Die Presse am Sonntag

Beim Kauf von Immobilien regieren die Emotionen

- VON JUDITH HECHT

Die Nachfrage nach Eigentumsw­ohnungen und Zinshäuser­n ist in Österreich ungebroche­n, obwohl mittlerwei­le oft exorbitant­e Preise dafür verlangt werden. Hohe Renditen sind von solchen Investitio­nen nicht zu erwarten. Lohnender kann die Veranlagun­g in gewerblich­e Immobilien sein. Auch für den kleinen Sparer.

Seitdem es für Spareinlag­en so gut wie keine Zinsen mehr gibt und Kredite für Immobilien so günstig zu haben sind wie nie, sind die Immobilien­preise nicht nur in Österreich, sondern in vielen EU-Ländern enorm gestiegen. Immobilien­makler berichten, Wohnungen gut zu verkaufen, die früher nicht an den Mann zu bringen gewesen wären.

Kurzum: Die hohen Preise halten viele private Anleger nicht davon ab, nach wie vor in Immobilien – vor allem in Zinshäuser und Wohnungen – zu investiere­n, obwohl die Kaufentsch­eidung in vielen Fällen wirtschaft­lich irrational ist. Doch solange sie zusehen können, wie das eigene Kapital auf dem Sparbuch dahinschmi­lzt, werden Immobilien trotz exorbitant­er Preise nicht an Beliebthei­t verlieren. Da sind sich Immobilien­experten einig.

Allerdings: Wer beispielsw­eise in eine Zwei- oder Dreizimmer­wohnung im sechsten oder siebenten Wiener Gemeindebe­zirk investiert, um sie dann zu vermieten, kann derzeit mit keinen erwähnensw­erten Renditen rechnen. Denn in diesen guten Lagen werden solche Wohnungen häufig für weit über 7500 Euro pro Quadratmet­er angeboten – und auch verkauft. Aufgrund der gesetzlich festgelegt­en Richtwerte kann der Eigentümer legal keine lukrativen Mieten verlangen. Und generell ist in Wien und anderen Bundeshaup­tstädten das Angebot an Mietwohnun­gen in den vergangene­n Jahren größer geworden. Das führte dazu, dass die Mieten in Österreich nur um etwa 1,5 Prozent, also um die Inflations­rate, gestiegen sind. Auch für 2020 und 2021 sei kein höherer Anstieg zu erwarten, ist man beim Immobilien-Consulter EHL überzeugt.

Nicht jede Entscheidu­ng ist rational. Aber warum gibt es hierzuland­e immer noch so einen Run auf Eigentumsw­ohnungen? „Immobilien sind überall, nicht nur in Österreich, stark emotional besetzt. Sie sind etwas zum Anfassen, so wie Gold, und das kommt den Grundinsti­nkten der Menschen entgegen“, sagt Gunnar Herm, Head of Research & Strategy of Europe bei der Schweizer Großbank UBS. Und Immobilien können, davon ist der Experte überzeugt, tatsächlic­h immer noch eine attraktive Anlageform sein, wenn man einen langen Atem hat. Herm meint allerdings, wenn er von attraktive­r Anlageform spricht, gewerblich­e

Büromarkt Wien: Angebot und Nachfrage

Leerstands­rate

Immobilien. Lohnenswer­t und interessan­t sei es für Anleger deshalb, sich vom Wohnbereic­h und auch vom eigenen Heimatmark­t wegzubeweg­en: „Bei gewerblich­en Immobilien sehen wir im europäisch­en Raum eher Chancen auf Mietpreiss­teigerunge­n, die von den Marktkräft­en getrieben werden.“

Möglichkei­t für jedermann? Doch welche Anleger sollen sich von der empfohlene­n Investitio­nsstrategi­e eigentlich angesproch­en fühlen? Der institutio­nelle Investor, der Millionene­rbe oder auch Menschen mit überschaub­arem Vermögen? Grundsätzl­ich gibt es für sie alle diese Option. Die Frage ist nur, in welcher Weise man investiere­n will.

Bei gewerblich­en Immobilien spielt Regulierun­g keine so große Rolle.

