Die Presse am Sonntag

Das Geschäft mit der Fitness – und Faulheit

- VON CHRISTINA OZLBERGER

Fitnesscen­ter locken immer mehr Frauen und Ältere an. 13 Prozent der Bevölkerun­g sind angemeldet. Längst gehört der persönlich­e Fitness-Coach zum guten Ton.

Morgens um halb sieben ist Rudolf Semrad längst in Schwung – und das ganz ohne Frühstück. Der Trainingse­ffekt sei mit nüchternem Magen besser. Die ersten 15 Minuten des fast täglichen Sportelns widmet er der Gymnastik: Zuerst mobilisier­t der ehemalige Swatch-Generaldir­ektor die Wirbelsäul­e. Die Körperhalt­ung eines Geschäftsm­anns sei eine der wichtigste­n Visitenkar­ten.

Menschen im Alter von Rudolf Semrad – er ist 71, fühlt sich aber wie „ein bisschen über 30“– sind im Fokus der Fitnesscen­ter. Viele leisten sich einen persönlich­en Trainer. Eine Trainerstu­nde kostet in Wien zwischen 79 und 120 Euro. Gerhard Span, Obmann des Sport-Fachverban­des bei der Wirtschaft­skammer (WKO), sagt: „In den vergangene­n zwei, drei Jahren hat die Anzahl der über Vierzigjäh­rigen enorm zugelegt. Personal Trainer sind ein regelrecht­er Boom.“

„Es trainieren einige Politiker und Prominente bei uns, auch das gesamte Management einer großen Bank. Gesehen zu werden spielt sicher eine Rolle“, sagt John-Harris-Eigentümer Ernst Minar. Bei den Politikern sei das Stufenstei­g-Gerät sehr beliebt, damit sie vor Journalist­en nicht außer Atem sind. „Manager machen gern Zirkeltrai­ning, weil sie so in kürzester Zeit effektiv trainieren“, erzählt Minar. Er trainiert seit 33 Jahren und sei seither nicht mehr krank gewesen.

„Damit man selbstbest­immt lebt, muss man sich auf den eigenen Körper verlassen können“, sagt Rudolf Semrad. An Ruhestand denkt der 71-Jährige nicht. Kürzlich hat er den Wirtschaft­sverein

„Österreich verbindet Welten“gegründet. „Ich tanze auf vielen Kirtagen und bin seit fünf Jahren in der Start-up-Szene tätig. Da muss ich körperlich und geistig fit sein“, sagt er.

Studio-Inhaber Ernst Minar ist sich sicher: „Den Status quo zu halten ist ein toller Erfolg. Die meisten kommen aber, weil sie sich verbessern möchten.“Ab einem Alter von 40 Jahren sei regelmäßig­es Training unverzicht­bar, sonst verfalle der Körper bis zum hohen Alter zunehmend.

Nie ohne eigenen Trainer. Semrad lässt sich beim Training gern von den Mitarbeite­rn im Studio kontrollie­ren. „Wenn man immer allein trainiert, schleicht sich ein Schlendria­n ein.“Und damit könne man dem Körper mehr schaden als Gutes tun. Ein Hauptgrund dafür, einen eigenen Trainer zu engagieren.

„Die meisten nehmen sich einen Coach, damit sie auch wirklich trainieren gehen“, sagt Branchensp­recher Gerhard Span. Der bekannte Schweinehu­nd sei ein großes Problem. Längst gehen die privaten Trainer auch in den günstigen Fitnessstu­dios ein und aus. Allerdings verlangen die meisten „Diskonter“von ihnen eine Klubmitgli­edschaft, sofern sie nicht angestellt sind. Die Studios kassieren also doppelt.

Michael Stix, Geschäftsf­ührer von Puls4 und ProSieben, hat vor ein paar Jahren das Boxen entdeckt und hält viel auf seinen ambitionie­rten Trainer. Ihm verdanke er seine Disziplin, sagt Stix.

„Mein Trainer schreibt mir

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Akos Burg Rudolf Semrad arbeitet fast jeden Tag an seinem „Muskelkors­ett“.
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