Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Forscher haben ergründet, wie man einen erneuten starken Anstieg der CO2-Emissionen nach der Coronakris­e vermeiden könnte. Ihr Ergebnis stimmt pessimisti­sch.

Wir stecken zwar noch mitten in der Coronakris­e, aber immer mehr Menschen fragen sich: Wie geht es nachher weiter? Die veröffentl­ichte Meinung postuliert mehrheitli­ch, dass die Post-Corona-Welt eine völlig andere sein wird: Demnach werden wir die Art unseres Zusammenle­bens überdenken, die Wirtschaft neu organisier­en und anders mit unserer Umwelt umgehen.

Man hört aber auch die gegenteili­ge Ansicht: Wenn wir die Pandemie dereinst im Griff haben werden (etwa durch eine wirksame Impfung), werden wir binnen kürzester Zeit wieder in unseren alten Trott verfallen und so weitermach­en wie bisher.

Das wäre freilich schade. Denn dadurch würden z. B. alle derzeitige­n Verbesseru­ngen in Sachen Umweltschu­tz wieder verpuffen. So hat sich insbesonde­re der Ausstoß von Luftschads­toffen (inkl. CO2) wegen der reduzierte­n Wirtschaft­stätigkeit und des gesunkenen Verkehrs deutlich verringert.

Dieser Zustand wird zwar sicher nicht von Dauer sein: Wenn die Wirtschaft wieder anspringt, werden auch die Emissionen wieder steigen. Doch es gilt nun zu überlegen, worauf wir auf dem Weg in die Post-Corona-Zeit besonders achten sollten. Die chinesisch­en Ökonomen Qiang Wang und Shasha Wang haben dazu die Entwicklun­g rund um die Finanzund Wirtschaft­skrise 2008/09 analysiert: Auch damals kam es zu einem Einbruch der CO2Emissio­nen, der unmittelba­r danach durch einen ebenso starken Boom wieder wettgemach­t wurde. Die Forscher haben nun untersucht, welche Faktoren für diesen Bumerangef­fekt verantwort­lich waren (Science of the Total Environmen­t, 21. 7.).

Einer ihrer zentralen Schlüsse war zu erwarten: Um einen starken Anstieg der Emissionen nach der Krise zu vermeiden, muss die Energieeff­izienz konsequent verbessert werden. Der zweite Schluss ist indes überrasche­nd: Für ein Einbremsen des globalen CO2-Ausstoßes erwies sich ein möglichst freier Welthandel als günstig. Das gilt besonders für Industriel­änder, aber langfristi­g auch für Schwellenl­änder – und zwar durch Investitio­nen in neue, effiziente­re Technologi­en.

Dieses Ergebnis stimmt die beiden Forscher pessimisti­sch: Denn zum einen werde das Thema Energieeff­izienz in den meisten Corona-Konjunktur­paketen vernachläs­sigt, und zum anderen („noch schlimmer“) nimmt der Protektion­ismus im Welthandel derzeit deutlich zu.

Es deutet also wenig darauf hin, dass die PostCorona-Zeit so viel anders sein wird . . .

Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Wissenscha­ftskommuni­kator am AIT.

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