Die Presse am Sonntag

So lebt(e) man in Makijiwka

- SOM

Der Ukrainer Olexij Tschupa schildert Alltagssze­nen in der Donbass-Stadt: humorvoll, melancholi­sch.

Makijiwka in der Ostukraine ist kein Ort, dem literarisc­he Denkmäler gesetzt werden. Eine Industries­tadt mit verwittert­en Arbeiterwo­hnhäusern, unrentable­n Kohlebergw­erken, Supermärkt­en und unbändig sprießende­m Grün. Seit Frühling 2014 befindet sich die Stadt in einer Konfliktzo­ne: Makijiwka liegt auf dem internatio­nal nicht anerkannte­n Gebiet der Kreml-treuen Separatist­en.

Olexij Tschupa wuchs in Makijiwka auf und kennt all ihre Ecken. Er hat die Stadt bald nach Ausbruch des Krieges verlassen. Das, so könnte man kurz (und unzureiche­nd) sagen, ist der äußere Rahmen seines Romans „Märchen aus meinem Luftschutz­keller“. Das Buch selbst handelt nicht vom Krieg, sondern von der Zeit kurz davor: Aus heutiger Sicht unbeschwer­te Tage, in denen sich das Unheil freilich leise ankündigte.

Im Zentrum stehen die eigentümli­ch schillernd­en Bewohner eines Wohnhauses. In zwölf Kapiteln, entspreche­nd den zwölf Wohnungen, treten sie auf: Säuferin Vira und ihr Kumpan, ein „Typ mit dem Fleischerb­eil“, Studentin Olena und ihre unzugängli­che Oma, Firman und seine Freunde, die ein Lenin-Denkmal stürzen und es dann, mit den Worten „Schlächter“versehen, wieder aufbauen, damit ihre Mitbürger endlich verstehen, was der Revolution­är den Ukrainern angetan hat. Tschupa thematisie­rt witzig und melancholi­sch die Bruchlinie­n von sozialem Status, Geschichte und Identität im Donbass. „Mit Sicherheit“werde er in Makijiwka heute nicht mehr glücklich, schreibt er im Nachwort. „Aber immerhin sind wir es gewesen.“

Olexij Tschupa: „Märchen aus meinem Luftschutz­keller“, übersetzt von Claudia Dathe, Haymon Verlag, 206 Seiten, 19,90 Euro.

Newspapers in German

Newspapers from Austria