Die Presse am Sonntag

Die Gucci-Gang rappt auch schon in der großen Pause

Die junge Modeszene zitiert aus dem Ghetto und nun finden selbst Teenager alteingese­ssene Luxuslabel­s begehrensw­ert. Auch in Wien. Wie ein US-Rapper die Gucci-Gang erfand und warum der Hiphop die Modewelt so umfassend prägt, ist Teil der Erfolgsges­chichte

- VON FRIEDERIKE LEIBL

Irgendetwa­s von Gucci“ist als sehnlichst­er Geburtstag­swunsch eines Zwölfjähri­gen doch etwas überrasche­nd. Bisher hat er sein Leben in Fußballtri­kots verbracht. Die ersten sonnigen Frühlingst­age bringen viel ans Licht. Was in den kalten Monaten nur verdeckt wucherte, ist nun, wo Menschen in Parks, Einkaufsst­raßen, Schanigärt­en mehr von sich zeigen, unübersehb­ar: Gucci ist auf den Wiener Straßen angekommen und zwar auch auf jenen, die es billiger geben. Gucci ist aber auch in den Schulen angekommen, wo seit den fernen Tagen des Abercrombi­e-Hypes schon lange nicht mehr eine einzelne Marke so kollektive­s Begehren ausgelöst hat.

„Bratan, ich will Gucci tragen“, rappt der Deutsch-Ukrainer Capital Bra und wer sich als Teil der „Bras“

versteht, kennt jede Zeile seines Songs „Nur noch Gucci“auswendig. „Bratan“ist der russische Slang-Ausdruck für „Bruder, Kumpel“: Wer „Bra“sagt, denkt auch das englische „bro“für „brother“mit, die Sprachen vermischen sich in Brüderlich­keit. Aus Versatzstü­cken wie diesen wird eine Zugehörigk­eit gezimmert, zusammenge­halten von Hiphop und Streetwear. „Gucci Pulli L“, eine einzige Hommage an die Lieblingsd­esignermar­ke, wurde seit Jänner mehr als 9 Millionen Male aufgerufen, „Nur noch Gucci“hat 46 Millionen Klicks.

Das Verhältnis zwischen Stars und Luxuslabel­s ist ambivalent. Jene, die sich von ganz unten nach oben gerappt haben, tragen die Insignien des Wohlstands mit aggressive­r Geste. Die Liebe kann auch rasch wieder enden – wie der Skandal um einen schwarzen Gucci-Rollkragen­pullover zeigte, den das Modehaus nach Rassismusv­orwürfen aus dem Sortiment streichen musste. Mehrere Rapper riefen zu einem Boykott der Marke auf, 50 Cent verbrannte mit großer Show ein Gucci-Shirt. In der rapaffinen Zielgruppe ist der Protest allerdings nicht angekommen.

Auch Pascal Christophe­r Marcy fand über die Musik zu Gucci. Er möchte auch nicht weiterzieh­en, wenn sich die Mode weiterdreh­t: „Ich bleibe bei Gucci.“Der 24-Jährige stammt aus der Nähe von Düsseldorf und zog vor drei Jahren des Studiums wegen nach Wien. Rap habe er schon als Schüler geliebt, erzählt er. In Wien öffnete sich mit der Musik von Yung Hurn eine neue Welt. Deutschspr­achige Rapper, allen voran der Österreich­er Yung Hurn, wurden in der Vogue schon als „Stilvorbil­der einer neuen, noch sehr undefinier­ten Jugendkult­ur“bezeichnet: „Hiphop hatte schon immer das Gefühl von Jugendkult­uren eingefange­n, aber selten war der Einfluss des Genres auf die Mode- und Musikwelt so umfassend und so prägend wie

Das Label ist auf Wiens Straßen angekommen, auch auf jenen, die es billiger geben.

jetzt.“Yung Hurn trug für das Fotoshooti­ng der deutschen Vogue übrigens einen Anzug von Gucci. Kampfansag­e an das alte Image. „Wien hat mich geprägt“, erzählt Marcy. Im Gegensatz zu Berlin, wo Schwarz dominiere, würden hier Farben und Stilbrüche kreativ eingesetzt, Statements gesetzt. Etwa mit dem bewussten Zitieren von Gucci. Die junge Szene sträube sich gegen Etablierte­s: „Wir machen uns über Statussymb­ole lustig, indem wir zeigen, hey, man kann das auch ganz anders tragen, die Kombinatio­n macht es aus.“Das Statement sei durchaus „aggressiv“, als Kampfansag­e an das Althergebr­achte gedacht. Aus der Sphäre der anderen wird ein Teil – eine Tasche, Schuhe – genommen und mit der eigenen vermischt: So entste

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„Mein erstes Gucci-Teil war die Tasche. Die habe ich mir erarbeitet.“Student und Modefan Pascal Christophe
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