Die Presse am Sonntag

Die Welt schaut wieder einmal auf Trump

In der UNO in New York trifft man sich zum großen diplomatis­chen Schaulaufe­n. Im Zentrum steht einmal mehr der US-Präsident. Er muss sich mit dem Iran herumschla­gen und gleichzeit­ig verbale Interventi­onen in der Ukraine erklären.

- VON STEFAN RIECHER

Wer besser verstehen will, wie Donald Trump tickt, konnte in der vergangene­n Woche sehr viel lernen. Etwas vereinfach­t lassen sich die Erkenntnis­se so zusammenfa­ssen: Den Krieg der Worte scheut der US-Präsident nicht, eine tatsächlic­he militärisc­he Konfrontat­ion sehr wohl. Das zeigt nicht zuletzt seine Reaktion auf die – laut US-Geheimdien­st vom Iran lancierten – Angriffe auf die wichtige saudische Ölanlage Abqaiq.

Nachdem Trump zunächst betont hatte, Gewehr bei Fuß zu stehen, so sich denn die Vorwürfe gegen Teheran bewahrheit­en würden, sah Washington von einem Militärsch­lag ab. Stattdesse­n sanktionie­rt das Weiße Haus die ohnehin bereits weit im Abseits stehende iranische Zentralban­k und schickt Truppen nach Saudiarabi­en, um etwaige künftige Attacken abzuwehren. Defensive statt Offensive, ist das Motto. Das ist nur schlüssig, schließlic­h hat Trump bereits im Wahlkampf angekündig­t, dass die USA nicht länger Weltpolizi­st spielen müssten. Ein großer Krieg soll vermieden werden.

Und so bekommen die eigentlich von Trump verhassten Vereinten Nationen eine ganz neue Bedeutung. Vor der jährlichen Generalver­sammlung in New York schlägt der amerikanis­che Präsident plötzlich ungewohnt amikale Töne an. Der Organisati­on komme eine wichtige Rolle im Konflikt mit dem Iran zu, erklärte Trump. Außenminis­ter Mike Pompeo wiederum betonte, dass die USA zusammen mit der internatio­nalen Gemeinscha­ft eine koordinier­te Antwort auf die Aggression­en aus Teheran anstrebten. Gleich nach Trumps Wahl zum Präsidente­n klang das noch ganz anders: Die UNO sei „nur ein Klub, wo die Leute zusammenko­mmen, reden und eine gute Zeit haben“, schrieb der frühere Immobilien­tycoon Ende 2016 auf Twitter.

Helikopter und Agenten. Zusammenko­mmen werden in der UN-Zentrale am East River in Manhattan ab Dienstag knapp 150 Staats- und Regierungs­chefs. Das jährliche Prozedere hat bereits Tradition, heuer geht das weltgrößte Diplomaten­treffen zum 74. Mal über die Bühne. Für knapp eine Woche ist in New York der Ausnahmezu­stand angesagt. Der Verkehr in Midtown Manhattan liegt danieder, Polizeihub­schrauber kreisen über der Metropole, das Secret Service zieht seine Runden und sperrt ganze Viertel weitläufig ab.

Fünf zentrale Themen – das Klima, die Zukunft kleiner Inselstaat­en, die Gesundheit­sversorgun­g, die Nachhaltig­keitsziele 2030 und Entwicklun­gshilfe – mit jeweils einem eigenen Gipfel hat UN-Generalsek­retär Antonio Guterres ausgegeben. In Wahrheit wird sich hinter den Kulissen nahezu alles um den Iran drehen. Präsident Hassan Rouhani und Außenminis­ter Javad Zarif haben sich nun ebenfalls angesagt, nachdem sie letztlich doch ihre Einreisege­nehmigunge­n in die USA erhalten haben. Pompeo hatte diese zunächst in Frage gestellt, weil Rouhani und Zarif „den Terror unterstütz­en“. Schließlic­h gab Washington im Sinne der Deeskalati­on grünes Licht.

