Waldi geht jetzt arbeiten
Das Verhältnis zu unseren Haustieren ist im Wandel begriffen. Im Büro, aber auch bei unseren Reisen ist nun mehr Platz für Hund und Katz. Eine tierische Bestandsaufnahme.
Hund Yoshka, ein braunes Zottelwesen, hat sich irgendwann im Büro seines Besitzers nützlich gemacht und sich zum Rezeptionisten ausbilden lassen. Also wartete er jeden Tag am Eingang auf Besucher und Postboten, und sobald jemand das Gebäude betrat, meldete Yoshka den Besuch an. Als seine Firma 1999 nach Mountain View zog, südlich von San Francisco, arbeitete Yoshka Vollzeit als MeetingTeilnehmer und Gang-Streuner, bis er dann in Altersteilzeit ging und im firmeneigenen Cafe´ als Portier anheuerte. Der Leonberger Yoshka war eine Art früher Pionier. Ein Unternehmenshund, ein Maskottchen sozusagen, von keiner geringeren Firma als Google.
Heute hat so ziemlich jedes Unternehmen in Silicon Valley und darüber hinaus, das etwas von sich hält, mindestens einen Hund im Haus. Sie tragen Namen wie Rufus (Amazon; der legendäre Welsh Corgi ist vor mehr als zehn Jahren von uns gegangen), oder sie zieren das Logo der Firma (Zynga). Hundefreundlichkeit zeichnet einen Konzern mittlerweile genauso aus wie die Gestaltung des Arbeitsplatzes, Flexibilität und technische Ausrüstung. Doch der Hund neben dem Schreibtisch ist mehr als ein Pluspunkt für eine Firma – er ist ein Symptom dafür, wie sehr sich in unseren Breitengraden die Beziehung des Menschen zu seinem Haustier verändert. Spitz gefragt: Ist das Haustier überhaupt noch zu Hause?
Nun, der Hund war nie ein Tier, der sich auf vier Wände einengen ließ. Für die Besitzer allerdings ist er eine Freizeitbeschäftigung, alles, was den Hund betrifft, passiert im Privaten. Doch in Zeiten, in denen die Arbeitswelt im Wandel begriffen ist, in denen die Grenzen zwischen dem Beruflichen und Privaten verschwimmen, beginnen die Tiere, einen anderen Stellenwert einzunehmen. „Wir hatten den Eindruck“, sagt Christoph Willmitzer, „dass es ein größeres Verständnis für eine gleichberechtigte Beziehung zwischen Mensch und Tier gibt.“Willmitzer hat die Ausstellung „Tierisch beste Freunde. Über Haustiere und ihre Menschen“im Deutschen HygieneMuseum in Dresden kuratiert. Er sagt, dass das Tier immer mehr zum Partner auf Augenhöhe wird, das geht hin bis zu radikalen Ansichten, wonach Tieren auch Bürgerrechte einzuräumen seien.
Ein tief greifender Wendepunkt bei der Beziehung Mensch-Tier war zunächst die industrielle Revolution, die Maschinisierung hat das Tier arbeitslos gemacht, wie Kerstin Weich vom Messerli Forschungsinstitut an der Vet-Med Uni Wien sagt. Ihre gesellschaftliche Funktion wurde reduziert, das Tier wurde entweder zum Schoß- oder zum Schlachttier. Ändert sich das nun mit dem zeitgenössischen epochalen Wandel? Denn Haustiere wie Hunde und Katzen bekommen zusätzliche „Arbeiten“, ihre emotionale Stütze ist weitgehend anerkannt, sie helfen Menschen mit Behinderungen, sie nehmen im Arbeitsumfeld Raum ein. Die Tierschutzbewegung geht zwar in das 19. Jahrhundert zurück, doch erhält sie mit dem Veganismus unserer Zeit eine neue Relevanz. Reden wir nicht schon seit Längerem über Legebatterie-Eier? Über die Sinnhaftigkeit von Jagden, vor allem bei Safaris? Über Pelzmäntel? Wen haben die Bilder von sterbenden Koalas und Kängurus bei den jüngsten Bränden in Australien kalt gelassen – Stichwort Klimawandel? Bei der historischen Tierschutzbewegung ging es im Kern lediglich darum, Quälerei zu verhindern. Auch das ändert sich, wenn wir von Tierrechten reden.
Die Abenteuer der Katze. Doch einen grundlegenden Paradigmenwechsel erkennt Weich nicht. „Die globale Realität ist: Täglich werden Millionen Tiere geschlachtet.“Ein Ausstieg aus der Nutztierhaltung liegt noch in weiter Ferne. Doch wenn der Populärphilosoph Richard David Precht im Fernsehen sagt, dass es in 20 Jahren keinen Schlachthof mehr geben wird – „und er wird dann nicht sofort des Raumes verwiesen, dann zeigt das, dass es natürlich Veränderungen gibt“, so Weich.
Was es noch gibt: das Internet. Über das Netz werden (Haus-)Tier-Geschichten millionenfach geteilt, man denke an die Katzenvideos, man denke an die Bürohunde, die bisweilen eigene Instagram-Seiten haben. Die Videos haben zur Vermenschlichung der Haustiere beigetragen, meint Christoph Willmitzer. Man kann es auch so sagen: Das Internet bezeugt das Ineinanderwachsen der Welten von Mensch und Hund/Katze. So berichten auf der Seite adventurecats.org Katzenhalter über ihre Abenteuer mit dem Tier – zu Hause oder auf Reisen.
Da gibt es die schwarze Katze Cash, die am liebsten mit ihren Menschen durch die Canyons von Arizona wandert. Der rote Kater Captain Ahab aus Florida ist ein professioneller Mit-Segler,
Tiger-Kater Jasper aus Idaho ein waschechter Abenteurer. Katzen an der Leine sieht man auch immer öfter in europäischen Großstädten, nicht nur in der instagramfreundlichen Halbwildnis. Zu den berühmtesten Katzen mit „Anstellung“(und natürlich Internetauftritt) gehört im Übrigen Larry the Cat, der Mäusefänger des britischen Premiers. Selbst wenn Larry laut dem Urteil der Regenbogenpresse einen ziemlich miesen Job macht: Er ist ein Sympathiefänger für die Downing Street.
Gilt die Katze eher als ein, sagen wir, eigensinniges Wesen, lebt der Hund mit dem Menschen viel mehr in einer Art Symbiose. Warum er nun auch im Büro auftaucht, führt Markus Beyer darauf zurück, dass in den Unternehmen viel mehr auf den Umgang miteinander geachtet werde; es gehe um das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Abgesehen davon, dass Hunde die Oxytocinproduktion (das sogenannte Kuschelhormon) anregen, können sie auch Burn-out vorbeugen, ist Beyer überzeugt. Er hat vor sechs Jahren den Bundesverband Bürohund in Berlin gegründet, seither berät er Firmen im Umgang mit Hunden. Die Anfragen werden nicht weniger, sondern mehr, sagt Beyer. In den vergangenen Jahren würden sich neben den privaten Firmen vermehrt auch öffentliche Stellen an den Bundesverband wenden.
Der Hund im Büro kann also für entspannte Atmosphäre sorgen, für kurze Pausen, für Gesprächsstoff. Das mag unkompliziert klingen, ist es aber nicht. Was ist, wenn Mitarbeiter Allergien haben? Oder Angst? Es gibt eben Grenzen. Der größte Fehler, den Unternehmen machen, so Beyer, ist, „dass keine allgemeingültigen Regeln er
Die Videos im Netz tragen dazu bei, dass Haustiere vermenschlicht werden.