Vom Maushaus zum Giganten im Kaufrausch
Jahrzehntelang verließ sich der Disney-Konzern auf die eigene Kreativität. Dann kam Bob Iger.
Woran denken wir, wenn wir an Disney denken? An Mickey Mouse und Goofy, an ein tanzendes Schneewittchen und die trampelnde Antilopenherde in „König der Löwen“, an wirbelnde Untertassen in Disneyland, an „Tick, Trick und Track“im Fernsehen? Im kollektiven Gedächtnis ist das 1923 von den Brüdern Walt und Roy O. Disney gegründete Studio, eine magische Wunderkiste, die übergeht vor Märchenwelten, buntem Zeichentrickspaß und kindlichem Übermut.
Es ist freilich eine etwas veraltete Vorstellung: Steht der Name Disney mittlerweile doch auch für leidende Superhelden und Kriegswirren im Weltraum – und nun auch für FantasyDigital-Ungetüme wie „Avatar“. Mit aufsehenerregenden Akquisitionen präsentierte sich der Konzern neuerdings regelmäßig als Unterhaltungsgigant im Kaufrausch, der sich einverleibt, was lukratives Entertainment verspricht. Sieht man auf die lange Geschichte des Studios zurück, ist das aber eine relativ neue Entwicklung: Jahrzehntelang verließ es sich nämlich auf die eigene Kreativität. Zwar bediente man sich an Vorlagen von Kinderbüchern bis Shakespeare, die Filmfiguren baute es sich daraus aber selbst. Einfallsreiche Talente, die man parallel an verschiedenen Projekten arbeiten ließ, hatte man dafür genug. Pixar, Marvel, Lucasfilm. Wirtschaftlich ging es auf und ab; nach dem Tod der beiden Gründer – Walt starb 1966, Roy 1971 – erlebte das Unternehmen eine längere Flaute: Interne Umwälzungen und Kinokassenflops ließen Disneys Stellenwert auf dem Filmmarkt sinken. Erst die 1990er brachten eine Renaissance: Einträgliche Filme wie „Arielle“, „Aladdin“und der „König der Löwen“ließen die Kritiker jubeln. Disney habe den Animationsfilm neu erfunden, befand die „New York Times“. Geleitet wurde Disney im Aufschwung von Michael Eisner, einem Mann mit Fernseherfahrung. Unter ihm begann die Transformation des Animationsstudios zu einem Medienkonglomerat – etwa mit Akquisitionen der TV-Sender ABC und ESPN.
Mastermind der aktuellen DisneyStrategie ist Bob Iger, der die Firma 2005 übernommen hat: Nur wenige Monate nach seinem Antritt kaufte er für sieben Milliarden Dollar die Animationsschmiede Pixar, mit der Disney zuvor etwa „Toy Story“und „Findet Nemo“koproduziert hatte. Igers Vision: Disney sollte die Produktion von Nischenfilmen zurückfahren und sich stattdessen auf wenige erfolgversprechende Kernmarken konzentrieren.
Zu diesen zählt seit 2009 auch Marvel mit seinen unzähligen Comichelden (es wurde für vier Milliarden Dollar gekauft), 2012 kam Lucasfilm, dazu (ebenfalls für vier Milliarden Dollar), der Rechteinhaber von „Star Wars“und „Indiana Jones“.