Auch wenn sich Trump, Pompeo, Rouhani und Zarif nun tagelang in der gleichen Stadt aufhalten: Ein Handshake kann nach dem Schlag ins Herz der saudischen Ölversorgu­ng ausgeschlo­ssen werden. Stattfinde­n wird dieser hingegen zwischen Zarif und Alexander Schallenbe­rg. Österreich­s Außenminis­ter soll am Montag seinen iranischen Amtskolleg­en treffen. Die Übergangsr­egierung wird sich zum ersten – und, wie Bundeskanz­lerin Brigitte Bierlein bei einem Gespräch in den Räumlichke­iten der UN-Vertretung sagte: „hoffentlic­h letzten“– Mal auf das große diplomatis­che Parkett in New York begeben. Neben Schallenbe­rg und Bierlein sind auch Umweltmini­sterin Maria Patek und Alexander Van der Bellen angereist. Der Bundespräs­ident präsentier­t seine gemeinsam mit 32 Staats- und Regierungs­chefs ins Leben gerufene Klimainiti­ative.

Rätsel über Ukraine-Telefonat. Ins Rampenlich­t rückte indes in letzter Minute auch der Besuch des ukrainisch­en Präsidente­n, Wolodymyr Selenskij. Ein anonymer Whistleblo­wer soll laut USMedien behaupten, dass Trump in einem Telefonat mit Kiew im Juli Selenskij mehrmals auffordert­e, Untersuchu­ngen gegen Hunter Biden, Sohn des demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten Joe Biden, in die Wege zu leiten. Für das Weiße Haus wäre das problemati­sch, weil der Präsident keine ausländisc­hen Regierunge­n zur Unterstütz­ung in den eigenen Wahlkampf hineinzieh­en darf. Trump und Selenskij sollen Mitte der Woche zusammentr­effen, der US-Präsident wird gegenüber US-Medien einmal mehr die Rolle Bidens in der Ukraine infrage stellen. US-Wahlkampf inmitten der UN-Woche sozusagen.

Konkret geht es in der Sache um mehrere Reisen in die Ukraine, die Biden als Vizepräsid­ent unter Barack Obama unternomme­n hat. Demnach hat der Demokrat eine Ablöse des damaligen – laut Biden korrupten – Generalsta­atsanwalts Wiktor Schokin gefordert. Schokin untersucht­e die Machenscha­ften des Gaskonzern­s Burisma, in dessen Aufsichtsr­at wiederum Hunter Biden saß. Bereits seit Monaten fordert das Weiße Haus, allen voran Trumps Anwalt Rudy Giuliani, eine Untersuchu­ng der Biden-Connection nach Kiew. Biden beruft sich unter anderem darauf, dass Schokins Untersuchu­ngen gegen Burisma zum Zeitpunkt seiner Interventi­on bereits abgeschlos­sen waren.

Noch ist unklar, ob die Angelegenh­eit Trump oder Biden mehr schaden wird. Jedenfalls hat die Sache das Potenzial, den Wahlkampf 2020 zu beeinfluss­en. „Sleepy Joe“Biden, wie ihn Trump stets nennt, kämpft gerade um die demokratis­che Nominierun­g. In den Umfragen liegt er vor Elizabeth Warren und Bernie Sanders.

Klar ist, dass der ukrainisch­e Präsident Selenskij während der UN-Woche auf Biden angesproch­en werden wird. Klar ist auch, dass Trump seinen Krieg der Worte weiterführ­en wird. Gegen Biden. Und gegen den Iran. Die offizielle Rede des US-Präsidente­n ist für Dienstag angesetzt.

 ?? APA ?? Donald Trump, der Commander-inChief am South Lawn des Weißen Hauses, zerrissen zwischen martialisc­her Rhetorik und Skepsis gegenüber Militärint­erventione­n.
APA Donald Trump, der Commander-inChief am South Lawn des Weißen Hauses, zerrissen zwischen martialisc­her Rhetorik und Skepsis gegenüber Militärint­erventione­n.

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