Beim Kauf von Immobilien regieren die Emotionen
Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Zinshäusern ist in Österreich ungebrochen, obwohl mittlerweile oft exorbitante Preise dafür verlangt werden. Hohe Renditen sind von solchen Investitionen nicht zu erwarten. Lohnender kann die Veranlagung in gewerbliche Immobilien sein. Auch für den kleinen Sparer.
Seitdem es für Spareinlagen so gut wie keine Zinsen mehr gibt und Kredite für Immobilien so günstig zu haben sind wie nie, sind die Immobilienpreise nicht nur in Österreich, sondern in vielen EU-Ländern enorm gestiegen. Immobilienmakler berichten, Wohnungen gut zu verkaufen, die früher nicht an den Mann zu bringen gewesen wären.
Kurzum: Die hohen Preise halten viele private Anleger nicht davon ab, nach wie vor in Immobilien – vor allem in Zinshäuser und Wohnungen – zu investieren, obwohl die Kaufentscheidung in vielen Fällen wirtschaftlich irrational ist. Doch solange sie zusehen können, wie das eigene Kapital auf dem Sparbuch dahinschmilzt, werden Immobilien trotz exorbitanter Preise nicht an Beliebtheit verlieren. Da sind sich Immobilienexperten einig.
Allerdings: Wer beispielsweise in eine Zwei- oder Dreizimmerwohnung im sechsten oder siebenten Wiener Gemeindebezirk investiert, um sie dann zu vermieten, kann derzeit mit keinen erwähnenswerten Renditen rechnen. Denn in diesen guten Lagen werden solche Wohnungen häufig für weit über 7500 Euro pro Quadratmeter angeboten – und auch verkauft. Aufgrund der gesetzlich festgelegten Richtwerte kann der Eigentümer legal keine lukrativen Mieten verlangen. Und generell ist in Wien und anderen Bundeshauptstädten das Angebot an Mietwohnungen in den vergangenen Jahren größer geworden. Das führte dazu, dass die Mieten in Österreich nur um etwa 1,5 Prozent, also um die Inflationsrate, gestiegen sind. Auch für 2020 und 2021 sei kein höherer Anstieg zu erwarten, ist man beim Immobilien-Consulter EHL überzeugt.
Nicht jede Entscheidung ist rational. Aber warum gibt es hierzulande immer noch so einen Run auf Eigentumswohnungen? „Immobilien sind überall, nicht nur in Österreich, stark emotional besetzt. Sie sind etwas zum Anfassen, so wie Gold, und das kommt den Grundinstinkten der Menschen entgegen“, sagt Gunnar Herm, Head of Research & Strategy of Europe bei der Schweizer Großbank UBS. Und Immobilien können, davon ist der Experte überzeugt, tatsächlich immer noch eine attraktive Anlageform sein, wenn man einen langen Atem hat. Herm meint allerdings, wenn er von attraktiver Anlageform spricht, gewerbliche
Büromarkt Wien: Angebot und Nachfrage
Leerstandsrate
Immobilien. Lohnenswert und interessant sei es für Anleger deshalb, sich vom Wohnbereich und auch vom eigenen Heimatmarkt wegzubewegen: „Bei gewerblichen Immobilien sehen wir im europäischen Raum eher Chancen auf Mietpreissteigerungen, die von den Marktkräften getrieben werden.“
Möglichkeit für jedermann? Doch welche Anleger sollen sich von der empfohlenen Investitionsstrategie eigentlich angesprochen fühlen? Der institutionelle Investor, der Millionenerbe oder auch Menschen mit überschaubarem Vermögen? Grundsätzlich gibt es für sie alle diese Option. Die Frage ist nur, in welcher Weise man investieren will.
Bei gewerblichen Immobilien spielt Regulierung keine so große Rolle.
