Die Presse am Sonntag

Zarte Himmelsstü­rmer

- VON UTE WOLTRON

Eine Clematis zurückzusc­hneiden ist fast immer eine gute Idee. Doch um die Blüte hervorzuki­tzeln, muss man wissen, wann die verschiede­nen Waldrebena­rten gestutzt werden können.

Es gibt Leute, wie beispielsw­eise die Nachbarin, die sind der Waldrebe verfallen. Sie verwandeln ihre Gärten in Kletterorg­ien, stellen Gerüste und Rankgitter auf, lassen alte Bäume von Waldreben überwachse­n und pflanzen Rosen, mit denen sich die Clematis traditione­ll bestens versteht. Denn klettern will sie, die grazile Pflanze, die in so vielen Sorten zu haben ist.

Die Clematis ist ein zierliches Gewächs, doch sollte man sie nicht unterschät­zen. Sie liebt es, sich durch das Geäst anderer Pflanzen zu schlängeln. Manche Sorten wachsen bis zu zwölf Meter hoch. Sie ist in allen ihren Teilen schön: im Laub, in der Blüte und immer auch in ihren flauschige­n Samenständ­en. Doch soll sie gedeihen, braucht sie einen feuchten, sehr fruchtbare­n Standort. Mit trockenen, mageren Substraten ist noch keine Waldrebe glücklich geworden.

Clematis-Experten behaupten übrigens, dass die Meinung, die Wurzeln der Clematis müssten es kühl haben, nicht stimmt. Sie wollen vor allem in feuchtem, aber nicht staunassem Boden stehen, die Temperatur ist nicht ausschlagg­ebend. Vielen gilt die Clematis wegen dieser Standortko­mbination – unten feucht, oben sonnig – als zickig. Doch mit ein wenig Vorbereitu­ng und eben dem Wissen um die Trockenhei­tsempfindl­ichkeit ausgestatt­et kann man so gut wie überall Waldreben kultiviere­n. Da hilft zuallerers­t ein Überblick über die große, 297 Wildarten und über 400 Gartensort­en umfassende Familie der Waldreben.

Die experiment­ellen Bemühungen verschiede­nster Züchter des 19. Jahrhunder­ts brachten die enorme Vielfalt an Blütenform­en und -farben hervor. Die Einkreuzun­g chinesisch­er Clematis-Arten, die über Japan nach Europa gelangten, machten diese Fülle und die Blütengröß­e von bis zu zwanzig Zentimeter Durchmesse­r möglich. Die Clematiszü­chterwelt streitet darüber, ob die Familie der Waldreben in zwölf oder doch mehr Gruppen zu unterteile­n sei. Da man diesen Dschungel als Normalster­blicher niemals durchblick­en kann, erfolgt hier der Versuch einer vereinfach­ten Darstellun­g, der nicht auf Vollständi­gkeit pocht, doch verständli­ch machen will, wie, wann und ob überhaupt Ihre Clematis geschnitte­n werden muss.

Alpina: Diese Gruppe entstammt einer in den Alpen heimischen Wildart und zeichnet sich durch kleine, meist blaue Glöckchenb­lüten aus. Sie wird nicht jährlich geschnitte­n, sondern erst im Alter vorsichtig ausgelicht­et.

Macropetal­a: Sie ist das Gegenstück zur Alpina, stammt jedoch aus China und der Mongolei. Ihre Besonderhe­it sind die gefüllten Glöckchen, die ebenfalls im Juni meist in hellem Blau oder Pink erscheinen. Für den Schnitt gilt dasselbe wie für die Alpina-Gruppe. Frühjahrsb­lühende Hybriden: Die Blüte erfolgt ab Mai an den vorjährige­n Trieben, eine Nachblüte ist möglich. Der Rückschnit­t erfolgt deshalb erst nach der Blüte, ausgelicht­et wird nötigenfal­ls im Spätwinter.

Viticella: Die Italienisc­hen Waldreben blühen ab Juni und stellen die wohl robusteste Gruppe der Clematis dar. Es gibt sie in diversen Farben und Blütenform­en. Viticellas sind starkwüchs­ig, werden bis zu fünf Meter hoch und sollten jährlich nach der Blüte zurückgesc­hnitten werden, da sie in Bodennähe verkahlen. Zur Verjüngung können sie in Bodennähe geschnitte­n werden. Texensis-Gruppe: Hier wird zeitig im Frühjahr geschnitte­n, und zwar durchaus radikal, denn die Pflanzen treiben mächtig von unten aus. Sie blühen am diesjährig­en Holz, werden höchstens drei Meter hoch, bilden dafür wunderbare tulpenförm­ige Blüten in kräftigen

 ?? Ute Woltron ?? Zickige Clematis? Viele Arten, viele Farben und Blütenform­en.
Ute Woltron Zickige Clematis? Viele Arten, viele Farben und Blütenform­en.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria