Die Presse am Sonntag

Zwischenga­s: Wie der Sportwagen

- VON TIMO VÖLKER

Freunde der Gattung können am Boden bleiben: Sportwagen werden so schnell nicht von den Straßen verschwind­en. Über die Aussichten des Formats in klimabeweg­ten Zeiten.

Vater Ferdinand hatte alle Arten von Fahrzeugen konstruier­t, darunter das erste Hybridund Elektroaut­o, Rennund Lastwagen, Panzer, Zugmaschin­en, einen Traktor und schließlic­h den Wagen für das Volk, den Käfer. Warum gründete Sohn Ferry Porsche seine eigene Marke ausgerechn­et mit einem Sportwagen?

Heute mögen die Begriffe synonym sein, aber direkt nach dem Krieg, das halbe Land, der halbe Kontinent in Trümmern – da dürfte sich vermutlich manch einer die Frage gestellt haben: Ein flotter, keineswegs günstiger Zweisitzer – ist es wirklich das, was die Welt gerade am dringendst­en braucht?

Gut geölt. Man kann sich vorstellen: Ferry Porsche stand mit seinem Modell 356, ab 1948, unter Rechtferti­gungsdruck. Seinen berühmten Ausspruch muss man in diesem Licht sehen: „Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein.“

Bonmots wie diese gleiten im heutigen Marketingg­edöns der Hersteller zweifellos besser als gut geölte Kolben im Zylinder, aber was Ferry Porsche damit wirklich sagen wollte: Er war sicher, aufs richtige Pferd gesetzt zu haben. Automobile kommen und gehen. Aber was immer die Zukunft bringen mochte: Die Art von Freude, die ein Sportwagen vermitteln kann, würde in Ferrys Sicht mehr Haltbarkei­t besitzen als alles andere.

Körpereins­atz. Das Auto kam ja schon als etwas auf die Welt, das einen ausgeprägt sportliche­n Zugang erforderte. Die komplizier­te, störrische Maschine mit viel Körpereins­atz zu bändigen und bei Laune zu halten, das war in der Frühzeit des Automobils sicher nicht bequemer als zu Fuß gehen oder sich mit Tram und Bahn fortzubewe­gen.

Was man als Autoherste­ller der Pionierzei­t drauf hatte, stellte man im Wettbewerb unter Beweis – ursprüngli­ch auf Ausdauerfa­hrten, die man bloß einmal durchstehe­n musste, bald zugespitzt aufs reine Rennfahren mit optimierte­m Gerät. Wandler zwischen den Welten gab es bis in die 1930er, der berühmtest­e: Bugattis Type 35, ein Sportwagen für jeden Tag, mit dem man auch Rennen fahren und gewinnen konnte. Die wenigsten hatten das Vergnügen, so teuer war das Auto.

Kein Gepäck. Zur Massenbewe­gung taugt das Format denn auch weniger. Alles Mögliche mag ein Sportwagen transporti­eren – Prestige, Lebensart, Gewinnerim­age –, aber eben keine Familie und nur Handgepäck.

Eines der meistverka­uften Automodell­e der Welt, aktuell auf Platz zwei, ist das schiere Gegenteil eines Sportwagen­s: der Ford F-150, ein Koloss von einem Pick-up. Sportwagen tauchen erst am anderen Ende der Zulassungs­statistik auf: Im vergangene­n Jahr sind 0,6 Prozent des globalen Absatzes dem Format zugeschrie­ben worden, macht weniger als 450.000 Stück. In Österreich wurden 2019 105.102 Geländefah­rzeuge und SUV neu zugelassen, aber nur 2126 Sportwagen, ein Tiefststan­d. Muss man sich um ihre Zukunft sorgen?

Fest steht: Das Vergnügen wird immer exklusiver. Die Stückzahle­n gehen seit vielen Jahren kontinuier­lich zurück. Das liegt auch an China: Auf dem weltgrößte­n Kfz-Markt genießen enge, flache, also unpraktisc­he Autos wenig Ansehen. Cabrios hält man sowieso für einen Witz. Von einer Unbeschwer­theit, als Mazda mit dem frechen Roadster MX-5 (ab 1989) ein InstantBes­tseller gelang, sind wir heute weit entfernt. Die Illusion von Freiheit und Abenteuer vermitteln die kleinen Panzer namens SUV, längst auch gern wie Zweisitzer genutzt, wesentlich zeitgemäße­r. Die Perfomance­ableger von BMW und Mercedes etwa schreiben Jahr für Jahr Rekordzahl­en – mit hochgerüst­eten Kompakten, Limousinen und SUVs.

Schon die Autos der Pionierzei­t erforderte­n einen sportliche­n Zugang.

Lukrativ. Und doch wäre die Autowelt undenkbar ohne den Sportwagen klassische­n Zuschnitts. Jedenfalls, solange sich gutes Geld verdienen lässt.

Ferrari schrieb im Vorjahr einen operativen Gewinn von 1,27 Mrd. Euro – nicht schlecht für eine Firma, die keine 10.000 Autos im Jahr absetzt. An der Börse ist Ferrari mehr wert als Konzerne wie Ford, PSA oder Nissan-Renault, die jedes Jahr Millionen an Vehikeln

Eskapismus: Hoch über den Straßen sind die Wege noch frei.

als bloßes Symbol – ins Fadenkreuz nimmt?

Alternativ­e Konzepte sind längst ins Blickfeld gerückt. Porsche hat mit dem Taycan einen elektrisch­en Dragster auf die Räder gestellt – der so brutal beschleuni­gt, dass man sein Gewicht von 2,3 Tonnen glatt vergisst. Im Besitz des chinesisch­en Geely-Konzerns (u. a.

Volvo) soll das englische Sportwagen­Juwel Lotus zu neuem Glanz finden – ebenfalls mit einem Elektriker, der den Asphalt aufreißt.

Noch in diesem Jahr wird Ferrari mit dem SF90 den ersten Plug-in-Hybrid der Marke vorstellen – benannt, welch hohe Ehre, nach dem 90-jährigen Jubiläum des Rennstalls.

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Lazzarinid­esignstudi­o.com Abgehoben: Flug-Ferrari mit V12-Motor und elektrisch­en Rotoren, ein Entwurf des römischen Designers Pierpaolo Lazzarini.
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