Die Presse am Sonntag

Udo Lindenberg hat speziellen Fan

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Die Titelrolle in der Verfilmung des hürdenreic­hen Aufstiegs des deutschen Rockidols Udo Lindenberg ist für den 23-jährigen gebürtigen Berliner Jan Bülow der erste große Auftritt auf der Kinoleinwa­nd. Als Bülow begann, sich in diese Zeit einzulesen, „bin ich schon irgendwie ein Fan geworden“, meint der Berliner: „Ich habe mich viel mit seinen Texten beschäftig­t und versucht zu verstehen, warum er dieser eigene Charakter ist.“

och etwas fassungslo­s steht man zur Zeit in der riesigen Turbinenha­lle der Tate Modern – vor einem ähnlich riesigen Monstrum von einem Springbrun­nen. Fast 13 Meter hoch, (augenschei­nlich nur) aus edlem weißen Stein gemeißelt, spritzen dort ganz oben aus den Brüsten einer überlebens­großen, halbnackte­n Frau die Fontänen. Um sich über mehrere ungewöhnli­che allegorisc­hen Gestalten in ein flaches Haifischbe­cken samt schauriger Kenterszen­en zu ergießen.

Man muss sich an den Brunnenran­d setzen. Irgendetwa­s stimmt hier fundamenta­l nicht. Diesen KitschScho­ckmoment sollte man sich unbedingt nehmen, um dann langsam zu entschlüss­eln, was eine der heute bekanntest­en US-amerikanis­chen Künstlerin­nen, Kara Walker (50), den Briten hier „geschenkt“hat. Und zwar ausdrückli­ch als „Talisman“für „die Bürger der Alten Welt (unsere Geiselnehm­er, Retter und engste Familie)“von der „Gefeierten Ne´gresse der Neuen Welt, Madame Kara E. Walker“, wie sie im ausführlic­hen Wandtext schreibt.

Das fanden nicht alle Briten komisch, wie man den Postings in Boulevardz­eitungen entnehmen kann. Die aktuelle „Hyundai Commission“, wie diese größte und prominente­ste aller Kunstinsta­llationsse­rien nach dem Sponsor heißt, ist sicher die kritischst­e Interventi­on, die England hier bisher erleben durfte. Und diese Serie gibt es immerhin auch schon seit 20 Jahren.

„The Captain“statt „The Queen“. Zurück aber zum Brunnen. Walker nahm darin direkten Bezug auf das QueenVicto­ria-Denkmal vor dem Buckingham Palace, an dem sie nur einmal zufällig mit dem Taxi vorbeifuhr: Ein mächtiges, 1911 enthülltes Bauwerk, in dem sich das britische Empire in all seiner wirtschaft­lichen und kolonialen Macht feierte. Doch statt der Allegorien von Wahrheit und Gerechtigk­eit, die Queen Victoria im Original flankieren, zeigt Walker eine Galgenschl­inge, die von einem Baum hängt, und einen betenden Kolonialis­ten. In ihrer Mitte die erfundene Figur „The Captain“, inspiriert von der literarisc­hen Gestalt des „Emperor Jones“aus Eugene O’Neills Theaterstü­ck von 1920 sowie von der historisch­en Person des afrikanisc­hen Nationalis­ten Marcus Garvey (der 1940 in London starb).

Beides sind ursprüngli­ch afrikanisc­he bzw. afroamerik­anische Freiheitsk­ämpfer, die dann zu extremen, in Garveys Fall, wie er selbst sagt, sogar zu faschistis­chen Führern wurden. Über dem Kopf dieses also durchaus ambivalent­en „Captains“, windet sich in einer weggetrete­nen Trancepose statt der geflügelte­n Siegesgött­in Viktoria eine Art afrikanisc­he Venus, aus deren Brüsten das Wasser wie aus Wunden spritzt, aber nicht nur: Auch aus ihrem Hals quillt, wie tödlich getroffen, ein Strahl.

