RUDOLF SEMRAD
immer in der Früh mit der Frage, ob ich eh komme. Ich bin nach längeren Abendterminen manchmal müde, aber es gibt kein Erbarmen.“Vor zwei Jahren hatte er noch zehn Kilogramm mehr auf den Rippen. Heute fühle er sich schlecht, wenn er das morgendliche Training ausfallen lässt. „Ich habe immer schon Sport gemacht, aber nie so richtig“, erzählt Stix. „Fitness ist für mich zu einem Gamechanger geworden.“
Günstige Anbieter wie McFit und FitInn ziehen vor allem junges Publikum an. Die Grundgebühr von 19,90 Euro im Monat ist verschmerzbar. Anmeldung und zack, lautet die Devise. Oft geht es nur darum, das Gewissen zu beruhigen. Schnell wird aus einer übermotivierten Sportskanone eine Karteileiche. Und vor allem die günstigen Anbieter leben gut von den Dahingeschiedenen. Gekündigt kann der Vertrag erst nach einem Jahr werden. „Die Mehrheit, etwa 90 Prozent, unserer Mitglieder fallen in die Kategorie regelmäßige Trainierer“, betont hingegen FitInn-Unternehmenssprecherin Verena Pschandl.
Der Fitnesshype war schon größer. Seit etwa drei Jahren sinken die Mitgliedsbeiträge in Österreich, der Durchschnittspreis aller Studios liegt bei 43 Euro pro Monat. Nach Weihnachten und vor dem Sommerurlaub verzeichnen die Studios die meisten Anmeldungen. Mit 1,1 Millionen Mitgliedern erwirtschaften sie jährlich rund 560 Millionen Euro Umsatz. Marktführer sind laut dem österreichischen Branchenradar FitInn und CleverFit. Edel-Studios wie John Harris oder Manhattan bieten mehr Service und kosten dementsprechend mehr.
John Harris am Schillerplatz hat eine Lüftung um eine Million Euro eingebaut, um den Schweißgeruch zu vertreiben. Das Solarium kommt ohne schädliche UV-Strahlen aus und kostete deshalb viermal so viel wie ein herkömmliches, erzählt Minar. Auch die Biomechanik sei bei den Geräten im John Harris besser als bei den günstigen Anbietern, betont er. Doch da widerspricht gute und schlechte Menschen einteilt; nicht nur bei Managern. Gleichzeitig finde ich es sehr interessant, dass diese Kraft nicht über Zwang operiert – niemand peitscht uns ins Fitnessstudio –, sondern über Versprechen auf Erfolg, aber auch Freude. Es kann ja tatsächlich Spaß machen, eine Runde zu drehen.
Im Idealfall. Viele tun es aus einem recht subtil vermittelten Zwang heraus.
Ich finde, die Freude daran ist das Subtile. Das Vergnügen und die Aussicht auf Erfolg und Anerkennung, die damit verbunden ist, sind die treibende Kraft.
Schön wäre es halt, wenn man Sport macht, weil man es selbst gern tut, und nicht, um irgendwelchen externen Erwartungen gerecht zu werden. Mittlerweile gehört schon Mut dazu, sich als Sportmuffel zu outen.
Da stimme ich Ihnen zu. Gleichzeitig beharre ich darauf, dass Sporttreiben vielen Leuten Spaß macht und Quelle von Befriedigung sein kann. Aber diese Quelle ist etwas historisch und kulturell Spezifisches. Vor 50 Jahren wäre kaum jemand auf die Idee gekommen, nach Feierabend noch laufen zu gehen, weil ihm das so guttut. Möglicherweise ist der Widerstand gegen den Fitnesshype auch deshalb so schwierig, weil er auch mit Zufriedenheit und Wohlfühlen einhergeht. Aber gleichzeitig ist dieser Hype eben auch befehligend und Teil einer Formation, die auf Wettbewerb, Leistung und deren Darstellung setzt. Branchensprecher Gerhard Span: Alle Geräte seien auf dem neuesten Stand der Technik, es gebe kaum noch merkbare Unterschiede.
Anti-Aging-Yoga und Wellness. Mit Trends tun sich naturgemäß neue Sportarten auf: Anti-Aging-Yoga ziehe viele Frauen in den Turnsaal, während Senioren auf Acqua Fitness anspringen. Mentaltraining rücke, sagt Minar, stärker in den Fokus vieler Manager. Sie müssen im Job ausgeglichen sein.
Schwimmbad und Sauna sind für Semrad der krönende Abschluss seiner Bewegungseinheit. „Ich bin ein SaunaTiger“, sagt er, „das ist ein Stretching für Geist und Seele.“Dazu gehöre gesunde Ernährung. „Ein GenussSchweinsbraterl hin und wieder schadet nicht“, sagt er und lacht. Sonst hält er sich gern ans Intervallfasten. Ernährungsberatung gehört zunehmend zum guten Ton vieler Fitnessstudios. Der „unbedenkliche“Markt ist überfüllt mit Nahrungsergänzungsmitteln: Für jedes Training gibt es den passenden Shake, für jeden Bedarf die richtige Pille. Manche greifen zur Tablette, um schneller abzunehmen. Langzeitforschungen gibt es noch nicht, Kritiken genug. Muskeln aufzubauen sei viel wichtiger als abzunehmen, sagt Minar.
Jeder dritte Fitnessbetrieb spezialisiert sich auf bestimmte Kundengruppen. Claudia Ladinig ist Unternehmensberaterin und Eigentümerin des Mrs.-Sporty-Studios im ersten Wiener Gemeindebezirk. „Jede Bewegung schafft neue Verknüpfungen im Gehirn. Darum ist Sport gerade bei Managerinnen, die schwierige Entscheidungen treffen müssen, ganz wichtig“, sagt
Der ehemalige Swatch-Chef hat kürzlich den Verein „Österreich verbindet Welten“gegründet. Als Netzwerk aus österreichischen Unternehmen, Institutionen und Personen des Wirtschaftslebens soll der Verein die Bekanntheit und das wirtschaftliche Ansehen des Standorts Österreich fördern.
Ladinig. Sie ist überzeugt: Geistige und körperliche Fitness bedingen einander.
Ihr Studio unterscheidet sich von den Platzhirschen: Bei Mrs. Sporty trainieren nur Frauen. Der Fokus liegt auf Zirkeltraining, das nur 30 Minuten dauert. „Manche mögen gemischte Studios nicht, die meisten kommen aber wegen der Spezialisierung“, sagt Claudia Ladinig. Dazu gehören die Trainerinnen, Ernährungsberatung und Kosmetikbehandlungen. Das Publikum ist meist über vierzig Jahre alt, einige 20- bis 25-Jährige mischen sich darunter. Zahlende Karteileichen gebe es wenige, weil die Trainerinnen nachtelefonieren und Termine vereinbaren. „Der Großteil nutzt die betreuten Stunden, in einer Gruppe trainiert lieber jede für sich allein“, erzählt sie.
Es ist kurz nach acht Uhr morgens. Rudolf Semrad trinkt noch rasch einen Kaffee an der Bar des Studios. Nach gut eineinhalb Stunden Bewegung kann der Tag beginnen.
»Fitness ist für mich zu einem Gamechanger geworden«, sagt Michael Stix. »Jede Bewegung schafft neue Verknüpfungen im Gehirn«, sagt Claudia Ladinig.