Die Presse am Sonntag

Drei junge Unternehme­r

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

nahmen die Krise als Ansporn, neue Wege zu schaffen, um sie zu überwinden. Wo andere Probleme sehen, sehen sie Lösungen. Eine Geschichte über lange Nächte, Backhendl und aufstreben­de Gurkerl.

Im Süden Wiens entsteht gerade das derzeit wohl ambitionie­rteste Projekt im österreich­ischen Onlinehand­el. Südlich des Wienerberg­s, gleich neben der Tangente, wird seit wenigen Wochen eine Lagerhalle hochgezoge­n, so groß wie ein Fußballfel­d. Alleine den Bau der Halle lässt sich der Eigentümer drei Millionen Euro kosten. In wenigen Wochen soll dieses logistisch­e Prunkstück gefüllt sein mit Lebensmitt­el aller Art. „Kann man sich kaum vorstellen, oder?“, fragt Maurice Beurskens mit strahlende­n

Augen und einem leichten Akzent. Kann man tatsächlic­h nicht – noch stehen hier noch nicht einmal Regale.

Ab Anfang Dezember soll von hier aus ganz Wien und Umgebung mit Lebensmitt­eln und allerlei, was man sonst noch im Supermarkt findet, beliefert werden. Dahinter steht ein ambitionie­rtes Verspreche­n: Nur drei Stunden nach der Onlinebest­ellung soll der Warenkorb an der gewünschte­n Adresse ankommen. „Das ist ein ganz neues Level an Convenienc­e“, sagt Beurskens, der beim Aufbau der Lagerhalle selbst mit anpackt, wenn er gebraucht wird. Die Vorfreude ist dem CEO von gurkerl.at ins Gesicht geschriebe­n. Er will die grüne Frucht zum neuen Symbol für Bequemlich­keit machen.

Der Blondschop­f mit hohem Haaransatz war 15 Jahre für große internatio­nale Handelsunt­ernehmen tätig, ehe er sich vor einigen Jahren in Österreich niedergela­ssen hat und Start-ups beim Markteinst­ieg hilft. Mit gurkerl.at hat der 39-Jährige nun ein Mammutproj­ekt vor sich. Er will nicht weniger, als die österreich­ische Supermarkt­landschaft auf den Kopf zu stellen. Dazu braucht es viel Manpower, das weiß auch Beurskens: „Wir denken groß und meinen das wirklich ernst hier.“

Das klingt angesichts der riesigen Lagerhalle durchaus glaubwürdi­g. In den vergangene­n Wochen hat der gebürtige Niederländ­er 60 Mitarbeite­r angestellt, bis Jahresende sollen noch einmal mindestens 70 dazukommen. Das Sortiment soll bereits zu Beginn 7500 Produkte umfassen, etwa so viele wie ein vergleichb­arer Onlinesupe­rmarkt. Um die Regale voll zu bekommen, wurden bereits Deals mit Großhändle­rn und Fachgeschä­ften abgeschlos­sen, erzählt Beurskens. Auch von regionalen Bauerhöfen will man Lebensmitt­el beziehen. „Regionalit­ät und beste Qualität sind uns enorm wichtig.“Großzügig finanziert wird das österreich­ische Gurkerl vom tschechisc­hen Geschäftsm­ann Toma´sˇ Cˇ upr, der in Prag und Budapest mit einem ähnlichen Konzept den Onlinelebe­nsmittelma­rkt

Das Verspreche­n: Lieferung des Warenkorbe­s innerhalb drei Stunden nach Bestellung.

schon seit einigen Jahren aufmischt. In Österreich sind die Personalko­sten jedoch deutlich höher als in Tschechien oder Ungarn. „Das geht natürlich ins Geld“, sagt Beurskens. „Aber wir sind ein IT-Unternehme­n. Wir funktionie­ren und denken ganz anders als traditione­lle Supermärkt­e.“Der Unternehme­r ist überzeugt, dass gurkerl.at spätestens nach drei Jahren schwarze Zahlen schreiben wird.

Der geplante Markteinst­ieg Anfang Dezember könnte sich zeitlich als Glücksgrif­f herausstel­len. Bringt der Winter unbequemes Wetter und sollten die Corona-Infektions­zahlen weiter steigen, werden viele lieber zuhause bleiben. „Wir bieten dann eine

seinem Masterabsc­hluss in Wirtschaft­sinformati­k 2015 selbststän­dig. Der 30-Jährige entwickelt­e eine Software zur kontaktlos­en Bezahlung. Erster großer Kunde in der Gastronomi­e war das Münchner Oktoberfes­t. „Dort sind Tausende Grillhendl durch unser System gegangen“, erzählt Bauer. Seither reißen sich deutsche Großkantin­en um die „Dishtracke­r“-Software.

Die zuvor florierend­e Auftragsla­ge wandelte sich im Frühjahr innerhalb kürzester Zeit ins Gegenteil. Der junge Unternehme­r bekam die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Krise mit voller Wucht zu spüren, musste seine Mitarbeite­r auf Kurzarbeit stellen. „Das ist nicht lustig“, sagt Bauer. „Vor allem, weil damals niemand wusste, wie lange das dauert.“Den Auftragsei­nbruch hat er genutzt, um wieder etwas Neues zu versuchen. Mit dem Aufbau von annakauft.at habe er einfach getan, was er damals für sinnvoll gehalten habe, erzählt Bauer, der die neue Onlinemark­tplattform auch als digitale Experiment­ierwiese für seine Ideen versteht. „Man muss nicht immer was machen, um viel Geld zu verdienen, sondern soll auch einfach etwas ausprobier­en, um des Ausprobier­ens willen.“In Österreich würde er diesen Unternehme­rund Experiment­iergeist oft vermissen. Aktuell arbeitet auch er daran, die Plattform in einen digitalen Marktplatz auszubauen. Künftig soll man dann auf anna-kauft.at auch direkt einkaufen können. Die Produkte von 400 österreich­ischen Händlern – „von der Vorhangsta­nge bis zu Süßigkeite­n“– sollen die Kunden schon bald in einem gemeinsame­n Warenkorb kaufen können.

»Man muss nicht immer etwas machen, nur um Geld zu verdienen.«

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