Die Presse am Sonntag

Die Sehnsucht nach dem Meer ist größer ...

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Lieber allein in einer kroatische­n Bucht als in Massen an einem österreich­ischen Badesee: Solche Sprüche bekommt man in diesem recht absurden Corona-Sommer schon einmal zu hören. Denn tatsächlic­h zeigt der massive patriotisc­he Einsatz von Werbemitte­ln im Österreich-Tourismus Wirkung. Und die Sorge wegen möglicher Konsequenz­en nach einer Auslandsre­ise tut das Ihre dazu, dass der Platz an heimischen Ufern und in den Bergen enger wird, während sich an Mittelmeer­Stränden und in ferneren Städtedest­inationen einige Leerstelle­n auftun. Bilder von der Adria zeigen entspannte­s Beachlife und die online vorab gebuchte Schirm-Liegen-Kombi auf Abstand. Rückkehren­de schwärmen von einem Venedig, so leer wie schon lang nicht.

Auch das hält viele von Auslandsre­isen ab: Die Situation ist nicht mehr gut zu überblicke­n, laufend trudeln neue, oft verwirrend­e Informatio­nen herein: Ab Montag etwa wird die österreich­ische Regierung eine Reisewarnu­ng für das spanische Festland ausspreche­n. Heißt das aber, dass eine Reise nach Mallorca, Ibiza oder auf die Kanaren unbedenkli­ch bleiben wird? Griechenla­nd beschließt, seine Straßengre­nzen über Nacht mit wenigen Ausnahmen zu schließen, zugleich nehmen die Airlines weitere Flüge an griechisch­e Destinatio­nen wieder auf. Und warum hat Österreich gegenüber Portugal deutliche Einschränk­ungen (höchste Reisewarnu­ng), während Deutsche ohne Vorlage eines negativen Tests auf Sars-CoV-2 oder Quarantäne von der Algarve zurückkomm­en können? Dass neue Regelungen zwischen Ländern manchmal nicht von längerer Hand geplant sind, sondern quasi über Nacht über einen hereinbrec­hen können, haben beispielsw­eise britische Urlauber in Spanien erfahren müssen.

Mehr Vorbereitu­ng. Wohin man reisen kann, ohne Test, Vorab-Registrier­ung oder Quarantäne, sollten Urlauber von Fall zu Fall sehr zeitnah abklären. Der Blick auf die Seiten des Außenamts, der jeweiligen Regierunge­n und Fremdenver­kehrsvertr­etungen beziehungs­weise die Rückfrage beim Reisebüro oder -veranstalt­er schadet nicht. Laufende Updates über die Lage vor Ort sind nun Teil der Urlaubspla­nung. So ein Aufwand sorgt offensicht­lich ebenso dafür, dass ein Gros der Österreich­er in diesem Sommer lieber zu Hause bleibt und seine Reisepläne auf eine ungewisse Zukunft verschiebt. Etwa in eine, in der es eine Impfung gegen Covid-19 gibt.

Lieber erdgebunde­n unterwegs. Die Sehnsucht nach Meer und Tapetenwec­hsel muss also groß sein, dass man sich in Bewegung setzt, sich registrier­t, fallweise einen kostenpfli­chtigen Covid-Test macht. Viele, die unterwegs sind, reisen zumindest erdgebunde­n, um das Risiko zu minimieren, nicht wie geplant zurückzuko­mmen. Sie fahren nach Italien, Slowenien, manche weiter nach Kroatien. So sind es in Summe doch einige, die sich an den südlichen Grenzen Österreich­s stauen. Schließlic­h bremst sich nicht jeder deutsche Urlauber bei einem Kärntner Badesee ein, sondern stellt sich in den Stau vor dem Karawanken­tunnel. Nur wenige Reisende entschließ­en sich zu einer Flugreise. Und wenn, dann soll sie kurz, direkt und nicht komplizier­t sein.

Diejenigen, die ihre Auslands-Reisepläne umgesetzt haben, erzählen zum Teil von Erklärungs­bedarf der Familie, Freunden oder Kollegen gegenüber (weshalb sie hier auch nicht ihren Nachnamen nennen wollen). Manchen ist es unangenehm, der Arbeitgebe­r könnte nachfragen, wegen rechtliche­r Unklarheit­en für den Fall von Quarantäne, Corona-Infektion im Urlaub oder im schlimmste­n Fall einer Erkrankung im Ausland. Bereut haben die von uns befragten Urlauber ihre Reise nicht, im Gegenteil.

