Ein Winzer im Tiefenrausch
Der Bregenzer Josef Möth hat zwei Edelstahltanks mit 2000 Litern Wein im Bodensee nur das Herunterlassen, auch das Herausholen war komplizierter als gedacht. »Bei fünf Tauchgängen haben wir die Tanks nur drei Mal gefunden.«
Wie schwierig kann die Planung schon sein? Es geht ja nur darum, zwei Edelstahltanks gefüllt mit je 1000 Litern Wein mit Umsicht an der tiefsten Stelle des Bodensees zu versenken und nach einer Weile wieder herauszuholen. Stellt sich heraus: sehr schwierig. Als Josef Möth mit dieser Idee die Bezirkshauptmannschaft Bregenz aufsuchte, lachten seine Gesprächspartner laut auf, ob des originellen Witzes. Doch von einem Witz wollte Möth nichts wissen, also bekam er referiert, um welche Genehmigungen er sich noch bemühen müsse, angefangen bei der Fischerei bis hin zur Schifffahrt und der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee mit allen drei Anrainerstaaten. „Ich habe gedacht, das ist einfach“, sagt der Winzer heute, „weil ich umwelttechnisch keine Bedenken hatte.“
Einerseits erfassten ihn also die Mühlen der Bürokratie, andererseits könnte ja sonst auch jeder beliebige Fässer in den See schmeißen. Nun, irgendwann hielt Möth alle Genehmigungen in der Hand. Ja, er dürfe zwei Tanks ein Jahr lang im See aufbewahren, allerdings müsse das Projekt wissenschaftlich begleitet werden, da der Bodensee nicht zu rein kommerziellen Zwecken genutzt werden darf. Die Befugnis erteilten ihm Behörden und Länder einmalig. Das Projekt selbst taufte Möth „Tiefenrausch“. Weil zum einen Taucher ab einer gewissen Tiefe in einen rauschartigen Zustand verfallen können, zum anderen soll das bei Weintrinkern ab einer gewissen Menge auch vorgekommen sein. Wie kommt man eigentlich auf solche Ideen?
Josef Möth sitzt unter der Laube seines gleichnamigen Heurigen in Bregenz, und allein die Existenz der Weinschenke dürfte für viele Besucher überraschend sein, denn als Weinregion gilt Vorarlberg wahrlich nicht. So ist Möth der einzige Haupterwerbswinzer im Land: Er bewirtschaftet knapp 3,5 Hektar Weingartenfläche (12.000 bis 15.000 Flaschen pro Jahr) und führt das Geschäft erst in zweiter Generation. Dabei sei das Image verzerrt, meint Möth; denn die gesamte Bodenseeregion verfügt über etwa 2000 Hektar Weingärten, von Meersburg und Salem in Deutschland bis nach Thurgau in der Schweiz.
Verbindendes Wasser. Und neu ist der Weinbau in Vorarlberg nicht, lange Zeit war der Handel mit den Reben in der Region verankert, bis jahrelange Missernten den Bauern zusetzten und der Arlberg-Eisenbahntunnel Weinimporte florieren ließ. „Wir haben in Vorarlberg schon sehr gute Lagen“, sagt Möth, „aber die Ressource Boden ist nicht vorhanden. Die Flächen werden gehortet, und der Bestbieter ist dann meist die Industrie.“Heute steht das Land zwar bei bescheidenen 18 bis 22 Hektar Weingartenfläche, doch fühlen sich die Vorarlberger Winzer als Teil der gesamten Bodenseeregion, wie Möth betont. „Wir sind ein Dreiländereck, haben untereinander einen kollegialen und freundschaftlichen Umgang. Das Wasser hat uns immer verbunden.“
Das Wasser an sich war denn auch eines Tages Gesprächsthema zwischen Möth und einem Freund. Man höre ja immer wieder von Weinflaschen und -fässern, die in versunkenen Schiffsbäuchen gefunden und denen „exorbitante Qualitätsverbesserungen“durch die Lagerung im Wasser nachgesagt werden. Eine Chance, diese zu kosten, habe man nie bekommen, allein die Preise seien eine Hürde. „Dann habe ich gesagt“, erinnert sich Möth an das Gespräch im Herbst 2018 zurück, „ich haue selbst ein paar Flaschen in den Bodensee rein“. Vom Ziel, die Tanks an der tiefsten Stelle (etwa 250 Meter) zu versenken, musste sich der Winzer bald verabschieden: Die Taucher kamen da gar nicht hin. Als Kompromiss wurde eine Stelle in der Bregenzer Bucht mit 60 Metern Tiefe ausgemacht, wiewohl kaum jemand wusste, wie hier die Bodenbeschaffung eigentlich ist. Als der Winzer vergangenes Jahr im März gemeinsam mit Seenotrettung, Polizei, Tauchern und etlichen anderen Beteiligten hinausfuhr, für den ersten Test-Tauchgang, sei das wie bei der Mondlandung gewesen. Die Taucher hätten ihm ein Stück vom Seeboden in die Hand geklatscht und den Kopf geschüttelt – wie Kleister habe sich das angefühlt. Das Problem: Der Boden erzeugt ein Vakuum und kann selbst große Gegenstände ansaugen.
Man half sich mit Stelzen, die wiederum auf großen Tellern platziert wurden, um ein Absinken zu verhindern. Im Mai 2019 wurden schließlich bei Sturm und Regen mithilfe der Taucher die Fässer im See platziert (Temperatur: vier Grad). Dann hieß es: warten. Ein Jahr später sollte der Wein dann wieder herauskommen, doch Corona verschob die Aktion auf den Juli. Dabei wurde ein anderes Problem virulent, wie Möth erzählt. „In den letzten 417 Tagen hatten wir fünf Tauchgänge, doch die Tanks haben wir nur drei Mal gefunden. Wir hatten ja keine physische Verbindung. Die Fässer stehen nur mit vermerkten GPS-Daten auf dem Grund. Unter Wasser hat man keine Ahnung, wo die Dinger stehen.“
Am Tag der Aushebung, als auch eine Schiffsladung voll mit Presseleuten zugegen war, suchten die Taucher so lang, bis ihnen fast die Luft ausging. Nur kurz vor dem Aufgeben dann die Nachricht vom Seegrund: Ein Tank kann rauf. Es war wider Erwarten der Rotwein (Zweigelt/Shiraz). Der Weißwein (Chardonnay) soll dann am 29. August geholt werden.
„Der Wein ist vielschichtig“, sagt Möth, „wir reden von Brombeeren, Himbeeren, Zwetschken, Heidelbeeren, reifer, schwarzer Kirsche. Es ist alles da, was ein Kapazunderwein braucht. Allerdings darf er ruhig noch reifen, ich hoffe, dass er nicht so schnell getrunken wird.“Gerade ist er dabei, Echtheitszertifikate auszustellen – die Nachfrage sei jetzt schon groß. So groß, dass selbst der Buckingham Palast Interesse angekündigt habe.