IN ZAHLEN
DiE Staatsbahn ÖBB bEsitzt 193 MillionEn QuadratmEtEr Grund und ist EinEr dEr größtEn WohnungsbEsitzEr ÖstErrEichs. Das spült jEdEs Jahr MillionEn in ihrE KassEn. Da stEllt sich diE FragE: Wozu braucht Ein BahnkonzErn so viElE WohnungEn?
Das „blaue Haus“hatte schon viele Bewohner. Es steht in der äußeren Mariahilfer Straße und ist eine Wiener Institution. Lang arbeiteten dort Beschäftigte der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Dann stellte es die Bahn Flüchtlingen als Notquartier zur Verfügung. Und jetzt kommt Ikea. Der schwedische Möbelkonzern will dort Mitte 2021 eine City-Filiale eröffnen. Seit vier Monaten werken die Abrissfahrzeuge – vom ehrwürdigen Altbau ist fast nur noch Staub übrig.
Auch wenn die ÖBB nicht verraten, wie viel Ikea für das ehemalige Bürohaus gezahlt hat: Bei der Lage dürfte es ordentlich Geld in die Kasse der Staatsbahn gespült haben. Die Schweden haben sich immerhin in einem mehrstufigen Bieterverfahren gegen die Mitbewerber durchgesetzt.
Das ist kein Einzelfall. Die Immobilienverkäufe der ÖBB machen immer wieder Schlagzeilen, auch wenn es zuletzt eher ruhig geworden ist. Vor mehr als zehn Jahren verkaufte der Staatskonzern ein Palais in bester Wiener Innenstadtlage um neun Millionen Euro an eine Firma des Ex-ÖBB-Aufsichtsrats Kari Kapsch. In der jüngeren Vergangenheit war vor allem der geplante Verkauf von 2000 ÖBB-Wohnungen ein Thema. Ein Drittel davon soll verkauft werden, zuletzt hatte der „Kurier“darüber berichtet, aber auch „Die Presse“schrieb schon über den Plan. Seit Jahren feilt die Staatsbahn an einem Konzept, um ihre nicht mehr benötigten Wohnungen auf den Markt zu bringen. „Jetzt läuft der Verkaufsprozess langsam an“, sagt die für Immobilien zuständige Sprecherin Juliane Pamme.
Da stellt sich die Frage: Warum hat ein staatlicher Bahnkonzern überhaupt so viele Immobilien? Und was genau hat er damit vor?
Die Bundesbahnen sitzen auf einem Schatz, um den sie kein großes Aufheben machen, der ihnen aber jedes Jahr Millionen Euro einbringt. Sie besitzen 193 Millionen Quadratmeter Grundfläche und rühmen sich auf der Homepage ihres Immobilienzweigs damit, anlagen- und flächenmäßig „Österreichs größte Hausverwaltung“zu sein. Der Großteil des Grundbesitzes sind freilich Bahnhöfe und Zugstrecken. Die ÖBB besitzen aber auch 540 Mehrfamilien- und Zinshäuser und damit 6000 Wohnungen. Das sind hauptsächlich ehemalige Dienstwohnungen, die auch jetzt noch vermietet werden. Auch einige ehemalige Bahnwärterhäuschen sind dabei. Dort wachten einst die Bahnwärter über den Betrieb, und weil das ständig nötig war, wohnten sie an ihrem Arbeitsplatz. Aber die Digitalisierung machte den Job obsolet, die Betriebsführung wird längst zentral gesteuert. Die teils schmucken Häuschen stehen leer.
6000
Wohnungen in 540 Mehrfamilienund Zinshäusern besitzen die ÖBB, die meisten davon (rund 1700) in Niederösterreich, gefolgt von Wien (rund 1000).
220.000
Gemeindewohnungen gehören der Stadt Wien. Sie ist die mit Abstand größte Wohnungsbesitzerin Österreichs.
Ein Drittel der ÖBB-Wohnungen mieten Eisenbahner, ein Drittel wird von Nicht-Eisenbahnern bewohnt. Und ein Drittel steht leer. Vor allem die brachliegenden, stark in die Jahre gekommenen Objekte sollen nun auf den Markt gebracht werden. Viele sind sanierungsbedürftig, aber die Erneuerung wäre teuer und in vielen Fällen unrentabel. Und die Wohnungen sind teilweise so abgelegen, dass sie sich auf dem Markt schwer unterbringen lassen.
