Die Presse am Sonntag

»Vettel? Ich schließe nichts aus!«

- VON GERHARD KUNTSCHIK

Racing Point ist ein Aufsteiger dieser Formel-1-Saison. Teamchef Otmar Szafnauer ist jedoch mit Protesten, Geldstrafe­n, Gerüchten und dem Coronaviru­s konfrontie­rt.

Silverston­e. Racing Point, der Name musste Formel-1-Fans im Vorjahr erst einmal geläufig werden. Zuvor elf Jahre lang Force India, davor Spyker, Midland und von der Gründung 1991 bis 2005 Jordan Grand Prix. Das Team, für das Silverston­e heute (15.10 Uhr, live, ORF1, Sky) tatsächlic­h ein Heimrennen ist, weil es wenige Hundert Meter gegenüber der Traditions­strecke in Northampto­nshire das Werk führt.

„Rosa“zählt nach Jahren im Mittelfeld zu den Überraschu­ngen der ersten F1-Rennen der Coronazeit. Die britische Mannschaft mit kanadische­m Mehrheitse­igentümer (Multimilli­onär Lawrence Stroll), Mercedes-Motor sowie österreich­ischem Hauptspons­or (BWT) ist auf dem Weg in die Top drei. Am Freitag der Rückschlag: FIA-Kommissäre anerkannte­n den Renault- Protest gegen die Bremsbelüf­tung (Kopie des Mercedes-Systems von 2019) und straften mit 15 Punkten Abzug in der Konstrukte­urs-WM sowie einer Geldstrafe über 400.000 Euro. Sergio Pe´rez, der vor zehn Tagen den ersten positiven Corona-Test eines Fahrers ablieferte, muss weiter zuschauen und wird nochmals durch Niko Hülkenberg ersetzt.

Teamchef Otmar Szafnauer, 55, – der Amerikaner hat alt-österreich­ische Wurzeln – meistert aber alle Probleme.

Die erste Frage drängt sich auf: Welche Lehren haben Sie aus dem Coronafall von Sergio P´erez gezogen?

Otmar Szafnauer: Ich mag Herausford­erungen – und das war ganz sicher eine ganz große. Ich habe dann sofort Nico Hülkenberg angerufen. Es ist keine leichte Aufgabe, so kurzfristi­g diesen Job zu übernehmen. Aber wir alle konnten schnell damit umgehen.

Bleiben wir bei P´erez: Zuletzt wurde extrem viel spekuliert, er könnte 2021 durch Sebastian Vettel ersetzt werden. Stimmt das?

Das Schöne an all diesen Gerüchten ist, dass wir mit einem vierfachen Weltmeiste­r in Verbindung gebracht werden. Und dass wir als ernsthafte Bedrohung für die drei bisherigen Topteams gesehen werden. Wir haben einen weiter laufenden Vertrag mit Sergio und wir setzen alles daran, mit ihm das Beste herauszuho­len.

Aber Sie würden nichts ausschließ­en? Exakt, ich schließe nichts grundsätzl­ich aus.

Was wird 2021 anders sein, wenn das Team Aston Martin heißen wird? Wird Toto Wolff Mercedes verlassen und in Ihr Team involviert sein? Auch ein hartnäckig­es Gerücht. Toto wird in keiner Weise in das Team operativ involviert sein. Das Auftreten des Teams wird sich ändern, wir werden eine Werksmanns­chaft. Wir werden weiterwach­sen, noch mehr Ressourcen haben und diese nützen. Wir wollen sicherstel­len, dass Aston Martin an der Spitze des Feldes mitkämpft.

Warum wurde Racing Point in dieser Saison plötzlich so stark, was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?

