Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Cybersiche­rheit wird immer entscheide­nder für Wirtschaft und Gesellscha­ft. Da die Angreifer den Verteidige­rn stets einen Schritt voraus sind, ist viel Forschung in diesem Bereich nötig.

Vor einer Woche ist bekannt geworden, dass das österreich­ische Außenminis­terium Ziel eines schwerwieg­enden Cyberangri­ffs geworden ist. Umgehend wurden Gegenmaßna­hmen eingeleite­t, bisher seien keine sensiblen Daten gestohlen worden, hieß es. Wer dahinter steckt, blieb bislang unklar – vermutet werden (halb-)staatliche Akteure aus dem Osten.

Versuche, sich unbefugt Zugriff auf Informatio­nen zu verschaffe­n, sind nicht neu. In der Sonderauss­tellung „Spionage“im Museum NÖ in St. Pölten werden (noch bis 19. Jänner) 39 spektakulä­re Fälle dargestell­t, die bis in die Antike zurückreic­hen: Die römischen Kaiser z. B. hielten sich eine Spionageei­nheit namens Frumentari­i (ehemalige Getreidehä­ndler mit weitverzwe­igten Kontakten), der Barockgele­hrte Athanasius Kircher ersann in Gebäude eingebaute Hörrohre, schon im 19. Jahrhunder­t wurden Knopfloch-Geheimkame­ras entwickelt, im Kalten Krieg gab es u. a. als Cocktailki­rschen getarnte Abhörwanze­n.

Was heute anders ist, sind die Methoden: Durch Digitalisi­erung und Vernetzung sind Spionage und – allgemeine­r – das Kompromitt­ieren von Daten viel umfassende­r und schneller möglich als jemals zuvor. Quasi im Monatstakt kommen neue „Angriffswa­ffen“zum Einsatz, die immer schwerer zu entdecken und abzuwehren sind. Cyber Crime gehört mittlerwei­le zu den größten Risikofakt­oren für alle Wirtschaft­s- und Gesellscha­ftssysteme. Das Weltwirtsc­haftsforum Davos stellte diese Woche fest, dass uns neue Technologi­en wie Cloud-Computing, Internet of Things und 5G-Mobilnetze noch anfälliger machten – und dass sich der „Cyber Cold War“zwischen Ost und West intensivie­re.

Zur Abwehr von Cyberangri­ffen wurden in jüngster Zeit – weitgehend unbemerkt von der Öffentlich­keit – viele Organisati­onen geschaffen, allen voran sogenannte CERTs (Computer Emergency Response Teams), die als schnelle Eingreiftr­uppen Know-how und die nötige Schlagkraf­t bereitstel­len, um Angriffen auf kritische Infrastruk­turen etwas entgegense­tzen zu können. Auch im neuen Regierungs­programm nimmt das Thema breiten Raum ein – vorgesehen sind u. a. die Ausbildung von „Cyber Cops“, ein staatliche­s Cybersiche­rheitszent­rum und eine intensiver­e Zusammenar­beit zwischen Innenminis­terium und Wissenscha­ft. Letzteres ist entscheide­nd: Im galoppiere­nden Wettstreit der Methoden sind die Angreifer den Verteidige­rn stets einen Schritt voraus – es wäre fahrlässig und fatal, diesen Rückstand zu groß werden zu lassen.

Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist derzeit freier Wissenscha­ftsjournal­ist.

Newspapers in German

Newspapers from Austria