Dienstwohnung als Goodie. Der Immobilienbestand sei „aus unterschiedlichen Ecken“über viele Jahre gewachsen – in der Regel wurden die Häuser und Wohnungen von den ÖBB errichtet. Mit den Dienstwohnungen, die laut ÖBB zu Marktpreisen vermietet werden, lockte die Bahn Mitarbeiter in entlegene Gegenden. So auch jetzt wieder: Ein großer Teil der Wohnungen soll renoviert und Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Als Asset im großen Ringen um Fachkräfte.
Heute lassen die ÖBB keine Wohnungen mehr bauen. Gekauft werden nur noch Grundstücke, wenn neue Bahnhöfe gebaut oder bestehende erweitert werden. Neben ihren 6000 Wohnungen besitzt die Bahn auch ehemalige Bahnhöfe. So behielt sich der Staatskonzern nach dem Bau des Hauptbahnhofs die Hälfte der 110 Hektar (1,1 Millionen Quadratmeter) im zehnten Wiener Gemeindebezirk für den Bahnbetrieb. Die andere Hälfte wurde zu einem der größten Stadtentwicklungsgebiete Wiens – besser bekannt als Sonnwendviertel.
Ähnlich ist es mit dem „Quartier A“in Amstetten, einem ehemaligen Abstellareal für Güterzüge nächst dem Bahnhof. Dort entsteht in Zusammenarbeit mit der Stadt auf 90.000 Quadratmetern ein Wohn- und Büroprojekt mit einem Schwerpunkt auf generationenübergreifendem Wohnen. Das Areal des früheren Wiener Nordbahnhofs wurde zum großen Teil bereits an diverse Bauträger verkauft und ist auch eines der größten Stadtentwicklungsgebiete in der Bundeshauptstadt.
Und dann gibt es die Perlen. Wie die ehemalige ÖBB-Generaldirektion in der Elisabethstraße 9 am Schillerpark in der Wiener Innenstadt und ein Gebäude in der angrenzenden Operngasse 16. Auch ein Prunkbau in der Gauermanngasse gehört zum Immobilienschatz der ÖBB. Die Wohnungen sind teils an Mitarbeiter, teils an externe vermietet und teils sanierungsbedürftig. Jedenfalls denkt die Bahn bei ihren Juwelen in der Wiener Innenstadt nicht an Verkauf. „Die werden wir entwickeln und vermieten“, sagt Pamme. Verständlich: In Zeiten steigender Preise ist es sinnvoll, Immobilien in guten Lagen nicht zu verkaufen, sondern auf weitere Preissteigerungen zu warten. Die ÖBB hatten einst allein in Wien 23 Bürostandorte, die historisch gewachsen sind. Heute gibt es neben der Unternehmenszentrale am Wiener Hauptbahnhof und dem ÖBB-Sitz am Praterstern noch ein größeres Bürogebäude an der Erdberger Lände. Die wenigen Außenstellen sind kaum relevant.
Mit dEn DiEnstwohnungEn locktE diE Bahn MitarbEitEr in EntlEgEnE GEgEndEn.
Büros und Wohnungen. 2005 haben die ÖBB eine Immobiliengesellschaft gegründet, um ihren Bestand zu durchforsten „und die nicht betriebsnotwendigen Liegenschaften einer optimalen Nutzung zuzuführen“, wie es damals hieß. Sie sollen jetzt schrittweise über Ausschreibungen verkauft werden.
Die meisten Eisenbahner-Wohnungen gibt es mit 1700 in Niederösterreich, gefolgt von Wien mit 1000 und Oberösterreich mit über 900. Das Immobiliengeschäft ist kein unbedeutender Posten in der ÖBB-Bilanz. Voriges Jahr nahm die Bahn 148,5 Millionen Euro durch Mieten ein: Dazu gehören Wohnungen und Büros, aber auch interne Buchungen – so zahlt etwa die ÖBB-Personenverkehr
Miete an die ÖBB-Immobilientochter. Noch einmal gut