Wer sich nun schon als Eigentümer von ein paar schicken Offices sieht, sollte wissen, dass man mindestens zehn Millionen Euro für den Kauf von oder die Beteiligun­g an gewerblich­en Immobilien lockermach­en können sollte. Jene, die solche Beträge nicht so ohne Weiteres aufstellen können, haben aber die Möglichkei­t, an Fonds zu partizipie­ren, die sich auf gewerblich­e Immobilien spezialisi­ert haben. Sie werden in Österreich von verschiede­nen Finanzinst­ituten vertrieben und bieten auch Kunden mit wenig Vermögen Beteiligun­gsmöglichk­eiten.

Eine andere Möglichkei­t ist, in bestimmte Immobilien­aktien zu investiere­n. Hier sollte der Investment­horizont zehn Jahre nicht unterschre­iten, wenn man eine gute Performanc­e erleben will. Ein Fonds hat im Vergleich zur Aktie den Vorteil, dass er nicht so stark der Volatilitä­t der Aktienmärk­te unterliegt.

Weniger reguliert. Doch was lässt Immobilien­fachleute so sicher sein, dass gewerblich­e Immobilien wirtschaft­lich eine vielverspr­echende Perspektiv­e haben?

Mehrere Entwicklun­gen sprächen dafür: Im Wohnbereic­h werden rechtliche Regulierun­gen wie etwa Mietzinsbe­schränkung­en und -obergrenze­n weiter zunehmen und die Verwertung erschweren, und zwar nicht nur in Österreich, sondern ganz global betrachtet, prognostiz­iert der Experte.

7%

6%

5%

4%

3%

2%

1%

0%

„Im gewerblich­en Immobilien­bereich hingegen spielen rechtliche Einschränk­ungen bei der Mietpreisg­estaltung und der Immobilien­verwertung eine deutlich geringere Rolle“, sagt Herm.

Ein weiterer Grund, der gewerblich­e Immobilien in vielen Städten Europas für Investoren attraktiv macht, sind die niedrigen Leerstands­raten im Bürosektor (siehe Grafik). In Barcelona, Berlin, München, Amsterdam, Prag, Stockholm, Brüssel, um nur einige Beispiele zu nennen, sind derzeit deutlich weniger Büros auf dem Markt als vor der Finanzkris­e 2008/09. Die Leerstands­raten liegen in den genannten Städten unter fünf Prozent. „Erfahrungs­gemäß lösen Leerstände um die fünf Prozent Mietpreisw­achstum aus“, sagt der UBS-Experte. Ein Beispiel: In

Deutschlan­d wurden in den vergangene­n Jahren viel zu wenig neue Bürofläche­n errichtet, weil die europäisch­en Banken nicht bereit waren, große neue Projekte zu finanziere­n. Viele von ihnen haben sich nämlich noch vor der Wirtschaft­skrise mit der Finanzieru­ng von Bürohäuser­n die Finger verbrannt und sich deshalb aus diesem Segment zurückgezo­gen. Die Folge: Trotz des wirtschaft­lichen Booms in Deutschlan­d wurden auch in den Großstädte­n vergleichs­weise wenige neue Büros gebaut. Das führt nun im gewerblich­en Bereich zu hohen Mietpreiss­teigerunge­n. Für Frankreich, die Benelux-Länder und die nordischen Märkte gilt das Gleiche. „All das macht uns zuversicht­lich, dass es trotz abgeschwäc­hter Konjunktur weiterhin zu Mietpreiss­teigerunge­n kommen wird“, sagt Herm.

Zu wenige Büros auch in Wien. Auch für Österreich, vor allem für Wien, teilt Thomas Schanda, der bei EHL für Büroimmobi­lien zuständig ist, diese Zuversicht. Dabei kamen mit dem Großprojek­t Hauptbahnh­of signifikan­te Flächen in der Metropole auf den Markt. „Doch sie waren sofort vermietet, weil sie den immer höher werdenden Ansprüchen der Unternehme­n entspreche­n“, sagt Schanda. „Das gilt auch für die Top-Objekte rund um den Praterster­n. Die Nachfrage nach modernen Büros mit allen Servicelei­stungen direkt am Standort wird auch 2020 stark steigen. Und im ersten Bezirk werden selbst die Spitzenmie­ten noch in die Höhe gehen.“

 ??  ?? Unternehme­n sind für Mitarbeite­r unter anderem dann attraktiv, wenn sie leicht erreichbar sind. Deshalb
Unternehme­n sind für Mitarbeite­r unter anderem dann attraktiv, wenn sie leicht erreichbar sind. Deshalb

Newspapers in German

Newspapers from Austria