Retter der Welt auf der Alten Donau
Martin Mai baut Boote aus alten Plastikflaschen und vermietet diese auf der Alten Donau. Jetzt hat er eine Erdkugel entwickelt, damit man auch im Winter fahren kann. Die Botschaft dahinter: »Wir müssen auf die Welt aufpassen.«
Treten Sie ein, treten Sie ein in meine Welt.“Martin Mai öffnet einladend die durchsichtige Tür der Weltkugel, in der er sitzt, und bittet die Fahrgäste hinein. Acht Personen haben auf den schmalen, aber gut gepolsterten Bänken Platz. Auf der einen Seite steht ein kleiner Backofen, unten ein Elektroofen, der die kleine Weltkugel wärmt. Die Kugel ist durchsichtig, dort, wo das Wasser, also die Weltmeere, sein sollen. Die Kontinente, die alle maßstabgetreu die Kugel zieren und von Mai selbst ausgeschnitten wurden, sind in Gelb. Das Gelb hat eine Bedeutung, so wie alles auf dem Inselboot eine Bedeutung hat. Das Gelb soll zeigen, dass die Welt in Gefahr ist. Und Martin Mai will sicherstellen, dass das auch nicht übersehen wird.
Es ist ein schöner Wintertag, an dem er zur Inselboot-Bootsfahrt auf die Alte Donau einlädt. Das Wasser glitzert im Sonnenlicht. Die Bäume sind zwar kahl, aber das ändert nichts daran, wie schön die Alte Donau auch im Winter ist. Und vor allem: Es ist nichts los. Während anderen Bootsbetriebe geschlossen haben, hat Mai mit seinem Betrieb nun erstmals im Winter offen. Dafür kann man das Weltkugelboot für 65 Euro die Stunde mieten.
Partys und Plastik. Kenner der Alten Donau werden die Inselboote schon seit fünf Jahren kennen. Seit damals fahren sie als Art elektrische Flöße (im Sommer sind sie ohne Weltkugel) mit riesigen Korbsesseln und Palmen über die Alte Donau. Manchmal sind es auch mehrere Boote auf einmal, denn diese können gekoppelt werden. Darauf auch immer wieder zu sehen: Tische, an denen Menschen essen, oder betrunkene Jungesell(inn)en, die hier Party machen.
Was man von außen wohl nicht sieht: Wie die Boote gebaut wurden und wofür sie eigentlich stehen. Alle zehn Boote, die es derzeit gibt (ab kommenden Sommer sollen es 14 sein), sind aus recycelten Plastikflaschen hergestellt. Die Flaschen werden von einer Firma in Belgien gehäckselt, geschäumt und dann zu einem Strukturschaum verarbeitet – und statt Glasfaser kommen Hanffasern hinein. Auch das Epoxidharz sei zu 56 Prozent aus Gemüseöl. Aus diesem Material baut Mai seine Inseln und will mit ihnen ein Zeichen setzen: „Wir dürfen die Weltmeere nicht weiter verschmutzen.“Klimaschutz, Umweltverschmutzung sind seine große Leidenschaft, es ist kaum zu überhören.
Dabei war das nicht immer so. Der 61-jährige Mai ist ausgebildeter Schiffsarchitekt, der mit seiner Firma Aquacon Katamarane und mittlerweile auch Hausboote in die ganze Welt verkauft. Seine Spezialität sind Hochseekatamarane. Seine Werft ist in Traismauer in Österreich, aber er habe auch eine in Thailand und eine in Dubai. Martin Mais Boote sind auf der ganzen Welt daheim. „Mein Jugendtraum war immer, die schönsten und größten Boote zu bauen, und weil es die nicht gegeben hat, hab ich sie halt selbst gebaut“, erzählt der Inzersdorfer.
Doch das war früher. Denn mittlerweile hat er von größer, schöner und schneller genug. „Jetzt will ich keine Rennboote und Machoboote mehr bauen, sondern die Welt retten. Und daher baue ich jetzt Solarkatamarane und Energieernteboote“, sagt Mai. Das Wort „Entschleunigung“kommt jetzt oft in seinen Sätzen vor. Und eben Umweltschutz. Ausschlaggebend für sein Umdenken war, als er gesehen habe, wie Großkonzerne mit der Welt umgehen. „Und wie dieser kannibalistische Kapitalismus alles zerstört.“Er ist ein großer Fan von Umweltschutz-Aktivistin Greta Thunberg (die er auch gerne auf seine Boote einladen möchte) – vor allem aber will er zeigen, was mit modernen Technologien schon jetzt alles möglich ist.
Neue umweltfreundliche Boote. Begeistert erzählt er von seinen Projekten, an denen er gerade arbeitet. So bastelt Mai am weltweit ersten mit Wasserstoff betriebenen Boot, er hat die Solarkatamarane entwickelt, außerdem entwirft er solarbetriebene Hausboote. Alles freilich ganz oder so weit wie möglich aus recyceltem Material. Seine Hausboote würden etwa auf den gleichen aus Plastikflaschen hergestellten Floßbooten stehen wie sein Weltkugel/Inselboote. Freilich nur größer.
