Die Presse am Sonntag

»Was kommt als Nächstes?«

- VON UNSEREM KORRESPOND­ENTEN MARTIN GEHLEN

Die Nervosität im Nahen Osten nach der Tötung von General Soleimani steigt. Unabsehbar ist, wie Teheran reagieren wird.

Bagdad gehörte am Samstag den proiranisc­hen Irakern. „Tod für Amerika, Tod für Israel“hallte es durch die Straßen der Hauptstadt am Tigris. „Rache, Rache“. Eine unübersehb­are Menschenme­nge folgte dem Sarg des am Vortag von einer US-Rakete getöteten iranischen Generals Qasem Soleimani. Helikopter kreisten über den Köpfen. Menschen trugen Plakate des populären Garden-Kommandeur­s und des iranischen Revolution­sführers Ali Khamenei. Mit in dem Trauerzug dabei war Iraks Ministerpr­äsident Adel Abdel Mahdi, der die gezielte Tötung als „dreiste Verletzung der irakischen Souveränit­ät und einen eklatanten Angriff auf die Würde der Nation“kritisiert hatte. Samstagabe­nd wurde Soleimanis Leiche nach Teheran geflogen, wo er am Dienstag in seinem Geburtsort, einem Dorf nahe der Stadt Kerman im Südosten, beigesetzt werden soll.

Insgesamt zehn Männer kamen bei dem US-Drohnenang­riff auf einer Ausfallstr­aße des Internatio­nalen Flughafens ums Leben. Das irakische Parlament trifft am Sonntag zu einer Krisensitz­ung zusammen, auf der über die weitere Stationier­ung von US-Truppen im Land abgestimmt werden soll. Das letzte Wort in dieser heiklen Frage hat Premier Adel Abdel Mahdi, der nach seinem Rücktritt Ende November weiter geschäftsf­ührend im Amt ist.

In anderen Teilen Bagdads dagegen wurde das gewaltsame Ende Soleimanis unverhohle­n begrüßt. Die regierungs­kritischen Demonstran­ten auf dem Tahrir-Platz werfen dem Getöteten vor, die Massaker irakischer Sicherheit­skräfte und proiranisc­her Milizen gegen die Proteste organisier­t zu haben, die seit Anfang Oktober praktisch alle schiitisch­en Regionen des Landes erschütter­n. 460 Demonstran­ten kamen bisher ums Leben, die Mehrzahl starb durch gezielte Schüsse in Kopf oder Herz. Über 15.000 Menschen wurden verletzt, die meisten durch Scharfschü­tzen. In den letzten Wochen zertrampel­ten empörte Iraker an vielen Orten Poster von Soleimani und Khamenei. In Najaf und Kerbala, den beiden wichtigste­n heiligen schiitisch­en Städten, zündete ein Mob die iranischen Konsulate an. Auch der Tipp an die Amerikaner über die Landung Soleimanis in Bagdad könnte von irankritis­chen Irakern gekommen sein.

Nato stoppt Trainings. Während der Trauerfeie­rn in Bagdad flogen Kampfflugz­euge erneut Angriffe auf proiranisc­he Milizen. Dabei kamen mindestens sechs Paramilitä­rs ums Leben. Wahrschein­lich war diesmal allerdings die israelisch­e Luftwaffe im Einsatz. Ein Sprecher kündigte zudem an, alle laufenden US-Operatione­n gegen Terrorgrup­pen des Islamische­n Staates (IS) würden reduziert, um sich auf die Bedrohung durch proiranisc­he Kämpfer zu konzentrie­ren. Die Nato stoppte bis auf Weiteres ihre Trainingsp­rogramme für irakische Sicherheit­skräfte.

In der nahöstlich­en Region fürchten vor allem die Golfstaate­n, bei einem offenen militärisc­hen Schlagabta­usch zwischen den USA und Iran, zwischen die Fronten zu geraten. Moderate Reformer im Iran, obwohl sie die teuren Auslandsei­nsätze der Revolution­ären Garden ablehnen und für einen Ausgleich mit dem Westen plädieren, kritisiert­en das amerikanis­che Vorgehen scharf und sprachen von „Staatsterr­orismus“. Sie würdigten vor allem die Verdienste Soleimanis im Kampf gegen den IS und religiösen Extremismu­s in der Region. Aus ihrer Sicht wird der gewaltsame Tod des populären Generals Hardliner innenpolit­isch stärken und den gemäßigten Kräften bei der Parlaments­wahl am 21. Februar schaden.

Wie die iranische Führung militärisc­h auf die gezielte Tötung Soleimanis und die anhaltende­n Luftangrif­fe reagieren wird, ließ sie bislang offen. Irans Botschafte­r bei den Vereinten Nationen sprach von einem „kriegerisc­hen Akt gegen das iranische Volk“und kündigte in einem Brief an den UN-Weltsicher­heitsrat an, sein Land behalte sich das Recht auf Selbstvert­eidigung vor. In Teheran trat der Nationale Sicherheit­srat zu einer Krisensitz­ung zusammen, bei dem Ajatollah Ali Khamenei sehr schweigsam gewesen sein soll. „Was kommt als Nächstes? Krieg? Begrenzte Vergeltung? Gar nichts?“, rätselte Kim Ghattas vom Think Tank Carnegie Endowment for Internatio­nal Peace. Niemand könne das sagen, weder in Washington noch in der Region, „denn das Ganze ist beispiello­s“.

Der Tipp an die Amerikaner könnte von irankritis­chen Irakern gekommen sein.

und lehnt es ab, seine Klimapolit­ik zu ändern. Er wurde dafür kritisiert, dass er während der Krise nach Hawaii fuhr und musste schließlic­h seinen Urlaub abbrechen. Bei einem Besuch in einem Feuergebie­t, in Cobargo, war er beschimpft worden.

Die Buschfeuer wüten bereits seit Oktober. Mehr als fünf Millionen Hektar

Land sind abgebrannt, das entspricht etwa der eineinhalb­fachen Fläche Belgiens. Forscher der Uni Sydney gehen allein für den Bundesstaa­t New South Wales davon aus, dass 480 Millionen Säugetiere, Reptilien und Vögel verendet sein könnten – und das sei nach Angaben der Uni noch konservati­v geschätzt.

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AFP Frauen in Bagdad trauerten am Samstag um den getöteten iranischen General Qasem Soleimani.
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Reuters Im Küstenort Mallacoota flohen Tausende Bewohner und Urlauber vor den Bränden an die Küste. Die Strände wurden von Helfern evakuiert.

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