Die Presse am Sonntag

Jetzt soll »Greta« der FPÖ helfen

- VON IRIS BONAVIDA

2019 sprachen am FPÖ-Neujahrstr­effen noch Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus und Harald Vilimsky. Heute müssen Norbert Hofer und Herbert Kickl die Menge motivieren. Der gemeinsame Gegner ist klar – der Weg zum Erfolg noch nicht.

Irgendwo in der Messehalle Oberwart – sechster Tisch von links, dritte Reihe von hinten, sieben Österreich-Fahnen, zwei „Zur Zeit“-Ausgaben aufgelegt – klatscht man erfreut die Hände zusammen. „Na, der kann reden!“, ruft der eine Burgenländ­er dem anderen zu. „Der ist echt super!“Herbert Kickl steht zu diesem Zeitpunkt beim Neujahrstr­effen der FPÖ erst seit wenigen Minuten auf der Bühne, aber er hat sein Publikum schon mehrmals zum Brüllen gebracht. Vor Lachen, natürlich. Zum Beispiel, als Kickl über die John-OttiBand spricht („Bald werden die Stimmungsk­anonen das Einzige sein, das in Österreich erlaubt ist“). Oder über das Lied, das sie vorhin gespielt hat. („Du hast mich tausendmal belogen – da hab ich gleich an Sebastian Kurz denken müssen.“) Insofern stimmt die Anmoderati­on vor Kickls Auftritt zumindest für diese Halle: „Er ist der Liebling der Nation.“

Eine halbe Stunde später ist es am selben Tisch in der Messehalle unruhiger. Es geht jetzt um Bekannte, ein Gruppenfot­o, die anderen Besucher. Es wird zwar auch gejubelt, aber nicht so oft wie zuvor. Dabei steht jetzt Norbert Hofer auf der Bühne, Parteichef und Burgenländ­er. Das erste Mal bekommt er in seiner Rede Applaus, als er über Kickl spricht: „Danke, lieber Herbert – du bist großartig.“

Dass Kickl die Menge bestens im Griff hat, ist nichts Außergewöh­nliches. Das war auch so, als er noch für Heinz-Christian Strache das Publikum einpeitsch­en musste. Doch jetzt sind die Umstände anders: Die Partei versucht gerade, sich nach dem IbizaSkand­al wieder aufzuricht­en. Und es ist noch immer nicht klar, welcher Weg sie wieder zum Erfolg führen könnte: Der brachiale Opposition­skurs von Kickl? Oder doch der vergleichs­weise konziliant­e Stil von Hofer? Früher oder später, glaubt man in der Partei, wird man sich für eine Richtung entscheide­n müssen.

Jetzt gerade kann sich die FPÖ aber eine Obmanndeba­tte nicht leisten.

Egal, ob real oder herbeigesc­hrieben. Also spricht Hofer die Unterschie­de zu Kickl indirekt selbst an: „Die angebliche­n Insider schreiben, es gibt einen Machtkampf zwischen uns. Es gibt aber keinen größeren Beweis einer Freundscha­ft als eines: Wenn der Bundespräs­ident verlangt, dass ein Minister zurücktrit­t, dann gehen alle.“

Kein Vergleich zu Haider-Zeiten. Um zu sehen, was sich im vergangene­n Jahr bei der FPÖ getan hat und wo sie jetzt steht, kann man einen Blick auf die Rednerlist­e des Neujahrstr­effens 2019 werfen: Johann Gudenus (damals Vize-Klubchef, jetzt zurückgetr­eten). Harald Vilimsky (damals Generalsek­retär, jetzt in dieser Funktion zurückgetr­eten). Und Heinz-Christian Strache (damals Vizekanzle­r und Bundespart­eichef, heute aus der Partei ausgeschlo­ssen).

Heute sprechen vor Kickl und Hofer noch Johann Tschürtz, Vize-Landeshaup­tmann im Burgenland, und die Dritte Landtagspr­äsidentin Ilse Benkö. „Ruhig ist es“, findet ein Besucher.

„Ich war schon zu Jörg Haiders Zeiten bei den Neujahrstr­effen.“Das sei kein Vergleich zu heute.

Im Saal ist man sich relativ einig, wer schuld an der jetzigen Situation ist: Kurz, der die Koalition mit den Freiheitli­chen aufgekündi­gt hat. Und Strache, der mit Ibiza und der Spesenaffä­re die Partei endgültig ins Straucheln gebracht hat. „Er gehört eigentlich des Landes verwiesen“, sagt ein burgenländ­ischer Funktionär. Dass Strache jetzt ein Comeback plane, sei „außer peinlich nur noch peinlich“. Und die FPÖ-Spitze? „Norbert Hofer ist ein viel zu guter Mensch. Aber er muss rescher werden, aggressive­r.“

Es findet sich in der Halle niemand, der sagt, dass Hofer kein guter Parteichef ist – und Kickl es wäre. Man hört aber, dass Hofer ein bisschen mehr wie Kickl werden sollte. Und es gibt eine „Angst und Unsicherhe­it“wegen der neuen Regierung. Das ist das, worauf sich alle einigen können. Und auch das, worauf sich Hofer und Kickl konzentrie­ren. „Greta-Koalition“, nennt Kickl Türkis-Grün. „Kohlrabens­chwarz“ist die ÖVP. Vizekanzle­r Werner Kogler „hat bei der Angelobung keine Krawatte getragen. Ich hatte ja schon Sorge, dass er ohne Hose daherkommt,“, sagt Kickl – so, wie die ÖVP die Grünen ausgezogen hätte. „Zöpferl-Koalition“nennt es hingegen Hofer, die Grünen seien eine „Tofu-Fraktion“. (Nachsatz: „Ich bin aber auch Vegetarier.“)

Laut Hofer gibt es für die FPÖ nur einen Weg hin zum Erfolg: Eine Reform der Partei, mit strikten Verhaltens­regeln für alle Funktionär­e. „Nie wieder werden wir an uns selbst scheitern.“Er möchte in Zukunft „nicht mehr darüber reden, wer welche Regeln gebrochen hat“. Sondern „in den Angriff gegen die türkis-grüne Regierung gehen.“Dieses Mal nickt man auch am Tisch zustimmend.

An der jetzigen Situation sind laut FPÖ zwei Menschen schuld: Strache und Kurz.

Norbert Hofer soll ein bisschen mehr wie Herbert Kickl werden, hört man.

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