Minigärten und bizarre Wälder
Moose sind die wahrscheinlich ältesten Landpflanzen der Erde, und obwohl sie hierzulande im Garten kaum Stellenwert haben, zahlt sich die nähere Betrachtung der Miniaturen aus.
Gäbe es die gute Fee, und hätte ich drei Wünsche frei, so wäre einer davon, schrumpfen zu können. Eine herrliche Vorstellung. Ich würde mich mikroskopisch klein machen und die Welt ganz neu betrachten. Ich könnte mich in den Kuppeln riesiger Tautropfen spiegeln und mit einem beherzten Sprung hineintauchen. Ich würde den seltsamsten Kreaturen Aug in Aug gegenüberstehen. Mein erster Ausflug würde mich auf jeden Fall in die moosigen Bereiche meines Gartens führen, wo ich durch bizarre Wälder wandeln könnte, feucht und duftend wie der erste Urwald und von endloser Dimension.
In der westlichen Gartenwelt nimmt die auf den ersten Blick unscheinbare Pflanzengruppe der Moose keinen großen Stellenwert ein. Im Gegenteil. Hier wird das Moos als natürlicher Feind insbesondere des Rasengärtners betrachtet und mit allen Mitteln bekämpft. Während die japanischen Kollegen eine ganz andere Tradition pflegen und dem Moos außerordentlich zugetan sind, rollen hierzulande die Vertikutierer über den Rasen, sorgen Chemikalien für vermeintliche Säuberlichkeit. Die fernöstlichen Moosgärtner hingegen zupfen sorgfältig einzelne Grashalme mit der Pinzette aus ihren Anlagen.
Tatsächlich sind diese faszinierenden, niedrig und in dichten Matten wachsenden Geschöpfe die wahrscheinlich ältesten Landpflanzen der Erde. Laubmoose, Hornmoose und Lebermoose unterscheiden die Botaniker, gemeinsam bilden diese drei Gruppen mit etwa 16.000 weltweit bekannten Arten ein dem Laien weitgehend unbekanntes Universum für sich. Wer kann schon ein Silber-Birnmoos benennen oder gar von einem Sparrigen Kranzmoos unterscheiden?
Auf jeden Fall sind die Japaner die Spezialisten auf diesem Gebiet. Ihre monochromen, wie von grünem Samt überzogenen Moosanlagen sind Kunstwerke. Sie bestehen lediglich aus ein paar korrekt und nach jahrhunderte-, wenn nicht jahrtausendealten Regeln positionierten Steinen und Felsen. Nur wenige Pflanzen sind erlaubt, hier geht es vielmehr um die idealisierte Landschaft und ihre künstlerische Überhöhung. Der wohl berühmteste Moosgarten ist Teil einer buddhistischen Tempelanlage in Kyoto und geht auf das 14. Jahrhundert zurück. Angelegt hat ihn der Zen-Meister Muso¯ Soseki (1275–1351), der vielseitig begabt gewesen sein muss, denn er gilt darüber hinaus auch als Begründer der japanischen Teezeremonie. Dem Vernehmen nach bilden über 120 Moosarten das faszinierende, in allen Grünschattierungen spielende Waldgärtchen.
Einen Moosgarten zu pflegen ist keine einfache Aufgabe, und hierzulande wird man kaum je in japanische Dimensionen vordringen. Zu trocken, zu kontinental ist unser Klima. Das Moos gedeiht in luft- und bodenfeuchten Zonen am besten, und die schönsten Moosgärten liegen denn auch in Meeresnähe. Wer also eine kontemplativ-samtgrüne Oase anlegen will, greift lieber zu Alternativen in Form moosartiger, doch robusterer Polsterstauden. Ein herrlicher Ersatz ist beispielsweise das sogenannte Sternmoos, das tatsächlich ein Nelkengewächs ist, doch wie Moos aussieht.
Sagina subulata, so die botanische Bezeichnung, mag zwar Trockenheit ebenfalls nicht sonderlich, doch in halbschattigen und schattigen Zonen wächst es sich zu dichten, weichen Polstern aus, die noch dazu reizende weiße Blütensternchen tragen. Achtung: Die Pflanze will zwar nicht austrocknen, doch Staunässe verträgt sie ebenfalls nicht. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl sollte einem kleinen
Sternmoosgärtchen aber
Weg stehen.
Es gibt jedoch noch eine weitere Möglichkeit, Moos – in diesem Fall echtes Moos – ansprechend zu kultivieren, und zwar im Haus und in formschönen Schalen. Diesbezüglich laufen soeben zahlreiche Testreihen im „Gartenkrallen“-Reich, und die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden hier nachzulesen sein. Sowohl tropische Moose, wie beispielsweise das südostasiatische Flammenmoos, als auch heimische Moose wanderten in Gläser und Flaschen und werden täglich mit entkalktem Wasser besprüht, in der Hoffnung, sich bald zu reizenden Miniaturmoosgärten auszuwachsen.
Das Aufregende daran ist der Umstand, dass manche Moose sowohl unter als auch über Wasser gedeihen, jedoch in halbtrockenem Umfeld andere Formen ausbilden als etwa im Aquarium. Sie sehen, auch im Winter wird dem Gärtner nie fad, denn die Wunder der Natur sind grenzenlos, und auch im winzig Kleinen kann man sich genüsslich verlieren, wenn schon nicht leibhaftig, so doch mit Makrolinse oder Lupe.
nichts im