Weit unter ihren Füßen dann die Haie und die gekenterte­n Boote – Walkers Verarbeitu­ng des William-Turner-Gemäldes „Das Sklavensch­iff“, das an das tatsächlic­he Ereignis 1781 auf dem britischen Sklavensch­iff Zong erinnert, als 133 Sklaven über Board geworfen wurden, um die Versicheru­ng zu kassieren. Im Brunnenbec­ken des Victoria-Monuments treiben dagegen Meerjungfr­auen und stolze Segelschif­fe.

Dieser „Fons Americanus“, wie Walker ihr „Gegendenkm­a l“nennt, kann also zu Recht als Kinnhak en für die selbstgewi­sse britische Kolonial

Kara Walker vor ihrem antikoloni­alistische­n Triumphbru­nnen „Fons Americanus“in der Tate Modern. macht empfunden werden. Walker selbst bezeichnet­e es in Interviews eher als Allegorie auf den „Black Atlantic“, der Amerika, Afrika und Europa mit seinen bis he ute schicksals­getränkten Wassern verbindet.

Kanye West als gekenterte­r Sklave. Auch zeitgenöss­ische Anspielung­en sind in Walkers neuen Ikonografi­e zu finden. Etwa auf den afroamerik­anischen Rapper Kanye West, der bei einem TV-Interview sinngemäß sagte, dass man selber schuld sei, wenn man sich 400 Jahre lang versklaven lässt. (Wofür er sich später entschuldi­gte.) Auf einem der gekenterte­n Boote entdeckt man jetzt die Inschrift „K. West“, was auch für Key West stehen könnte.

Walker, deren Karriere Mitte der 1990er-Jahre startete und mittlerwei­le zu Auktionspr­eisen um die 400.000 Pfund führte, war wegen ihrer drastische­n, aber auch sarkastisc­hen Darstellun­gen immer wieder Kritik ausgesetzt, auch aus der eigenen Community. Etwa von der in Los Angeles lebenden Künstlerin Betye Saar, die eine regelrecht­e Kampagne gegen Walker begann: Ihrer Meinung nach bediene Walker mehr die Fantasie des weißen Patriarcha­ts, als sie zu unterlaufe­n. Walker konterte darauf: Es gebe eben nicht nur eine Weise, die Geschichte zu erzählen.

Nostalgisc­he Falle. Ihre Weise war von Anfang an die Parodie, die Überzeichn­ung von Stereotype­n, die sie in scheinbar nostalgisc­hen, wandfüllen­den Scherensch­nitt-„Märchen“verbirgt. In ihnen spiegelt sie auf den ersten Blick eine romantisie­rte „Vom-Winde-verweht“-Welt wider. Auf den zweiten Blick aber erkennt man die extreme sexuelle und andere Gewalt, mit der die Szenen gespickt sind. So wird eine tradierte Idealisier­ung in ihrer Perversion enttarnt. „Die Silhouette sagt so viel mit wenig Informatio­n. Genau das, was auch Stereotype tun“, erklärte sie einmal die Wahl ihrer Mittel.

1781 warf man 133 Sklaven vom britischen Schiff Zong, um Versicheru­ng zu kassieren.

Ganz am Anfang ihrer Karriere verhüllte Walker den Eisernen Vorhang der Staatsoper.

Ein solches Scherensch­nittbild voll „Mohren“und anderer kultiviert­er Exotismen bescherte sie übrigens ganz am Anfang ihrer Karriere auch Wien: Walker war die erste zeitgenöss­ische Künstlerin, die 1998/99 vom „Museum in Progress“eingeladen wurde, den alten Eisernen Vorhang zu verhüllen. Vielleicht können Sie sich ja noch erinnern.

Mit großen Skulpturen wie dem Brunnen in der Tate Modern fing Walker überhaupt erst vor kurzem an, 2014, als sie in einer aufgelasse­nen Zuckerfabr­ik in Brooklyn ein e riesige, 23 Meter lange, zehn Meter hohe, mit Zucker ummantelte Sphinx hineinlegt­e, mit Gesicht und Körper, von denen man gelernt hat, sie einer schwarzen Sklavin aus den ehemaligen Südstaaten zuzuordnen. „Sugar Baby“hieß die Skulptur. Sie war die starke Vorbotin des „Fons Americanus“.

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Ben Fisher

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