezeigt, dass ein reduzierter Fleischkonsum auf unter 35 Gramm am Tag die Wahrscheinlichkeit stark senke, einen Herzinfarkt zu bekommen, an Krebs oder Diabetes zu erkranken. „Und die Umwelt schont man auch damit. Ein Gramm Fleisch benötigt in der Produktion sechs Gramm pflanzliches Protein.“Den Fleischkonsum zu reduzieren rät auch König. „Zu viel wirkt sich negativ aus. Man nimmt einfach zu viel Fett und Energie zu sich.“