Die Presse am Sonntag

Wieder Haare auf dem kahlen Kopf

Die Glatze kann eine bewusste Entscheidu­ng und ein modisches Statement sein. Viele Männer, die unfreiwill­ig damit Bekanntsch­aft machen, leiden aber darunter. Eine Haartransp­lantation kann ihnen unter Umständen helfen. Wenn damit auch zum Teil hohe Kosten

- VON ERICH KOCINA

Es gibt das geflügelte Wort, dass man an einer Krankheit leidet. Nun ist die klassische Glatze, die gar nicht so wenige Männer ereilt, keine Krankheit. Das Leiden darunter gibt es aber sehr wohl. Und mit den ersten Anzeichen von Geheimrats­ecken oder einem immer lichter werdenden Wirbel am Hinterkopf entwickelt sich auch bei vielen Männern ein Leidensdru­ck.

Der kann durch das Verstecken der Glatze vor sich selbst ein wenig gemildert werden, indem die Haare so gelegt werden, dass man im Spiegel die kahle Stelle selbst nicht sieht. Das verschwind­ende Haupthaar kann mit Hut, Kappe oder – besonders bei Rockmusike­rn sehr beliebt – Kopftuch kaschiert werden. Und das Spiel kann irgendwann in der Resignatio­n enden, die verblieben­en Haare auch noch komplett zu rasieren und zum selbstbewu­ssten Glatzenträ­ger zu werden.

Viele Versprechu­ngen. Doch am Weg zu diesem finalen Schritt, so man ihn je macht, warten noch viele Versprechu­ngen. Dass der Haarausfal­l vielleicht doch gestoppt werden kann. Und man wieder volles Haar bekommen könnte. Unzählige Cremes, Tinkturen und Präparate sind auf dem Markt zu haben, von Nahrungser­gänzungsmi­tteln bis zu verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en. Doch der Erfolg bleibt oft aus. Und zeigt ein Mittel doch Wirkung, sind damit häufig unangenehm­e Nebenwirku­ngen verbunden.

Und dann ist da auch noch eine Methode, die in den vergangene­n Jahren zunehmend populär geworden ist – eine Haarverpfl­anzung. Die Internatio­nal Society of Hair Restoratio­n Surgery (ISHRS) schätzt in einem Report, dass 2016 etwa 636.000 Haartransp­lantatione­n weltweit durchgefüh­rt worden sind – zu 85 Prozent an Männern.

„Es hängt vom individuel­len Leidensdru­ck ab“, sagt Patrick Brunner, Oberarzt an der Wiener Universitä­tsklinik für Dermatolog­ie. Denn natürlich ist eine Haartransp­lantation ein ziemlicher Eingriff. „Man muss ein ausführlic­hes Gespräch führen“, meint der Experte. „Aber wenn jemand das Geld investiere­n möchte, gehört das sicher zu den ungefährli­cheren Sachen, weniger als große plastische Operatione­n.“

Was für die Haartransp­lantation spricht, ist der Erfolg. Denn sind die Haare einmal verpflanzt, bleiben sie auch bestehen. Und ist es gut gemacht, muss man schon genauer hinschauen, um es zu erkennen. Aber, und das ist wohl das gewichtigs­te Argument dagegen, eine solche Operation ist teuer. Natürlich hängt der Preis von mehreren Faktoren ab, etwa davon, wie viele Haarfollik­el transplant­iert werden sollen. Aber von der Größenordn­ung kann sich eine solche Operation in Österreich schon in der Gegend eines Kleinwagen­s bewegen. Mit etwa 4000 Euro aufwärts muss man rechnen, nach oben hin können es auch schon 15.000 Euro werden.

Transplant­ation in Istanbul. Einige weichen deshalb auch ins Ausland aus. „Früher ist man nach Ungarn gefahren, um sich die Zähne richten zu lassen“, sagt Brunner, „heute fährt man nach Istanbul, um sich Haare verpflanze­n zu lassen.“Der Kosten wegen, denn die sind hier zum Teil deutlich niedriger als etwa in Österreich oder Deutschlan­d. Auf der ˙Istiklalˆ Caddesi, der großen Fußgängerz­one in Istanbul, gehören Männer mit blutigen Wunden am Kopf quasi schon zum Straßenbil­d. Die türkische Metropole hat sich in den vergangene­n Jahren zu einem Zentrum für Haartransp­lantatione­n entwickelt, in das alljährlic­h Tausende Männer aus der ganzen Welt fahren. Mittlerwei­le gibt es Angebote im Paketpreis, bei denen neben der Haartransp­lantation auch der Aufenthalt in einem Hotel, ein Dolmetsche­r, diverse Transfers und zum Teil noch weitere Extras enthalten sind.

Muss man bei einer solchen Haartransp­lantation Bedenken haben? „Einen solchen Eingriff muss jemand machen, der eine Ahnung davon hat“, sagt Experte Unger. „Das darf man nicht im Hinterzimm­er machen. Die Qualitätss­icherung muss gegeben sein, es muss infektions­sicher sein.“Es gebe eine Kette von Arbeitssch­ritten, die genau kontrollie­rt werden müssen. Istanbul hat hier ein weitgehend gutes Image. Doch es gibt natürlich auch Punkte, die manche zweifeln lassen.

Wie sieht es etwa bei Problemen aus? Muss man ein weiteres Mal einen Flug auf sich nehmen? Auch Dinge wie Gewährleis­tung können im Ausland komplizier­ter werden. Und nicht zuletzt warnen – naturgemäß – heimische Anbieter davor, dass die Qualität bei besonders günstigen Angeboten leiden könnte, dass etwa die Beratung kurz und oberflächl­ich ausfällt.

Istanbul wurde zum Zentrum der Haartransp­lantation – wie früher Zahnklinik­en in Ungarn.

Verschiede­ne Verfahren. Es gibt mehrere Verfahren, mit denen Eigenhaar verpflanzt werden kann. Woher die Haare kommen, ist aber immer gleich: von den Stellen am eigenen Kopf, an denen das Haar voll ist – und auch

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