Wir hatten immer schon ein sehr gutes Team mit starkem Personal. Wir hatten aber nie die Ressourcen, einfach die finanziell­en Mittel, um unser Potenzial auszuschöp­fen. Es blieb lange Zeit bei halb-halb. Mittlerwei­le haben wir eine solche finanziell­e Basis, dass wir im Windkanal und im Design einfach mehr Spielraum haben. Ein weiterer Grund ist, dass wir immer schon ein gutes Verständni­s für die Reifen hatten und wie man sie optimal nützt. Der dritte Grund ist: Wir haben eine ausgezeich­nete Fahrerpaar­ung, Lance (Stroll; Anm.) wird immer stärker, je mehr er lernt, und Sergio (Pe´rez) fuhr in Höchstform. Auch Nico machte seine Sache gut. Es war eine Schande, dass ihn die Technik am Start hinderte, aber die harte Arbeit inzwischen wird sich diesmal bezahlt machen.

Sie haben wohl auch derzeit die richtigen Fachkräfte in der richtigen Position? Absolut. Als ich vor zehn Jahren hier zu arbeiten begann, hatten wir 280 Mitarbeite­r. Jetzt sind es bei Racing Point an die 500. Die Neuzugänge waren allesamt

Otmar Szafnauer,

geboren am

13. August 1964 in Rumänien, ist Teamchef von Racing Point F1.

Der Sohn eines Amerikaner­s und einer Rumänin wuchs in Detroit auf, studierte Elektrotec­hnik und Wirtschaft.

Karriere

1986 landete er bei Ford, 1991 entdeckte er den Motorsport und wurde 1998 Leitender Direktor bei British American Racing (BAR) in der F1.

2001 wechselte er zu Honda, 2008 entwickelt­e er die Timing-und-TrackingAp­p der F1.

Seit 2009 arbeitet er für Force India, das seit 2018 als Racing Point unterwegs ist.

Qualifying

Valtteri Bottas (Mercedes, Fin) startet heute zum 13. Mal in seiner F1-Karriere aus der Pole Position. Die Überraschu­ng im Silverston­e-Qualifying war Nico Hülkenberg – der deutsche Ersatzmann bei Racing Point wurde Dritter. die richtigen Leute mit der richtigen Einstellun­g und viel Erfahrung. Wir konnte beinahe unser Budget verdoppeln. Aber ich möchte hinzufügen: Wir haben in BWT einen sensatione­llen Partner gefunden.

BWT half uns immens, auch wenn es uns nicht allein rettete. Es ist immer gut, einen solchen Partner zu haben, der sich für die Umwelt einsetzt, für reines Wasser vor allem in Entwicklun­gsländern. Diese Marke ist großartig, und es ist für uns ein Gewinn, einen solchen Partner zu haben. Und, wir wollen auch, dass BWT bei uns im Aston-Martin-Team an Bord bleibt. Wir sprechen bereits darüber. Ich bin mit CEO Andreas Weißenbach­er jede Woche in Kontakt.

Welche Ziele haben Sie sich für die restliche Saison noch abgesteckt?

In England erwarten wir, dass beide Fahrer eine Menge Punkte sammeln werden – auf der Basis eines starken Qualifying­s und nach hoffentlic­h heil überstande­nen ersten Runden. Wenn wir ein perfektes Wochenende erleben, was uns bisher noch nicht gelang, werden wir auf dem Podest landen. Wenn wir das schaffen, können wir es auch in den weiteren Rennen erwarten. Mein Ziel ist, dass wir am Ende in der WM Vierte oder noch besser sein werden. Die Chance dafür ist sehr gut, wenn wir Probleme durch Kollisione­n oder technische Defekte vermeiden, werden wir sogar in den Top drei sein.

Mit wie vielen GP rechnen Sie heuer, vor allem: Wird es welche mit Zuschauern geben? Ich hoffe auf mindestens 15, vielleicht 18 Rennen. Was Zuschauer betrifft, könnten sie vielleicht in einigen noch dabei sein, aber das wird sich kurzfristi­g weisen. Ich hoffe, die Umstände werden es zulassen. Aber das ist nicht vorhersagb­ar.

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Hat BWT das Überleben von Racing Point gesichert? Als Sie 2019 den Titelspons­or verloren, wurde das Mondseer Unternehme­n Namensgebe­r.

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