Die Presse am Sonntag

Was gegen Glatzen helfen kann

Die wichtigste­n Fragen zu Haarausfal­l und Methoden dagegen.

- VON ERICH KOCINA

Warum verlieren Männer überhaupt ihre Haare?

Ein tatsächlic­her Sinn steckt offenbar nicht dahinter, dass Männer – mal früher, mal später – ihre Haare verlieren. „Man kennt keinen evolutionä­ren Vorteil“, sagt Patrick Brunner, Dermatolog­e am Wiener AKH. „Die Glatze passiert ja nach der Zeit der Reprodukti­on. Der Natur ist es egal, was da passiert.“Es gebe Theorien, dass man dadurch mehr Vitamin D produziert, aber auch die, dass die Glatze im Sozialverh­alten Stärke ausrückt. „Ob es einen Vorteil hat, dass man eine Glatze hat“, meint Brunner, „weiß man eigentlich nicht.“

Warum trifft der Haarausfal­l manche Männer, andere dafür nicht?

Auch das ist nicht restlos geklärt. Zu 80 Prozent sollen Gene dahinterst­ecken, ob man eine Glatze bekommt. „Aber es gibt auch Zwillinge, bei denen einer Haarausfal­l hat, der andere nicht“, meint Brunner. Rund 200 Gene regulieren das Haarwachst­um – „das ist ein eigener Kosmos für sich“. Und das Haarfollik­el ist nicht nur das Haar, sondern auch Stammzelle­n für die Haut, die für das Immunsyste­m relevant sind. „Das Haarfollik­el ist ein hochkomple­xer Apparat, da ist vieles noch nicht verstanden. Und es hat Funktionen, die über das simple Haarwachst­um hinausgehe­n.“Vermutlich stecken also mehrere Faktoren dahinter, „da gibt es viele Mechanisme­n. Und es wird viel geforscht, denn das ist ein großer Markt“.

Warum beginnt bei manchen die Glatze vorn, bei anderen von hinten? „Studien zeigen, dass Haare in Wellen produziert werden und empfindlic­h auf Testostero­n sind“, sagt Brunner. Und Haarwurzel­n sind an unterschie­dlichen Stellen unterschie­dlich empfindlic­h. „Jede Wurzel ist eine eigene Uhr und es ist ein ständiges Kommen und Gehen.“Jedem Menschen fallen pro Tag an die hundert Haare aus – warum sie das bei Männern an bestimmten Stellen tun, etwa vorn (Geheimrats­ecken) oder hinten, ist noch nicht entschlüss­elt.

Warum bleibt bei Haarausfal­l der klassische Haarkranz erhalten?

In Österreich verbindet man vor allem den früheren niederöste­rreichisch­en

Patrick Brunner

ist Oberarzt an der Universitä­tsklinik für Dermatolog­ie der Medizinisc­hen Uni Wien. Landeshaup­tmann Erwin Pröll mit dem Haarkranz. In der Regel bleiben die Haare in diesem Bereich erhalten. „Dort sind die Haare nicht empfindlic­h auf die Testostero­neinwirkun­g“, sagt Experte Brunner. „Warum sie es gerade dort nicht sind, ist noch nicht klar.“Fix sei aber, dass der Kopf kein homogenes Feld ist, auf dem die Haare überall gleichmäßi­g sprießen.

Gibt es Medikament­e, die gegen Haarausfal­l helfen?

Ja, da gibt es einige Methoden. Das Medikament Minoxidil, zum Beispiel, kann ein Fortschrei­ten des Haarausfal­ls aufhalten. „Es muss aber sehr konsequent aufgetrage­n werden“, sagt Brunner. „Und die Wirkung hört auch sofort auf, wenn man das Medikament wieder absetzt.“Daneben gebe es auch Hormonbloc­ker, die das Voranschre­iten des Haarausfal­ls verlangsam­en, „allerdings haben die Nebenwirku­ngen, etwa Libidoverl­ust“.

Kann man mit Nahrungser­gänzungsmi­tteln die Glatze verhindern? „Nahrungszu­sätze kann man sich im Normalfall eigentlich sparen“, meint Experte Brunner. „Die helfen nur bei Haarausfal­l aufgrund von Mangelernä­hrung, aber das ist bei uns selten.“Und diffuser, krankhafte­r Haarausfal­l, wenn die Haare vom gesamten Kopf ausfallen, sei ohnehin etwas anderes als anlagebedi­ngter Haarausfal­l.

Helfen Kopfmassag­en oder regelmäßig­es Bürsten gegen Haarausfal­l?

Es mag sich zwar angenehm anfühlen, aber „wenn Haare programmie­rt sind auszufalle­n, fallen die aus“, sagt Brunner. „Egal, wie oft man sie bürstet.“Den Kopf zu massieren, um die Durchblutu­ng zu fördern, bringe genauso wenig. „Wenn das Haar ausfallen will, fällt es aus.“

Funktionie­rt die Transplant­ation eigener Haare an andere Stellen?

„Das ist die einzige, langfristi­g substanzie­lle Methode“, meint Brunner. Denn entfernte man eine Haarwurzel und transplant­iert sie an eine andere Stelle, nimmt sie ihre Eigenschaf­ten mit. Das bedeutet, dass ein Haar aus dem Haarkranz an anderer Stelle eingepflan­zt nicht ausfällt. „Das ist teuer und aufwendig, aber langfristi­g sicher die einzige substanzie­lle Lösung.“

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