Die Presse am Sonntag

Die Vermessung der Fische

Die Österreich­ischen Bundesfors­te nehmen den Fischbesta­nd unter die Lupe. Ein Besuch bei der großen Fischzählu­ng am Attersee.

- VON KARIN SCHUH

Es ist zwar nicht ganz so schlimm wie bei den Sandkörner­n am Strand oder gar den Sternen am Himmel, aber all jene Fische zu zählen, die in heimischen Seen schwimmen, klingt nach einer schwierige­n Aufgabe. Aber sie ist machbar. Sind doch heimische Fischereie­xperten derzeit genau damit beschäftig­t. Seit Sommer 2018 läuft die große Fischzählu­ng der Österreich­ischen Bundesfors­te und des Bundesamte­s für Wasserwirt­schaft (BAW). Bis Mitte 2020 soll der Fischbesta­nd erforscht werden. Elf Seen werden untersucht, einerseits mittels Stichprobe­n bei Reinanken und Seesaiblin­gen, anderersei­ts wird nächtens mit einem Schallrefl­exionsmess­gerät (Echolot) die gesamte Fischbioma­sse erkundet.

„Letztes Jahr haben wir sechs Seen abgearbeit­et, heuer schon den Achensee. Jetzt kommen der Attersee, der Grundlsee, der Mondsee und der Wörthersee dran“, sagt Harald Ficker, Gewässerök­ologe der Bundesfors­te und Projektlei­ter der Fischzählu­ng. Er wartet um 6.30 Uhr vor dem Bundesamt für Wasserwirt­schaft in Scharfling am Mondsee, um die „Presse am Sonntag“zu einem Einsatz auf den Attersee mitzunehme­n. Immerhin ist das ein übersichtl­icherer Treffpunkt als die kleine Bootsanleg­estelle am Attersee, die nicht Ortskundig­e leicht übersehen können. Gemeinsam mit dem Fischereif­acharbeite­r des BAWs, Lukas Hammerl, geht es in einer kleinen Zille raus auf den See.

Ziel des Projekts sei es nicht nur, den Fischbesta­nd zu erfassen, sondern auch, die Methodik weiterzuen­twickeln. Ginge es nach ihm, würde es solche Untersuchu­ngen viel öfter geben, auch um genaue Anhaltspun­kte für die Bewirtscha­fter zu haben. Denn wird in einem See zu viel gefischt, schwindet der Bestand. Zu wenig sei aber auch nicht gut, da so der Bestand zwar schnell wächst, irgendwann aber derart dicht wird, dass die Fische nicht mehr richtig wachsen können. Eine optimale Bewirtscha­ftung liege bei etwa zehn Prozent des Bestandes pro Jahr. Und: Es sei wichtig, bei Fischern das Bewusstsei­n dafür zu schärfen, große Tiere nicht zu fischen. Sie sollen lieber erhalten bleiben, weil sie besonders wichtig für die Reprodukti­on sind. Sie legen viel mehr Eier als jüngere Fische, wachsen gut und können so ihre Gene weitergebe­n.

Jetzt muss aber eine Gesprächsp­ause eingelegt werden, der Motor wird angeworfen, und es geht mithilfe des GPS am Smartphone zu jener Stelle, an der am Vorabend die Netze gesetzt wurden. Für den Laien sind die kleinen weißen Bojen erst direkt davor erkennbar. Die beiden Fischer beginnen damit, die Netze aus einer Tiefe von 15 bis 18 Metern einzuholen. Sie haben dafür eine eigene Technik entwickelt, „sonst hat man sofort Kreuzweh“.

Doch kein Schneidert­ag. Die ersten Netze mit einer Maschenwei­te von 26 Millimeter­n sind leer. Es werden unterschie­dliche Netze gesetzt, damit Fische aller Größen gefangen werden. Je 100 Reinanken und Saiblinge werden für das Projekt gebraucht. Noch ist aber kein Fisch zu sehen. „Dann schneidern wir eben“, sagt Hammerl. Schneidert­ag nennt sich ein Tag ohne Fang. Kaum ist das ausgesproc­hen, zappelt schon der erste kleine Fisch im Netz: eine Seelaube. Die Freude hält sich in Grenzen, sie ist zwar auch hübsch, wird aber für das Projekt nicht gebraucht. „Die Seelaube ist geschützt. Es gibt sie nur im Salzkammer­gut und in Bayern, da zwar zahlreich, aber sonst nirgends auf der Welt. Sie ist ein wichtiger Nahrungsfi­sch“, erklärt der Projektlei­ter.

Es dauert noch ein bisschen, bis endlich zwei etwa 30 Zentimeter große Reinanken im Netz sind. Gut, aber immer noch zu wenig. Insgesamt wurden erst rund 30 Reinanken gefischt, es könne gut sein, dass sich die geplanten 100 Stück gar nicht ausgehen. „Aber das ist auch okay, dann ist das eben auch ein Ergebnis der Untersuchu­ng.“Wobei sich das noch ändern kann. „Fischen ist ein bisschen wie Lottospiel­en, es braucht aber auch Erfahrung.“Und selbst der Mond spielt eine Rolle. Immerhin war die letzte Nacht, kurz vor dem Vollmond, sehr hell und dadurch die Netze für die Fische besser sichtbar.

Ältere Fische sind wichtig für die Reprodukti­on und sollten lieber nicht gefischt werden.

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