Die Presse am Sonntag

Wutbürger als Henker

- DO

Autor und Kabarettis­t Klaus Oppitz nimmt sich geschickt eines gar nicht lustigen Themas an: Ein Hassposter darf seinen Worten Taten folgen lassen.

Der Titel von Klaus Oppitz’ Roman ist wohl nicht ohne Grund ein wenig irreführen­d. „Die Hinrichtun­g des Martin P.“handelt nämlich eigentlich von der staatlich sanktionie­rten Tötung einer anderen Person: des 17-jährigen Timur Bikalev, der einem kleinen Mädchen in einer Wohnhausan­lage in Wien am helllichte­n Tag die Kehle durchgesch­nitten hat. Doch der, der sie vollbringe­n soll, heißt Martin P. und wird ebenfalls zum Opfer – wenn auch seiner selbst.

Martin Pietsch (43) ist eine Kreuzung aus Jedermann und Wutbürger: Arbeitslos, gedemütigt, weder dem Leben noch seiner Beziehung gewachsen, reagiert er sich mit Hasspostin­gs im Internet ab. Als er von Bikalevs Fall erfährt, tönt er in einer versoffene­n Nacht besonders groß: „Gebt mir sein Messer und ich schlachte ihn genauso ab wie er das kleine Mädchen.“Bis jemand auf seinen Vorschlag einsteigt und ihm sogar noch einen fixen Job als Draufgabe anbietet.

Klaus Oppitz (Mitautor von „Wir sind Kaiser“) geht geschickt an das heikle Thema heran, hält sich vom Moralisier­en ebenso fern wie von plakativer Sensations­lust. Sein Martin P. ist genauso vielschich­tig und tragisch wie die anderen Figuren, deren Leben durch die an ein reales Ereignis angelehnte Bluttat zerstört wird und die ab da allesamt in Richtung Katastroph­e trudeln. Am erschrecke­ndsten wird Oppitz’ Roman immer dort, wo er einfach die Realität für sich selbst sprechen lässt. Da schöpft das Grauen dann so richtig aus dem Vollen.

Klaus Oppitz: „Die Hinrichtun­g des Martin P.“, Kremayr & Scheriau, 192 Seiten, 22 Euro.

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