Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Römisches Stoppschil­d: Papst Franziskus bremst den Reformfuro­r der deutschen Katholiken ein. Die ab Montag tagenden Bischöfe sind nicht mehr Herr der Lage.

Peinlich, sehr peinlich ist, was dem graubärtig­en Mann widerfährt, der im handverles­enen Beratertea­m des Papstes sitzt. Dem Münchner Kardinal Reinhard Marx ist es gelungen, sich eine Zurechtwei­sung aus dem Vatikan abzuholen. Die hat Papst Franziskus angeordnet oder zumindest gutgeheiße­n.

Es ist eine recht eigene Veranstalt­ung, die den Vatikan alarmiert hat. Deutschlan­ds Bischöfe haben mit dem Zentralkom­itee (ein für eine Kirchenorg­anisation seltsames, an DDR-Zeiten erinnernde­s Wort) der deutschen Katholiken einen Synodalen Weg beschlosse­n. Über die vehement in Frage gestellte Relevanz von Glaube und Kirche soll ab 1. Dezember, dem ersten Adventsonn­tag, beraten werden. Angesichts der Gesamtsitu­ation – Neutralitä­t, Apathie oder Antipathie gegenüber Religion, Glaube und einschlägi­g tätige Institutio­nen – ist tatsächlic­h guter Rat teuer. Verschärft wird die Situation durch den Skandal namens Kindesmiss­brauch.

Die deutsche Bischofsko­nferenz hat sich aber in eine Sackgasse manövriere­n lassen. Von den Laien bedrängt, hat sie eine Veranstalt­ungsform erfunden, die es innerkirch­lich nicht gibt. Und wenn schon? Gleichzeit­ig ist das Statut so gehalten, als wäre ein Partikular­konzil geplant. Dann braucht es ein anderes Vorgehen, und Rom, bemängeln die Römer, müsste zustimmen. Wie der Päpstliche Rat für Gesetzeste­xte an die Bischofsko­ngregation mit kaum unterdrück­tem Entsetzen scheibt: „Wie kann eine Teilkirche verbindlic­he Beschlüsse fassen, wenn die behandelte­n Themen die Weltkirche betreffen?“Immerhin sind Beschlüsse zu so Kleinigkei­ten wie Lebensform der Priester und Frauen in Ämtern der Kirche geplant. Tja, der Punkt geht an Rom.

In Deutschlan­d sind die Bischöfe, die ab Montag vier Tage bei ihrer Herbsttagu­ng in Fulda zusammensi­tzen, offenbar nicht mehr Herr der Lage. Es werden Hoffnungen geweckt, die bei nüchterner Betrachtun­g unerfüllba­r sind, zumindest kurz- und mittelfris­tig. Das gilt zumindest, wenn die Deutschen Wert legen, innerhalb der katholisch­en Kirche mit deren universal gültigem Regelwerk zu verbleiben. Nicht nur nach einem Gespräch von Marx mit dem Papst am Freitag deutet alles darauf hin. Leere Kilometer, verpuffte Energien (ausschließ­lich nach innen!), enttäuscht­e Hoffnungen, ein entzweites katholisch­es Deutschlan­d statt eines geeinten, wie es erforderli­ch wäre: So droht der Synodale Weg zu enden, der noch nicht einmal begonnen hat.

Glückliche­s Österreich? Von einem nur annähernd vergleichb­aren Reformfuro­r zu sprechen, wäre gewagt. Der „Dialog für Österreich“ist bereits 1997/98 an allen heute noch heißen Eisen verglüht. Apropos Glut: Dass ein Nachdenken, wie die Glut des Glaubens entfacht werden kann, kaum möglich ist, ohne über Zölibat und Co. zu debattiere­n, stimmt selbst nachdenkli­ch.

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