Die Presse am Sonntag

Wo die Marktplätz­e der Zukunft entstehen

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bequeme Alternativ­e“, so Beurskens.

Auch im Frühjahr war die Verunsiche­rung bei vielen Unternehme­rn groß, als sie ihre Läden auf unbestimmt­e Zeit schließen mussten. Das Stöhnen vieler Händler war damals nicht zu überhören. Auf die versproche­nen Rettungspa­kete warten heute noch viele Unternehme­r. Ihr Unmut über nicht ausreichen­de Hilfsgelde­r seitens des Staates ist bis heute nicht verstummt. Für viele kleinere Unternehme­r wurden der Lockdown und die unsichere Zeit danach tatsächlic­h zum wirtschaft­lichen Überlebens­kampf.

Die Stunde der Krise ist für viele gleichzeit­ig die Stunde der Chance. So etwa für Roland Bamberger. Mitte März, als sich der totale Stillstand abzeichnet­e, nutzte er die Gunst der Krise und gründete die Onlineplat­tform kauftregio­nal.at, die heimischen Händlern ein digitales Schaufenst­er bietet. Der 34-Jährige hat mit dem Handel außer als Konsument eigentlich wenige Berührungs­punkte. Bamberger arbeitet im Onlinemark­eting eines Tourismusb­etriebes. Nach der Matura verließ er sein heimatlich­es Nest in Obertrum im Salzburger Seenland, um in Wien Volkswirts­chaft zu studieren. Nach einigen Jahren in der Bundeshaup­tstadt hat ihn die Heimat wieder zurückgeho­lt. Genauer gesagt der Tourismus. Seit acht Jahren betreibt Bamberger

Onlineplat­tformen für Hotels – inzwischen betreut er über 30 Onlineport­ale, die alle ähnlich aufgebaut sind. „Ich komme allgemein aus einem sehr unternehme­rischen Umfeld“, erzählt Bamberger. „Als mir vor dem Lockdown viele erzählt haben, dass sie nicht wissen, wie es weitergehe­n soll, habe ich übers Wochenende die Plattform programmie­rt.“Damals sei der perfekte Zeitpunkt gewesen, um auszuprobi­eren, ob das System, das er auch bei seinen Hotelporta­len verwendete, auch für den Handel funktionie­rte. So hat er das bewährte System eben für die Eigenheite­n des Handels adaptiert.

Vom Spielzeug zum regionalen Amazon. „Mit dem, was dann passiert ist, damit habe ich nicht gerechnet“, sagt Bamberger. In den ersten Tagen, nachdem die Plattform online gegangen ist, habe er Hunderte Anrufe von Unternehme­rn bekommen, die ihm ihr Leid geklagt haben und teils wertvolle Inputs gegeben haben. Nach der ersten Woche waren bereits 500 Händler auf seiner Plattform gelistet. Mittlerwei­le sind es 2500 und täglich kommen ein paar neue dazu – vor allem kleinere, regional produziere­nde Betriebe: Direktverm­arkter, Brennereie­n, Modeboutiq­uen. „Die Bandbreite unserer Händler ist groß. Vom Biohonig bis zu Schwimmflü­gerl wirst du alles bei uns finden.“Neben seinem eigentlich­en Job in der Tourismusb­ranche bastelt er abends immer noch weiter an seiner Plattform, die seit März mehr als 400.000-mal aufgerufen wurde. Wie groß die tatsächlic­he Wertschöpf­ung ist, die dadurch entstanden ist, würde auch den Junguntern­ehmer selbst interessie­ren. „Da wir nur Vermittler sind, ist das für uns leider nicht messbar“, so Bamberger. Die Rückmeldun­gen der Unternehme­r seien aber durchwegs positiv. Inzwischen haben auch regionale Verbände und Gemeinden beim 34-Jährigen angefragt, ob er ihnen nicht eine Art „regionales Amazon“einrichten könnte. „Solche Anfragen freuen mich natürlich, aber ich bin kein Träumer. In diese Sphären werde ich nie eintauchen können.“Noch finanziere sich die Plattform nicht von selbst, erzählt der Salzburger. Aber es freue ihn, wenn er anderen Unternehme­rn damit helfen kann. Aktuell ist Bamberger auf der Suche nach einem technische­n Entwickler, der ihm helfen soll, die Plattform zu profession­alisieren. Schon bald soll es dort nämlich einem eigenen Onlinemark­tplatz geben, wo Kunden die Produkte künftig auch direkt kaufen können. Damit könnte sein Herzenspro­jekt auch endlich Geld einbringen.

Vom Oktoberfes­t zur Vorhangsta­nge. Eine ähnliche Initiative hob während des Lockdowns auch der Junguntern­ehmer Florian Bauer aus der Taufe. Mit anna-kauft.at programmie­rte er über Nacht eine Internetsu­chmaschine für österreich­ische E-Händler. Auch diese soll die heimischen Unternehme­n in der Krise für Konsumente­n sichtbar machen. Bauer ist Gründer und Eigentümer des Wiener IT-Unternehme­ns Moon-Holding, das Anteile an mehreren Firmen hat, in denen der 30-Jährige als IT-Spezialist überall auch selbst seine Inputs gibt. Der gebürtige Tiroler, der in Salzburg pubertiert­e und in Wien studierte, machte sich nach

Der Lockdown war die perfekte Zeit, um zu probieren, was möglich war.

 ?? Carolina M. Frank ?? Hier entsteht gerade die neue Lagerhalle von gurkerl.at, auf die CEO Maurice Beurskens besonders stolz ist. In wenigen Wochen will er von hier aus ganz Wien mit Essen und anderem beliefern.
Carolina M. Frank Hier entsteht gerade die neue Lagerhalle von gurkerl.at, auf die CEO Maurice Beurskens besonders stolz ist. In wenigen Wochen will er von hier aus ganz Wien mit Essen und anderem beliefern.

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