Ein Leben für den Jazz: Komponist Wolfgang Dauner tot
Stuttgart. Mit dem psychedelischen „Take Off Your Clothes To Feel The Setting Sun“glückte ihm 1969 ein Hippie-Klassiker. Der Stuttgarter Wolfgang Dauner war ein Pianist der BillEvans/Paul-Bley-Schule, dabei keineswegs Purist. Er spielte Free Jazz genauso gerne wie Kindermusik, hatte weder Scheu vor Radio und TV noch vor Synthesizern. Mit Marika Rökk tourte er genauso wie mit dem österreichischen Saxofonisten Hans Koller. Unvergesslich ist sein Duokonzert mit Albert Mangelsdorff, das er 2000 zur Eröffnung des Porgy & Bess gegeben hat. Jetzt starb er im Alter von 84 Jahren. (sam)
chwierig ist es, wenn Unvorhergesehenes passiert. Wenn die U-Bahn etwa unerwartet kurz vor der Station stehen bleibt. Die anderen Passieren werden dann angestrengt auf die Lautsprecherdurchsage hören. Nur Alicia Eliskases wird das nicht tun und in die Gesichter anderer Menschen schauen. Dann wird sie überlegen, wen sie ansprechen kann. Sie wird dafür eine Frage in ihr Smartphone tippen und sie demjenigen zeigen. Ihre Sprache spricht vermutlich niemand. Gebärdensprache. Alicia Eliskases ist gehörlos.
Das war nicht immer so, aber an ein Leben mit lauten Tönen kann sich die gebürtige Tirolerin nicht mehr erinnern. Die 30-Jährige war eineinhalb Jahre alt, als ihr eine Gehirnhautentzündung die Hörfähigkeit nahm. Danach folgte eine Leidensgeschichte, die wohl viele Gehörlose kennen. Die Eltern in Tirol sind völlig überfordert mit den neuen Bedürfnissen ihres Kindes. Sie schicken sie zur Logopädin, damit das Kind vielleicht doch noch sprechen lernt. In der Schule muss sie Lippen lesen, Gebärdensprache war als Unterrichtssprache schlicht verboten. Bis 1986 stand das so übrigens auch im Gesetz.
Lippen lesen geht nicht immer. Das Kind lernt natürlich nichts, ist immer hinten und frustriert. So frustriert. Alicia will kommunizieren, kann es aber nicht. Nicht hinreichend. Irgendwie mit Händen und Füßen. Wie soll sie denn verstehen, was die Eltern wollen. Lippen lesen, wird sie Jahre später selbst immer wieder in der Ausstellung „Hands up“erklären, ist keine gut funktionierende Option. Zu viele Wörter werden gleich ausgesprochen , nur die Betonung änder sich: „Gepäck und Gebäck“etwa.
Ein Smartphone, das heute als Hilfsmittel dient, gibt es damals noch nicht. Das Internet ist über das knackende Modem noch nicht hinaus. Es ist so, als würden sie plötzlich zwei Sprachen sprechen: die Eltern und Alicia, die im mer frustrierter wird. Bis sie mit 15 Jahren in die Samuel-HeinickeRealschule in Deutschland wechselt, eine Realschule mit Förderbedarf Hören. Die Jahre sind entscheidend in ihrem Leben. Dort findet der Unterricht in Gebärdensprache statt. Die sie überhaupt erst einmal genau lernen muss. Endlich kann sie mitreden, kann sie selbst sein. Hat eine Community, Menschen, die ihr den Rücken stärken.
So ist aus dem frustrierten kleinen Mädchen eine selbstbewusste Frau mit wachem Blick und breitem Lächeln geworden, die gern verreist. Die mittlerweile selbst Gebärdensprache unterrichtet und in der Ausstellung „Hands up“den Österreichern einen kurzen Einblick in das Leben der rund 10.000 Gehörlosen und knapp einer halben Million Menschen, die schwerhörig, gehörlos oder spätertaubt sind, gibt. Die Führung zeigt gut, woran sie im Alltag scheitern, aber auch, was sie können.
Musik verbindet alle. Das wohl Erstaunlic hste: Sie sind auch in musischen, kreativen Bereichen erfolgreich vertreten. Ludwig van Beethoven, der noch taub komponierte, war als Komponist zwar ein Genie, aber keine Ausnahme. Die schottische Schlagzeugerin Evelyn Glennie wurde mit zwölf Jahren gehörlos. Trotzdem trommelte sich die heute 55-Jährige an die Weltspitze und veröffentliche unzählige Alben. Komponist und Dirigent Ralph Vaughan Williams (1872–1958) schädigte sein Gehör im Ersten Weltkrieg und übte trotzdem seinen Beruf aus. Die gehörlose Kassandra Wedel (geboren 1984) ist eine deutsche Tänzerin, Hip-Hop-Trainerin und Schauspielerin. Der Deutsche Benjamin Piwko (39 Jahre alt) ist ein gehörloser Tänzer, Schauspieler und Kampfsportler, der sogar bei der Tanzshow „Let’s Dance“mitmachte.
Bis 1986 war die Gebärdensprache im Unterricht verboten.
Überhaupt sind Musik und Gehörlosigkeit kein Widerspruch. Bei „Hands up“können das die Besucher gleich selbst ausprobieren. Denn auch wenn Gehörlose keine Musik hören können, die Vibrationen spüren sie allemal. Auf einer kleinen Bühne mit Screen hört