Das Wort „Erfinder“fällt einem unweigerlich ein, wenn man Martin Mai von seinen Projekten reden hört. Der weißhaarige Mann hat zwei große Booklets mit Ideen und bereits umgesetzten Projekten mit. Die Worte sprudeln nur so heraus, als er von ihnen erzählt. Dabei hat vieles, was er entwickelt – ganz der Unternehmer – eine
Die Boote, auf denen die Weltkugel steht, sind alle aus recycelten PET-Flaschen und Hanffasern gefertigt. doppelte Bedeutung. So könne man mit den Weltkugel-Booten die „Welt auf der Alten Donau erkunden“, sagt er. Er wolle mit ihnen auch zeigen, dass man „auf die Welt aufpassen muss“. Er legt für Besucher manchmal Eiswürfel auf die Weltkugel, damit man sieht, wie die Polkappen schmelzen. Bald soll der Bootssteg mithilfe einer Fotovoltaikanlage die elektrischen Motoren der Inselboote aufladen. Er hat ein Wassertaxi und ein Wasserrad entwickelt, als nächstes schwebt ihm ein fahrendes Vogelnest (gebaut auf ein Inselboot) vor sowie eine schwimmende Cocktailbar.
Ein Konzert auf dem Wasser. Die Boote sind barrierefrei und können x-beliebig zusammengestellt und um den Steg angeordnet werden. So entsteht eine schwimmende Plattform. Im Sommer organisiert er Konzerte auf den Booten. Die Konzerte finden unter der Brücke statt, damit die Akustik besser ist. „Da gibt es immer Tränen der Rührung“, erzählt er. Besonders wenn Celine Dions „My heart will go on“auf der Querflöte ertönt. Heuer möchte er die Zauberflöte mit dem Wiener Marionettentheater Schloss Schönbrunn aufführen. Einmal fand auf den Booten schon ein Volkstanz-Festival statt, einmal eine Hochzeit. Regelmäßig gibt es darauf Picknicke oder Nachtfahren. Letzteres gefalle ihm besonders gut. Der Bootsverleih hat von zehn Uhr bis 23 Uhr offen.
Jetzt, im Winter, stülpt er die Kugeln über die Inselboote (insgesamt soll es drei Kugelboote geben). Wer will, kann auf dem Boot mithilfe des kleinen Backofens Kekse backen – dafür bedient er sich der Idee eines Fertigteig-Start-ups. Wer Hunger hat: Die Anlegestelle gehört zum Gasthaus Zum Schinak, von dem er die Fläche gepachtet hat und mit denen er eine Kooperation hat. Wer will, kann im Restaurant Essen bestellen und auf die Boote mitnehmen.
Im Inneren des Weltkugelboots ist es durch Heizung und Sonne an jenem Tag fast schon heiß. „Erderwärmung, die Welt heizt sich auf“, sagt Mai sofort und grinst. Doch wie fährt es sich nun mit dem Boot? Überraschend einfach. Ein kleiner Joystick ist Gas, Bremse und Lenkrad in einem und reagiert wirklich auf die kleinste Bewegung. Das Kugelboot tuckert dann mit maximal sieben km/h los. Schön gleitet es übers Wasser, unter der Brücke durch, die nur an der höchsten Stelle passiert werden darf. Vorbei geht es an den kleinen Häusern direkt am Ufer, einmal ums Strandbad Gänsehäufel herum. Eine kleine Karte im Boot zeigt, wo man überall anlegen kann. Beim Bootshaus des Cafe´ Landtmann etwa und dort einen Kaffee bestellen. Das tun wir an diesem Tag nicht, sondern lassen das Boot lieber am Stand kreisen. Auch das ist möglich.
Neben den Inselbooten baut Martin Mai Solarkatamarane und Hausboote.
Schön ist die Alte Donau auch im Winter, vor allem gibt es keinen Gegenverkehr.
Wir drehen uns eine Zeit lang in die eine, dann in die andere Richtung. Ein kleiner 360-Grad-Ausflug mitten auf dem Wasser. Natürlich sieht die Alte Donau im Winter nicht so schön aus wie im Sommer. Aber sie hat ihren Charme. Vor allem, weil es keinen Gegenverkehr gibt, niemand, der einem bei den wilden Kreuz- und Querfahrten auf dem Wasser stört. Und irgendwie ist das Weltkugelboot auch ein Hingucker. Nicht nur einmal werden wir auf der Fahrt von Passanten vom Ufer aus gefilmt. Nach einer Stunde bringen wir das Boote zurück. Martin Mai wartet schon am Steg. Bereit, seine Welt wieder in Empfang zu nehmen.