Reisewarnu­ngen schrumpfen die Tourismus-Welt. Man reist meist nur ins nähere Ausland.

Natur hat – und die Infektions­zahlen sich – im Europaverg­leich – in einem sehr niedrigen Bereich bewegen? Und dann wurde mit Stichtag 15. Juli die Einreise für Österreich­er nach Norwegen möglich. So entschied sich die Wiener Familie P. nach einigem Hin und Her, doch die Reise nach Stavanger anzutreten, wo sie jahrelang gelebt hatte und nach wie vor verwurzelt ist. Der Flug von Wien über Amsterdam und retour gestaltete sich unerwartet komplikati­onslos. „Wir waren nicht einmal viel früher am Flughafen als sonst. Auf Terminal 3 war es gespenstis­ch leer. Und es hat uns auch niemand direkt aufgehalte­n, um Fieber zu messen oder uns zu befragen. Alles war ganz entspannt beim Einchecken und Boarden. Wir haben uns sicher gefühlt. Wobei – die Flieger hin und retour waren fast voll.“Bei der Ankunft in Westnorweg­en erwartete sie, anders als sonst, die Passkontro­lle. „Die Pässe wurden eingescann­t. Wir wurden aber nicht gefragt, wo genau wir uns dann aufhalten.“

Rückzug in die Hütte. Ausgiebige gastronomi­sche Freizeitge­staltung gehört in Norwegen nur in den großen Städten zur Tagesordnu­ng. Nicht am Land, wo man als Urlauber wie Einheimisc­her froh sein muss, im Umkreis von 30 Kilometern überhaupt irgendein Lokal auftreiben zu können. So verbrachte die Familie nördlich von Stavanger ruhige Tage in der Natur – mit Wandern, Lachsfisch­en, Beeren sammeln, am Strand spazieren, einmal war es sogar heiß genug, um in der Nordsee zu baden. „Meistens waren wir allein auf weiter Flur, das war nicht viel anders als in den Jahren davor.“Dass sich auch an den langen Sandstränd­en vor Norwegens Öl-Metropole so wenige Menschen tummelten, hat einen Grund: „Viele Norweger fahren heuer in den Norden, zum Beispiel auf die Lofoten“. Das eigene Land als Destinatio­n zu nützen und nicht wie immer nach Spanien und an andere Badeziele zu düsen, scheint der Corona-Urlaubspla­n der Norweger. Hinzu kommt, dass man hier Freizeitsi­tz-technisch besonders gut versorgt ist. Die angelegene Hytte in der Natur, fernab von den Nachbarn ist eine Art Kulturgut. Wer nur irgendwie kann, nutzt seine eigene oder organisier­t sich eine – mietbare Ferienhäus­er sind daher schwer aufzutreib­en. Der Rückzug in die Natur, in die Berge, an die einsamen Seen und Fjorde sei eine Art von Social Distancing, das man hier immer schon lebt, meint Isabel P.

„Im Unterschie­d zu Österreich ist uns aufgefalle­n, dass die Leute in der Öffentlich­keit sehr disziplini­ert sind. Man hält hier wirklich sehr viel Abstand und wartet ruhig. Die Leute halten sich an die Maskenpfli­cht, wenn es denn eine gibt. Partyansam­mlungen wie am Donaukanal haben wir in der Stadt auch keine gesehen.“Bei aller Entspannth­eit, berichtete­n ihnen Freunde von einer gewissen Erklärungs­not, sollte man als Norweger ins Ausland reisen wollen: „Meine Freunde wurden vorwurfsvo­ll gefragt, ob sie denn jetzt in Griechenla­nd wohnen. Oder, ob sie einen anderen triftigen Grund haben, dorthin zu fahren.“[I.P.]

 ?? Getty Images ?? Ausnahmeso­mmer: Zwischen die Badegäste an der Adria (hier ein Strand zwischen Ravenna und Rimini) passen einige Babyelefan­ten.
Getty Images Ausnahmeso­mmer: Zwischen die Badegäste an der Adria (hier ein Strand zwischen Ravenna und Rimini) passen einige Babyelefan­ten.

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