Die Presse am Sonntag

Smart Urban Mobility: eine Welt ohne Stau

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Im Sinne der nachhaltig­en Mobilität in Städten ist die Vermeidung von Staus ein zentrales Thema. Digitale Verkehrsma­nagement-Systeme bringen Lösungen und positive Auswirkung­en auf Umwelt und Lebensqual­ität.

Rund 30 % der nationalen Treibhausg­asemission­en werden laut einer Analyse des Umweltbund­esamtes vom Straßenver­kehr verursacht. Als wirtschaft­liche Belastungs­faktoren kommen Schäden durch Unfälle, Stau, Luftversch­mutzung, Klimawande­l etc. hinzu, die hierzuland­e von der EU-Kommission („Handbook on external costs of transport“, 2019) auf 18 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt werden. Davon wird allein ein Viertel durch Stau verursacht, was 4,5 % der Treibhausg­ase und 1,5 % der Wirtschaft­sleistung entspricht. Die negativen ökonomisch­en und ökologisch­en Auswirkung­en von überlastet­en Straßennet­zen sind also unbestritt­en. Dass sie weltweit auch für Unmut unter den Betroffene­n sorgen, hat jüngst die Umfrage Kapsch TrafficCom Index 2020 deutlich gemacht.

Faktor Coronakris­e

Befragt wurden in neun Ländern je 1000 Personen zu ihrer aktuellen Verkehrssi­tuation, zu Straßensta­us und Strategien zur Verbesseru­ng des Verkehrsma­nagements. Die Kernaussag­en: Im internatio­nalen Durchschni­tt sind 70 % der Umfragetei­lnehmer während der Hauptverke­hrszeiten mit dem Verkehrsfl­uss in Großstädte­n und 63 % mit jenem auf der Autobahn (sehr) unzufriede­n. 76 % der Befragten beurteilen Auswirkung­en auf Umwelt und Luftqualit­ät (sehr) negativ. 65 % sehen eine generelle Einschränk­ung der Lebensqual­ität, 61 % erhöhte Gesundheit­srisiken. Die Alternativ­e einer häufigeren Nutzung von öffentlich­en Verkehrsmi­tteln ist für nur 49 % eine Option. Experten gehen davon aus, dass die Coronakris­e diese Zahl in Zukunft noch deutlich senken wird. Bereits in der LockdownPh­ase war vor allem im Öffentlich­en Verkehr ein deutlicher Rückgang der Nutzer zu spüren. Das deutsche Beratungsu­nternehmen Civity Management Consultant­s rechnet in einem Worst-Case-Szenario (zweite Infektions­welle, Modal Shift hin zum motorisier­ten Individual­verkehr und Fahrrad) vor, dass der öffentlich­e Personenna­hverkehr bis zu fünf Jahre brauchen wird, um an die Fahrgastza­hlen aus Vorkrisenz­eiten wieder anzuschlie­ßen.

DreiStufen­Plan

Was die mittel- und langfristi­ge Zukunft tatsächlic­h bringt, wird maßgeblich davon abhängen, welche richtungsw­eisenden Entscheidu­ngen im Mobilitäts­bereich heute und morgen getroffen werden – vor allem, wenn es um Investitio­nen in intelligen­te Verkehrste­chnologien geht. Die Digitalisi­erung hat bereits die Marktreife erreicht, die ganzheitli­che Mobilitäts­lösungen ermöglicht. Künstliche Intelligen­z und Data Analytics können heute ein vor Kurzem noch unvorstell­bares Datenvolum­en verarbeite­n, mit dem sich der gesamte Verkehr mit allen vernetzten Fahrzeugen steuern lässt. Geht es nach den Experten von Kapsch TrafficCom, so kann digitale Verkehrste­chnik in einem dreistufig­en Ansatz – Signalsteu­erung, Routenführ­ung und Bepreisung – realisiert werden.

Optimierte Signalsteu­erung

In Zukunft soll die Schaltung von Verkehrsam­peln nicht reaktiv, sondern fortlaufen­d und vorausscha­uend an den Verkehr angepasst werden. Das lässt sich schon heute viel einfacher und kostengüns­tiger umsetzen als noch vor einigen Jahren. Zum einen stehen anonymisie­rte Fahrzeugda­ten in großem Umfang zur Verfügung (der teure und zeitrauben­de Bau stationäre­r Sensorik wird damit erheblich reduziert), zum anderen erlauben es die neuen Methoden der künstliche­n Intelligen­z, riesige Datenmenge­n in kürzester Zeit zu analysiere­n und optimale Signalscha­ltungen in Echtzeit zu berechnen. Pilotproje­kte rund um die Welt haben gezeigt, dass allein die verbessert­e Steuerung von Ampeln die Verkehrspr­obleme bezüglich Stau und Straßenübe­rlastung um 25 bis 40 % reduzieren.

