POLIZEI WIEN
ünchen, 22. Juli 2016. Auf den Straßen der Stadt herrscht Unsicherheit, mancherorts sogar Panik. In einem Einkaufszentrum fielen Schüsse, es gibt Tote und Verletzte. Mehr ist nicht bekannt. In sozialen Medien ist von weiteren Schüssen in mehreren anderen Stadtteilen die Rede. Ein koordinierter Terroranschlag? Nein.
Es sind Falschmeldungen, von denen keiner weiß, wie sie entstanden sind. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um einen Amoklauf eines 18-jährigen Schülers, der neun Menschen tötet, vier werden durch Schüsse verletzt – mindestens 32 weitere, weil sie Angst haben und weglaufen.
In Erinnerung bleiben wird dieser Tag aber auch wegen der beispiellosen Krisenkommunikation der Münchner Polizei, die die Verbreitung von Meldungen auf Facebook und Twitter nicht der Bevölkerung überlässt, sondern erstmals selbst soziale Medien in großem Stil nutzt, um Sicherheitsanweisungen zu geben und in Umlauf befindliche Gerüchte zu korrigieren – mit Erfolg. Innerhalb weniger Stunden wird die Lage unter Kontrolle gebracht.
Ein kleiner Meilenstein in der sich seit Jahren verändernden Interaktion der Polizei mit Medien und Öffentlichkeit, aus dem auch die Wiener Polizei ihre Lehren zieht – und zum Anlass nimmt, endgültig in der Welt von Social Media anzukommen. Noch im Oktober 2016 wird das Referat für Neue Medien umfassend ausgebaut, die Präsenz auf Facebook sowie Twitter deutlich erhöht und später sogar ein eigener YouTube-Kanal eingerichtet.
Mit der Absicht, die Bevölkerung noch schneller und einfacher zu erreichen, aber auch noch schneller und einfacher erreichbar zu sein – und das öffentlich, von allen verfolgbar. Eine Erreichbarkeit, die auch dazu führt, dass die Exekutive nicht mehr nur über die Notrufnummer 133, sondern via soziale Medien auf Vorfälle aufmerksam gemacht und um Hilfe gebeten wird – auf Demonstrationen oder Großveranstaltungen etwa.
Allein in diesem Jahr beantwortete die Wiener Polizei mehr als 1200 Anfragen auf Twitter. Zusätzlich zu 730 eigenen Tweets und 1300 Retweets. Zudem wurde heuer schon zum dritten Mal ein „24-Stunden-Twitter-Marathon“unter dem bereits etablierten Hashtag 24h133 durchgeführt. Dabei werden sämtliche Einsätze getwittert, während User Fragen stellen dürfen – das Interesse daran ist enorm.
„Strukturell und inhaltlich anpassen“. „Die Rahmenbedingungen von Öffentlichkeitsarbeit im Allgemeinen und der Landespolizeidirektion Wien im Speziellen haben sich in den vergangenen Jahren maßgeblich geändert“, sagt Landespolizei-Präsident Gerhard Pürstl. „Soziale Medien nehmen bei der Informationsgewinnung einen immer höheren Stellenwert ein. An diese Veränderung muss unsere Öffentlichkeitsarbeit strukturell und inhaltlich angepasst werden, um auf neue Arten der Kommunikation einzugehen.“
Die Hauptziele seien, die Polizei Wien nachhaltig in den sozialen Netzwerken zu positionieren und Informationen „ein zu eins an die Menschen zu übermitteln“. Denn: „Auch traditionelle Medien nutzen solche Kanäle zur Informationsgewinnung.“Nicht zuletzt der Amoklauf in München habe gezeigt, dass die klassischen Kommunikationsmittel der Behörden im Ernstfall nicht immer ausreichen würden.
Gestern, Samstag, feierte Pürstl mit seinem Team in der Rossauer Kaserne das 150-jährige Bestehen der Wiener Polizei. Den Höhepunkt des „Tages der Wiener Polizei“bildete eine Parade von der Schottengasse zum Rathausplatz in historischen Uniformen.
