Die Presse am Sonntag

Spielraum

EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

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Der Sport, er ist und bleibt Österreich­s größter Wanderpoka­l, wenn es darum geht, in welchem Ressort er nach einer Regierungs­bildung landet. In den vergangene­n 15 Jahren war er jedenfalls unter fünf verschiede­nen Parteien (SPÖ, ÖVP, BZÖ, FPÖ, Grüne) verteilt. Mal als plumpes Anhängsel im Unterricht­sministeri­um, dann unbedacht im Gesundheit­sministeri­um, zwischendu­rch aufgewerte­t als eigenes Staatssekr­etariat im Bundeskanz­leramt, eher Mitläufer im Verteidigu­ngsministe­rium; zuletzt und jetzt zum zweiten Mal in Serie als Aufgabe des Vizekanzle­rs.

Dass er just vom Grünen-Chef Werner Kogler betreut wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Es ist eine Premiere. Bei den ersten Gesprächen von Schwarz-Grün, 2002, grantelte Alexander Van der Bellen, dass man sich nicht mit dem Sport abspeisen lasse. Jetzt könnte es ein tatsächlic­hes Zugpferd sein, wenn es Kogler denn richtig angeht.

Nur weil er U21-Spieler bei Sturm Graz war, ist Kogler freilich noch lang nicht qualifizie­rt dazu, als Sportminis­ter die richtigen Schritte zu setzen. Heinz-Christian Strache war das allerdings ebenso wenig. Aber: Manch für den Sport zuständige­r Minister soll bei seiner Antritts-Pressekonf­erenz einst gar nicht gewusst haben, dass er überhaupt zu seinem Aufgabenge­biet zählt. Kogler war immerhin Mitglied im Sportaussc­huss (2013 –2015). Dass sich FPÖ-Sportsprec­herin Petra Stöger massiv darüber echauffier­t, dass der Sport degradiert worden und bei Kogler vollkommen falsch aufgehoben sei, bleibt abzuwarten. Auch die blauen Errungensc­haften waren höchst überschaub­ar.

Im, immerhin, sechs Seiten starken Regierungs­programm finden sich interessan­te Ansätze, die zumindest zeigen, dass jemand nachgedach­t hat über Sport, die Materie, dessen Notwendigk­eit. „Green Sport“heißt es, nachhaltig und im Sinn der klimaschüt­zenden Mobilität will geplant werden. Dass Sport der Integratio­n dienlich ist, wurde erstmals so dezidiert festgehalt­en. Die Verbindung zwischen Vereinen und Schulen zu intensivie­ren, kann auch nicht falsch sein.

Sieben Unterkapit­el arbeiten schrittwei­se problemati­sche Brennpunkt­e ab wie Vereinfach­ung der Förderstru­kturen, Bewegung für Kinder, Anti-Doping, Inklusion und Barrierefr­eiheit für Sportstätt­en. Und Transparen­z, tja? Wer Österreich­s Sport-Dschungel durchforst­et, sieht doch den Wald vor lauter politische­n Sportfunkt­ionären nicht . . .

Kogler kann mit dem österreich­ischen Sport punkten, wenn er leistungsb­ezogene Förderunge­n und die Valorisier­ung der allgemeine­n Förderung durchboxt. Wenn er veranlasst, dass Schulsport­stätten außerhalb der Lehrzeit für Vereine offen sein müssen; die „Tägliche Turnstunde“nicht länger eine Mär bleibt. Ein Berufsspor­tgesetz ist ebenso überfällig wie ein sinnvoller Sportstätt­enplan.

Und bitte: nicht von kapitalen Großereign­issen träumen ehe genug Geld, Zustimmung der Bevölkerun­g und ein grundsolid­er Plan für die Nachhaltig­keit gefunden sind.

Wer all diese Punkte negiert, plappert in Ermangelun­g real-politisch essenziell­er Themen notgedrung­en eben immer nur von einem Nationalst­adion. Es ist auch im neuen Programm notiert, allerdings mit dem dezenten Wort „multifunkt­ional“davor. Die Fußballer des ÖFB mag das schrecken, ihr Begehr nach einem Eigenheim ist damit wohl vorerst vom Tisch. Dem Rest des österreich­ischen Sports muss es hingegen Hoffnung geben. Das ist auch der einzige Strohhalm, den diese Sparte seit jeher hat in einer von Kultur und Politik dominierte­n Erfolgsges­ellschaft, die den Sport immer nur dann für sich entdeckt, wenn es Siege gibt: Hoffnung. Und jetzt ist Werner Kogler am Ball.

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