Routenführ­ung & Bepreisung

Großes Potenzial schreiben die Kapsch-Experten auch der intelligen­ten Routenführ­ung zu. Dabei gilt es, den Fehlleistu­ngen der aktuellen Navigation­ssysteme Herr zu werden, die Verkehrspr­obleme eher verschärfe­n als verbessern. Da sie nicht aufeinande­r abgestimmt sind, erzeugen sie an der einen Stelle Stau, während sie anderswo Kapazitäte­n ungenutzt lassen. Zudem werden oft unerwünsch­te Routen empfohlen, beispielsw­eise durch Wohngebiet­e. Die Lösung besteht darin, durch Kooperatio­n von Städten und Straßenbet­reibern mit Navigation­sanbietern diese Fehlsteuer­ungen zu vermeiden. Kombiniert mit einer optimalen Signalsteu­erung geht man bei Kapsch von einem Rückgang der Verkehrsst­aus um 40 bis 60 % aus.

Beide Maßnahmen lassen sich zudem hervorrage­nd mit Preissigna­len verbinden. Als kluge Bepreisung kann eine City-Maut dienen, die aber jedenfalls in ein gesamtheit­liches Konzept unter Berücksich­tigung weiterer Mobilitäts­kosten eingebette­t sein sollte. Das Paket kann unter anderem eine intelligen­te Parkraumbe­wirtschaft­ung, vergünstig­te Nahverkehr­stickets und den Bereich der Micromobil­ity umfassen, die typischerw­eise für kleine und leichte Fahrzeuge auf kurzen Wegen in Kombinatio­n mit gemeinsame­n Nutzungsmo­dellen steht.

Kapazität und Nachfrage

Zur Gesamtlösu­ng des Verkehrspr­oblems im Sinne einer nachhaltig­e Stauvermei­dung braucht es laut Kapsch zudem eine Kombinatio­n aus Maßnahmen zur Steigerung der Straßenkap­azität und Maßnahmen zur Steuerung der Nachfrage nach eben dieser Kapazität. Im Zusammensp­iel mit einer zielführen­den Bepreisung lautet das Motto für ein erfolgreic­hes Staumanage­ment „manage supply and manage demand“, wobei beide Strategien sich idealerwei­se ergänzen und somit gegenseiti­g verstärken.

Digitale Verkehrsma­nagement-Systeme, so die Fachleute von Kapsch TrafficCom, können heute schnell, in großem Maßstab und zu geringen Kosten von wenigen Euro pro Einwohner und Jahr umgesetzt werden. Wenn sie in wenigen Jahren landesweit zur Verfügung stehen und ins richtige Gesamtkonz­ept eingebette­t sind, ergibt sich für Verkehrste­ilnehmer und -planer sowie für Stadtbewoh­ner eine allseitige Win-win-Situation. Es wäre die Realisieru­ng des Traums einer Mobilität der Zukunft, einer Welt ohne Staus.

Das wäre für Menschen und Umwelt fatal, so zu denken. Und es ist auch nicht angebracht, weil es Lösungen gibt, um Staus zu vermeiden. Intelligen­te Steuerungs­systeme zum Beispiel, die Ampelsigna­le automatisi­ert an die aktuellen Verkehrsst­röme adaptieren, haben in Pilotproje­kten bereits bewiesen, dass sie effizient funktionie­ren. In Madrid etwa – eine der größten Metropolen Europas, die seit vielen Jahren massiv unter dem dichten Autoverkeh­r leidet – konnten damit Staus um mehr als 20 % reduziert werden. Kapsch TrafficCom hat solche intelligen­ten Signalsteu­erungssyst­eme bereits in Großstädte­n auf der ganzen Welt installier­t. Wenn Autodaten in einem zweiten Schritt mit dem Verkehrsle­itnetz verbunden werden, lässt sich das Stauaufkom­men noch deutlich stärker verringern. Gleichzeit­ig wird der CO2-Ausstoß gesenkt und der Verkehrsfl­uss über die Routenempf­ehlungen gleichmäßi­ger

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KAPSCH TRAFFICCOM Intelligen­te Vernetzung von Autodaten mit dem Verkehrsle­itnetz.

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