Wer sich nun schon als Eigentümer von ein paar schicken Offices sieht, sollte wissen, dass man mindestens zehn Millionen Euro für den Kauf von oder die Beteiligung an gewerblichen Immobilien lockermachen können sollte. Jene, die solche Beträge nicht so ohne Weiteres aufstellen können, haben aber die Möglichkeit, an Fonds zu partizipieren, die sich auf gewerbliche Immobilien spezialisiert haben. Sie werden in Österreich von verschiedenen Finanzinstituten vertrieben und bieten auch Kunden mit wenig Vermögen Beteiligungsmöglichkeiten.
Eine andere Möglichkeit ist, in bestimmte Immobilienaktien zu investieren. Hier sollte der Investmenthorizont zehn Jahre nicht unterschreiten, wenn man eine gute Performance erleben will. Ein Fonds hat im Vergleich zur Aktie den Vorteil, dass er nicht so stark der Volatilität der Aktienmärkte unterliegt.
Weniger reguliert. Doch was lässt Immobilienfachleute so sicher sein, dass gewerbliche Immobilien wirtschaftlich eine vielversprechende Perspektive haben?
Mehrere Entwicklungen sprächen dafür: Im Wohnbereich werden rechtliche Regulierungen wie etwa Mietzinsbeschränkungen und -obergrenzen weiter zunehmen und die Verwertung erschweren, und zwar nicht nur in Österreich, sondern ganz global betrachtet, prognostiziert der Experte.
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„Im gewerblichen Immobilienbereich hingegen spielen rechtliche Einschränkungen bei der Mietpreisgestaltung und der Immobilienverwertung eine deutlich geringere Rolle“, sagt Herm.
Ein weiterer Grund, der gewerbliche Immobilien in vielen Städten Europas für Investoren attraktiv macht, sind die niedrigen Leerstandsraten im Bürosektor (siehe Grafik). In Barcelona, Berlin, München, Amsterdam, Prag, Stockholm, Brüssel, um nur einige Beispiele zu nennen, sind derzeit deutlich weniger Büros auf dem Markt als vor der Finanzkrise 2008/09. Die Leerstandsraten liegen in den genannten Städten unter fünf Prozent. „Erfahrungsgemäß lösen Leerstände um die fünf Prozent Mietpreiswachstum aus“, sagt der UBS-Experte. Ein Beispiel: In
Deutschland wurden in den vergangenen Jahren viel zu wenig neue Büroflächen errichtet, weil die europäischen Banken nicht bereit waren, große neue Projekte zu finanzieren. Viele von ihnen haben sich nämlich noch vor der Wirtschaftskrise mit der Finanzierung von Bürohäusern die Finger verbrannt und sich deshalb aus diesem Segment zurückgezogen. Die Folge: Trotz des wirtschaftlichen Booms in Deutschland wurden auch in den Großstädten vergleichsweise wenige neue Büros gebaut. Das führt nun im gewerblichen Bereich zu hohen Mietpreissteigerungen. Für Frankreich, die Benelux-Länder und die nordischen Märkte gilt das Gleiche. „All das macht uns zuversichtlich, dass es trotz abgeschwächter Konjunktur weiterhin zu Mietpreissteigerungen kommen wird“, sagt Herm.
Zu wenige Büros auch in Wien. Auch für Österreich, vor allem für Wien, teilt Thomas Schanda, der bei EHL für Büroimmobilien zuständig ist, diese Zuversicht. Dabei kamen mit dem Großprojekt Hauptbahnhof signifikante Flächen in der Metropole auf den Markt. „Doch sie waren sofort vermietet, weil sie den immer höher werdenden Ansprüchen der Unternehmen entsprechen“, sagt Schanda. „Das gilt auch für die Top-Objekte rund um den Praterstern. Die Nachfrage nach modernen Büros mit allen Serviceleistungen direkt am Standort wird auch 2020 stark steigen. Und im ersten Bezirk werden selbst die Spitzenmieten noch in die Höhe gehen.“