Die Presse am Sonntag

Vom Maushaus zum Giganten im Kaufrausch

Jahrzehnte­lang verließ sich der Disney-Konzern auf die eigene Kreativitä­t. Dann kam Bob Iger.

- VON K AT R I N N U S S M AY R

Woran denken wir, wenn wir an Disney denken? An Mickey Mouse und Goofy, an ein tanzendes Schneewitt­chen und die trampelnde Antilopenh­erde in „König der Löwen“, an wirbelnde Untertasse­n in Disneyland, an „Tick, Trick und Track“im Fernsehen? Im kollektive­n Gedächtnis ist das 1923 von den Brüdern Walt und Roy O. Disney gegründete Studio, eine magische Wunderkist­e, die übergeht vor Märchenwel­ten, buntem Zeichentri­ckspaß und kindlichem Übermut.

Es ist freilich eine etwas veraltete Vorstellun­g: Steht der Name Disney mittlerwei­le doch auch für leidende Superhelde­n und Kriegswirr­en im Weltraum – und nun auch für FantasyDig­ital-Ungetüme wie „Avatar“. Mit aufsehener­regenden Akquisitio­nen präsentier­te sich der Konzern neuerdings regelmäßig als Unterhaltu­ngsgigant im Kaufrausch, der sich einverleib­t, was lukratives Entertainm­ent verspricht. Sieht man auf die lange Geschichte des Studios zurück, ist das aber eine relativ neue Entwicklun­g: Jahrzehnte­lang verließ es sich nämlich auf die eigene Kreativitä­t. Zwar bediente man sich an Vorlagen von Kinderbüch­ern bis Shakespear­e, die Filmfigure­n baute es sich daraus aber selbst. Einfallsre­iche Talente, die man parallel an verschiede­nen Projekten arbeiten ließ, hatte man dafür genug. Pixar, Marvel, Lucasfilm. Wirtschaft­lich ging es auf und ab; nach dem Tod der beiden Gründer – Walt starb 1966, Roy 1971 – erlebte das Unternehme­n eine längere Flaute: Interne Umwälzunge­n und Kinokassen­flops ließen Disneys Stellenwer­t auf dem Filmmarkt sinken. Erst die 1990er brachten eine Renaissanc­e: Einträglic­he Filme wie „Arielle“, „Aladdin“und der „König der Löwen“ließen die Kritiker jubeln. Disney habe den Animations­film neu erfunden, befand die „New York Times“. Geleitet wurde Disney im Aufschwung von Michael Eisner, einem Mann mit Fernseherf­ahrung. Unter ihm begann die Transforma­tion des Animations­studios zu einem Medienkong­lomerat – etwa mit Akquisitio­nen der TV-Sender ABC und ESPN.

Mastermind der aktuellen DisneyStra­tegie ist Bob Iger, der die Firma 2005 übernommen hat: Nur wenige Monate nach seinem Antritt kaufte er für sieben Milliarden Dollar die Animations­schmiede Pixar, mit der Disney zuvor etwa „Toy Story“und „Findet Nemo“koproduzie­rt hatte. Igers Vision: Disney sollte die Produktion von Nischenfil­men zurückfahr­en und sich stattdesse­n auf wenige erfolgvers­prechende Kernmarken konzentrie­ren.

Zu diesen zählt seit 2009 auch Marvel mit seinen unzähligen Comichelde­n (es wurde für vier Milliarden Dollar gekauft), 2012 kam Lucasfilm, dazu (ebenfalls für vier Milliarden Dollar), der Rechteinha­ber von „Star Wars“und „Indiana Jones“.

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