„Pizzeria Anarchia“als Anlass. Den Twitter-Account der Wiener Polizei gibt es seit 3. April 2014, drei Jahre zuvor beginnt der Auftritt auf Facebook. Betreut werden die Accounts rund um die Uhr von vier Personen, die in en
Belegschaft.
Derzeit versehen in Wien rund 8300 Mitarbeiter sowohl im Verwaltungsdienst als auch im Außendienst ihren Dienst. 1000 Beamte befinden sich in Ausbildung. Der Bevölkerung stehen 83 Polizeiinspektionen zur Verfügung. Die Wiener Polizei verzeichnet pro Jahr etwa 1.200.000 Notrufe. Diese führen zu täglich rund 1200 Einsätzen.
Jubiläum.
Die Wiener Polizei wird 150 Jahre alt: Am Samstag wurde dieses Jubiläum in der Rossauer Kaserne gefeiert. Höhepunkt war eine Parade von der Schottengasse zum Rathausplatz in historischen Uniformen.
1869.
Als erste Polizeiorganisation wurde mit kaiserlicher Entschließung vom 2. Februar 1869 die „k. k. Sicherheitswache“eingerichtet. Zuvor war die MilitärPolizeiwache für die Sicherheit zuständig. Die erste Sicherheitswacheabteilung wurde in der Leopoldstadt eröffnet.
2005
wurden Bundessicherheitswache, Bundesgendarmerie, Kriminalbeamtenkorps und Teile der ehemaligen Zollwache in der neuen, österreichweit einheitlichen „Bundespolizei“zusammengeführt. gem Kontakt zu den fünf Sprechern stehen. Der konkrete Anlass für den Twitter-Account ist die Räumung der „Pizzeria Anarchia“, als auf Twitter zahlreiche Falschmeldungen über Festnahmen und die Zahl der Einsatzkräfte kursieren und die Polizei darauf mangels Account nicht reagieren kann.
»Die sozialen Medien nehmen einen immer höheren Stellenwert ein.« Seit Ende März 2019 sind 140 Bodycams im Einsatz, 160 weitere sollen folgen.
Die, wie es die Wiener Polizei nennt, „neue Zeitrechnung hinsichtlich Transparenz“hält auch auf anderen Ebenen Einzug in den Alltag. Seit Ende März 2019 sind die ersten 140 Bodycams für die Polizisten in Betrieb, zumeist bei Einsätzen an Hotspots wie etwa dem Praterstern – nicht aber bei Großereignissen. Nächstes und übernächstes Jahr sollen jeweils 80 weitere folgen. Eingeschaltet werden sie – nach Vorankündigung – immer dann, wenn die Einsatzkräfte mit einer bevorstehenden Festnahme oder kritischen Situation rechnen. Die bisherigen Erfahrungen sind Pürstl zufolge ausgesprochen positiv. Die Beamten würden sich nach und nach daran gewöhnen.
Ebenso wie an das Phänomen, im Dienst ständig von Passanten mit ihren Smartphones gefilmt oder fotografiert zu werden und die Aufnahmen davon im Internet wiederzufinden. Eine Entwicklung, die ohnehin nicht zu verhindern sei – und auch nicht verhindert werden müsse, da „korrektes Handeln“nicht von Kameras abhängen dürfe, die auf einen gerichtet sind.
Ob der Bodycam-Einsatz die Zahl der Festnahmen verringert, ist natürlich nicht belegbar, aber „eine Veränderung des Verhaltens der Festgenommenen in Richtung Beruhigung“sei sehr wohl zu bemerken. Zwar diene die Bodycam auch zur Beweissicherung – die Aufnahmen werden für sechs Monate gespeichert, sofern es kein Strafverfahren gibt. Aber im Vordergrund stehe die Prävention, also der deeskalierende Effekt der Erkenntnis, gerade gefilmt zu werden.