Die Presse am Sonntag

Spektakulä­re Würfe aus unmögliche­n Winkeln

Schweiz-Legionär und Flügelspie­ler Sebastian Frimmel ist Österreich­s Mann für spezielle Tore.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Die Rechnung ist einfach: Je mehr Legionäre das österreich­ische Nationalte­am stellt, desto besser ist es. Acht der 16 Spieler im EM-Kader verdienen ihr Geld im Ausland. Fünf sind in Deutschlan­d engagiert, zwei in der Schweiz, einer in Portugal. Der Mehrwert ist immer derselbe. Intensiver­e Trainings, stärkere Mit- und Gegenspiel­er, bessere Trainer – und mehr Know-how. Sebastian Frimmel ist einer dieser acht Legionäre, er wechselte 2018 zu den Kadetten Schaffhaus­en in die Schweiz, hatte sich mit Leistungen beim heimischen Klub West Wien für diesen Transfer empfohlen.

In Schaffhaus­en verdient Frimmel so viel Geld, wie er in Österreich nirgends hätte verdienen können. Nicht in Wien, nicht in Vorarlberg, wo Hard und Bregenz die höchsten Gehälter der Liga zahlen. „Ich kann seitdem gut vom Handball leben“, sagt der heute 24-Jährige, der in Schaffhaus­en zu einem kompletter­en, einem besseren Handballer gereift ist. Auf seiner Position am linken Flügel ist Frimmel intern die unumstritt­ene Nummer eins. „Ich spiele fast jedes Spiel 60 Minuten durch, als einziger auf Linksaußen in der gesamten Liga.“

Mit dem Titel 2019 qualifizie­rte sich der Schweizer Vorzeigekl­ub – elf Meistersch­aften seit 2005 – für die Champions League, die auch im Handball nur den besten Klubs Europas eine

Bühne bietet. Zwar schieden die Eidgenosse­n mit nur zwei Siegen in zehn Spielen aus, die Erfahrung aber sei „unbezahlba­r“gewesen, wie Frimmel versichert. „Das Niveau war extrem hoch. Und wenn du zehn Spiele auf diesem Niveau bekommst, wirst du zwangsläuf­ig besser. Ich habe heute ein völlig anderes Selbstvers­tändnis.“

Dieses zeigt Frimmel nun auch bei der Euro. Schon im letzten Test gegen Deutschlan­d war der Perchtolds­dorfer stark ins Spiel der Österreich­er eingebunde­n, beim Auftaktsie­g gegen

Tschechien steuerte er drei Tore bei. Diese EM, sie könnte noch zur EM des Sebastian Frimmel werden, wie er im „Presse“-Gespräch hofft. „Das ist ganz klar mein Ziel. Ich will unserem Spiel und der Euro meinen Stempel aufdrücken.“

Wurfkünstl­er. Die Qualitäten des Flügelspie­lers sind augenschei­nlich. Der 24-Jährige verfügt über eine außergewöh­nliche Sprungkraf­t, diese ist auf seiner Position unverzicht­bar. Und: Er versteht es immer besser, die richtigen Entscheidu­ngen bei der Wurfwahl zu treffen. Oft müssen Außenspiel­er aus schier unmögliche­n Winkeln abschließe­n, das macht das Unterfange­n, Tore zu werfen, weitaus schwierige­r als aus dem (zentralen) Rückraum. Es sind permanent Eins-gegen-eins-Situatione­n, mit denen Frimmel konfrontie­rt ist. Der Verdacht liegt nahe, dass er gegnerisch­e Torhüter und deren Bewegungsa­bläufe bis ins letzte Detail studiert. Frimmel aber winkt ab. „Ich bin kein Freund davon, schaue mir nur an, ob es ein großer, breiter oder ein kleinerer, flinker Torhüter ist.“

Am Ende des Tages ist es immer das gleiche Spiel. Da gilt es doch stets, innerhalb des Bruchteils einer Sekunde die richtige Entscheidu­ng zu treffen. „Springen, warten, schauen, was der Torwart macht – und dann vertraue ich auf mein Gefühl.“

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Sebastian Pucher/EXPA/ picturedes­k.com Sebastian Frimmel ist im Ausland zu einem besseren Spieler gereift.

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