Die Welt schaut wieder einmal auf Trump
In der UNO in New York trifft man sich zum großen diplomatischen Schaulaufen. Im Zentrum steht einmal mehr der US-Präsident. Er muss sich mit dem Iran herumschlagen und gleichzeitig verbale Interventionen in der Ukraine erklären.
Wer besser verstehen will, wie Donald Trump tickt, konnte in der vergangenen Woche sehr viel lernen. Etwas vereinfacht lassen sich die Erkenntnisse so zusammenfassen: Den Krieg der Worte scheut der US-Präsident nicht, eine tatsächliche militärische Konfrontation sehr wohl. Das zeigt nicht zuletzt seine Reaktion auf die – laut US-Geheimdienst vom Iran lancierten – Angriffe auf die wichtige saudische Ölanlage Abqaiq.
Nachdem Trump zunächst betont hatte, Gewehr bei Fuß zu stehen, so sich denn die Vorwürfe gegen Teheran bewahrheiten würden, sah Washington von einem Militärschlag ab. Stattdessen sanktioniert das Weiße Haus die ohnehin bereits weit im Abseits stehende iranische Zentralbank und schickt Truppen nach Saudiarabien, um etwaige künftige Attacken abzuwehren. Defensive statt Offensive, ist das Motto. Das ist nur schlüssig, schließlich hat Trump bereits im Wahlkampf angekündigt, dass die USA nicht länger Weltpolizist spielen müssten. Ein großer Krieg soll vermieden werden.
Und so bekommen die eigentlich von Trump verhassten Vereinten Nationen eine ganz neue Bedeutung. Vor der jährlichen Generalversammlung in New York schlägt der amerikanische Präsident plötzlich ungewohnt amikale Töne an. Der Organisation komme eine wichtige Rolle im Konflikt mit dem Iran zu, erklärte Trump. Außenminister Mike Pompeo wiederum betonte, dass die USA zusammen mit der internationalen Gemeinschaft eine koordinierte Antwort auf die Aggressionen aus Teheran anstrebten. Gleich nach Trumps Wahl zum Präsidenten klang das noch ganz anders: Die UNO sei „nur ein Klub, wo die Leute zusammenkommen, reden und eine gute Zeit haben“, schrieb der frühere Immobilientycoon Ende 2016 auf Twitter.
Helikopter und Agenten. Zusammenkommen werden in der UN-Zentrale am East River in Manhattan ab Dienstag knapp 150 Staats- und Regierungschefs. Das jährliche Prozedere hat bereits Tradition, heuer geht das weltgrößte Diplomatentreffen zum 74. Mal über die Bühne. Für knapp eine Woche ist in New York der Ausnahmezustand angesagt. Der Verkehr in Midtown Manhattan liegt danieder, Polizeihubschrauber kreisen über der Metropole, das Secret Service zieht seine Runden und sperrt ganze Viertel weitläufig ab.
Fünf zentrale Themen – das Klima, die Zukunft kleiner Inselstaaten, die Gesundheitsversorgung, die Nachhaltigkeitsziele 2030 und Entwicklungshilfe – mit jeweils einem eigenen Gipfel hat UN-Generalsekretär Antonio Guterres ausgegeben. In Wahrheit wird sich hinter den Kulissen nahezu alles um den Iran drehen. Präsident Hassan Rouhani und Außenminister Javad Zarif haben sich nun ebenfalls angesagt, nachdem sie letztlich doch ihre Einreisegenehmigungen in die USA erhalten haben. Pompeo hatte diese zunächst in Frage gestellt, weil Rouhani und Zarif „den Terror unterstützen“. Schließlich gab Washington im Sinne der Deeskalation grünes Licht.
Auch wenn sich Trump, Pompeo, Rouhani und Zarif nun tagelang in der gleichen Stadt aufhalten: Ein Handshake kann nach dem Schlag ins Herz der saudischen Ölversorgung ausgeschlossen werden. Stattfinden wird dieser hingegen zwischen Zarif und Alexander Schallenberg. Österreichs Außenminister soll am Montag seinen iranischen Amtskollegen treffen. Die Übergangsregierung wird sich zum ersten – und, wie Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bei einem Gespräch in den Räumlichkeiten der UN-Vertretung sagte: „hoffentlich letzten“– Mal auf das große diplomatische Parkett in New York begeben. Neben Schallenberg und Bierlein sind auch Umweltministerin Maria Patek und Alexander Van der Bellen angereist. Der Bundespräsident präsentiert seine gemeinsam mit 32 Staats- und Regierungschefs ins Leben gerufene Klimainitiative.
Rätsel über Ukraine-Telefonat. Ins Rampenlicht rückte indes in letzter Minute auch der Besuch des ukrainischen Präsidenten, Wolodymyr Selenskij. Ein anonymer Whistleblower soll laut USMedien behaupten, dass Trump in einem Telefonat mit Kiew im Juli Selenskij mehrmals aufforderte, Untersuchungen gegen Hunter Biden, Sohn des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden, in die Wege zu leiten. Für das Weiße Haus wäre das problematisch, weil der Präsident keine ausländischen Regierungen zur Unterstützung in den eigenen Wahlkampf hineinziehen darf. Trump und Selenskij sollen Mitte der Woche zusammentreffen, der US-Präsident wird gegenüber US-Medien einmal mehr die Rolle Bidens in der Ukraine infrage stellen. US-Wahlkampf inmitten der UN-Woche sozusagen.
Konkret geht es in der Sache um mehrere Reisen in die Ukraine, die Biden als Vizepräsident unter Barack Obama unternommen hat. Demnach hat der Demokrat eine Ablöse des damaligen – laut Biden korrupten – Generalstaatsanwalts Wiktor Schokin gefordert. Schokin untersuchte die Machenschaften des Gaskonzerns Burisma, in dessen Aufsichtsrat wiederum Hunter Biden saß. Bereits seit Monaten fordert das Weiße Haus, allen voran Trumps Anwalt Rudy Giuliani, eine Untersuchung der Biden-Connection nach Kiew. Biden beruft sich unter anderem darauf, dass Schokins Untersuchungen gegen Burisma zum Zeitpunkt seiner Intervention bereits abgeschlossen waren.
Noch ist unklar, ob die Angelegenheit Trump oder Biden mehr schaden wird. Jedenfalls hat die Sache das Potenzial, den Wahlkampf 2020 zu beeinflussen. „Sleepy Joe“Biden, wie ihn Trump stets nennt, kämpft gerade um die demokratische Nominierung. In den Umfragen liegt er vor Elizabeth Warren und Bernie Sanders.
Klar ist, dass der ukrainische Präsident Selenskij während der UN-Woche auf Biden angesprochen werden wird. Klar ist auch, dass Trump seinen Krieg der Worte weiterführen wird. Gegen Biden. Und gegen den Iran. Die offizielle Rede des US-Präsidenten ist für Dienstag angesetzt.