Die Presse am Sonntag

Die Akteure im Impeachmen­t-Drama

- VON THOMAS VIEREGGE

Im Senat beginnt am Dienstag der zweite Akt im Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump. Die Mehrheit der Republikan­er ist solide, aber einige Senatoren könnten umfallen. Die Demokraten schielen auf die Vorwahl in Iowa.

Alles ist bereit für den zweiten Akt im Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump. Mit Pomp – allerdings mit Verzögerun­g von mehreren Wochen – überreicht­en Nancy Pelosi und die demokratis­chen Anklagever­treter im Repräsenta­ntenhaus die Akte gegen den Präsidente­n mit goldenem Siegel an den Senat. Verfassung­sgemäß berief die zweite Parlaments­kammer, ein exklusiver Klub, John Roberts, den Chefrichte­r des Obersten Gerichtsho­fs, in die eher zeremoniel­le Rolle des Prozess-Vorsitzend­en. Auch die Vereidigun­g der 100 Senatoren – jeder wurde einzeln aufgerufen – war reine Formsache.

Ab Dienstag nimmt das Impeachmen­t-Drama seinen Lauf. Eine Amtsentheb­ung Trumps gilt aufgrund der Mehrheitsv­erhältniss­e im Senat und der Notwendigk­eit einer Zweidritte­lmehrheit als äußerst unwahrsche­inlich. Doch eine Vorladung von neuen Zeugen, womöglich neue Enthüllung­en über die Machenscha­ften der TrumpRegie­rung in der Ukraine und unvorherse­hbare Ereignisse könnten den Präsidente­n weiter in Bedrängnis bringen. Am liebsten würde er selbst in den Zeugenstan­d treten, doch seine Rechtsexpe­rten raten dringend davon ab. Es könnte ihn in noch größere Kalamitäte­n stürzen. Stattdesse­n holte er ebenso prominente wie umstritten­e Verstärkun­g für sein Verteidige­rteam: Ken Starr, Sonderermi­ttler gegen Bill Clinton in der Lewinsky-Affäre 1998, und den emeritiert­en Harvard-Professor Alan Dershowitz. Unter Trumps eifrigsten Advokaten: Senator und Ex-Marinerich­ter Lindsey Graham.

Dass Trump zum Stand der Dinge twittert und in seiner Rede zur Lage der Nation Stellung dazu nimmt, ist indes unausweich­lich. An die Republikan­er gab er die Parole aus: „KÄMPFT!“

Der oberste Richter des Landes wird gemeinhin den Konservati­ven zugerechne­t. George W. Bush hat den bald 65-jährigen Absolvente­n der renommiert­en Harvard Law School und Karriereju­risten 2005 für den Supreme Court nominiert, und als Chefrichte­r hat er auf den Stufen des Kongresses Barack Obama und Donald Trump auf das Präsidente­namt eingeschwo­ren.

Roberts ist um Neutralitä­t bemüht. Bei der Klage gegen Obamas Gesundheit­sreform stimmte er zugunsten des Präsidente­n, was ihm den Unmut der Republikan­er einbrachte. Seit Trump zwei ultrakonse­rvative Richter ins ehrenwerte Gremium berufen hat, nimmt Roberts noch stärker die Rolle des Schiedsric­hters und des Züngleins an der Waage ein – was ihn für Trump verdächtig macht. „Schande“und „absolutes Desaster“: So tobte er über ihn.

Der demnächst 78-jährige Senator aus Kentucky, verheirate­t mit Verkehrsmi­nisterin Elaine Chao, ist der Inbegriff des Washington­er Insiders und graue

Eminenz des Senats. Als republikan­ischer Mehrheitsf­ührer spielt der Meister der Verfahrens­tricks eine – wenn nicht die – entscheide­nde Rolle im Impeachmen­t-Prozess, weil er die Spielregel­n wesentlich mitbestimm­t. Er sieht sich nicht als unparteiis­chen Juror.

Der Präsident hat sich des Öfteren über die bedächtige Art des Senators mit dem charakteri­stischen Südstaaten­akzent mokiert – etwa wenn die Unterstütz­ung für sein Lieblingsp­rojekt, den Mauerbau an der mexikanisc­hen Grenze, zu zaghaft ausfällt. Umgekehrt übte McConnell – freilich vorsichtig – Kritik an Trumps impulsiver Außenpolit­ik. In Stil und Charakter verkörpert McConnell als Vertreter des klassischr­epublikani­schen Establishm­ents das Gegenteil von Donald Trump, und insgeheim ist ihm der New Yorker Immobilien-Tycoon wohl auch nicht geheuer.

Als Opposition­sführer brachte McConnell Barack Obama von Anfang an beinharten Widerstand entgegen. Er blockierte Gesetze – und am Ende auch ein Jahr lang die Nominierun­g eines Obama-Kandidaten für den Obersten Gerichtsho­f. Trump weiß, was er an McConnell hat. Im Impeachmen­t-Verfahren vertraut er dem Fädenziehe­r, der volle Kooperatio­n mit dem Weißen Haus angekündig­t hat und den Prozess möglichst rasch über die Bühne bringen will – ohne neue Zeugen wie Ex-Sicherheit­sberater John Bolton, die den Präsidente­n massiv belasten könnten.

Der demokratis­che Vorsitzend­e des Geheimdien­stausschus­ses des Repräsenta­ntenhauses ist im Zuge der Anhörungen im Kongress zu einem Lieblingsf­eind des Präsidente­n avanciert – und zugleich ins nationale Rampenlich­t gerückt. Der versierte Jurist und Ex-Staatsanwa­lt aus Kalifornie­n betrachtet es womöglich als Auszeichnu­ng, dass Trump ihn via Twitter – wie alle seine

Gegenspiel­er – verhöhnt. „Shifty Schiff“lautet seine Chiffre für den ehemaligen Hobby-Drehbuchau­tor, einen erklärten Fan des Kultfilms „The Big Lebowski“. Einer der Sprüche aus dem Film – „I don’t roll on Shabbos“(Ich fahre nicht am Sabbat) – prangt auf der Rückseite seines Autos. Dass Trump ihn neulich als „korrupten Politiker“schmähte, dürfte Adam Schiff – und seiner Frau Eve – allerdings weniger behagen.

Der 59-jährige Schiff, ein Exponent der „Blue Dogs“– des konservati­ven Flügels der Demokraten – hat seine Sache als Ankläger so gut gemacht, dass ihn Nancy Pelosi auch zum Chefankläg­er im Senat ernannt hat. Trump und die Republikan­er werden sich auf harte Attacken einstellen müssen – und Schiff muss sich auf weitere Untergriff­e des Präsidente­n gefasst machen.

Als Präsidents­chaftskand­idat der Republikan­er 2012 gegen Barack Obama hatte Multimilli­onär Mitt Romney, dem in seinem Leben vorher als Finanzinve­stor, Manager der Olympische­n Winterspie­le 2002 in Salt Lake City und Gouverneur von Massachuse­tts fast alles zuzufliege­n schien, wenig Fortüne. Romney suchte damals auch die finanziell­e Unterstütz­ung Donald Trumps, der hinterher indessen seinen Spott trieb über den „Versager“.

Das Zerwürfnis zwischen dem gläubigen Mormonen und dem früheren Playboy und Selbstdars­teller aus New York war nicht mehr zu kitten. Im Wahlkampf 2016 sprach Romney dem Kandidaten der Grand Old Party im Zuge der „Pussy-Affäre“jegliche moralische Autorität und die Kompetenz für die Präsidents­chaft ab. Nach der Wahl Trumps hofierte ihn Romney als Anwärter für das Außenminis­terium, doch die Ambitionen zerschluge­n sich rasch.

2018 gelang Romney das politische Comeback: Er errang den Senatssitz im Mormonenst­aat Utah, und er hielt mit seiner Kritik am Präsidente­n und ungeliebte­n Parteifreu­nd nicht zurück. Unter einem Tarnnamen macht sich der 72-Jährige auf Twitter über Trump lustig, der indes keinen Spaß versteht – schon gar nicht einen auf seine Kosten.

Bei den Republikan­ern gilt Romney als potenziell­er „Umfaller“. Zumindest plädiert er – entgegen der Parteilini­e – für die Anhörung weiterer Zeugen. Dafür treten auch Lisa Murkowski, Susan Collins und Lamar Alexander ein, allesamt lang gediente Senatoren und Anhänger des moderaten Flügels. Sie könnten den Demokraten zu einem symbolisch­en Sieg und einer einfachen Mehrheit verhelfen. Im Gegenzug könnten die Republikan­er freilich Hunter Biden, den Sohn des demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten Joe Biden, in den Zeugenstan­d rufen.

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AFP (4), Reuters (2) Im Senat auf dem Kapitol in Washington entscheide­t sich in den nächsten Wochen das Schicksal Donald Trumps. Für manche Aktivistin ist er bereits vor Beginn des Impeachmen­ts verurteilt.
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