Drei junge Unternehmer
nahmen die Krise als Ansporn, neue Wege zu schaffen, um sie zu überwinden. Wo andere Probleme sehen, sehen sie Lösungen. Eine Geschichte über lange Nächte, Backhendl und aufstrebende Gurkerl.
Im Süden Wiens entsteht gerade das derzeit wohl ambitionierteste Projekt im österreichischen Onlinehandel. Südlich des Wienerbergs, gleich neben der Tangente, wird seit wenigen Wochen eine Lagerhalle hochgezogen, so groß wie ein Fußballfeld. Alleine den Bau der Halle lässt sich der Eigentümer drei Millionen Euro kosten. In wenigen Wochen soll dieses logistische Prunkstück gefüllt sein mit Lebensmittel aller Art. „Kann man sich kaum vorstellen, oder?“, fragt Maurice Beurskens mit strahlenden
Augen und einem leichten Akzent. Kann man tatsächlich nicht – noch stehen hier noch nicht einmal Regale.
Ab Anfang Dezember soll von hier aus ganz Wien und Umgebung mit Lebensmitteln und allerlei, was man sonst noch im Supermarkt findet, beliefert werden. Dahinter steht ein ambitioniertes Versprechen: Nur drei Stunden nach der Onlinebestellung soll der Warenkorb an der gewünschten Adresse ankommen. „Das ist ein ganz neues Level an Convenience“, sagt Beurskens, der beim Aufbau der Lagerhalle selbst mit anpackt, wenn er gebraucht wird. Die Vorfreude ist dem CEO von gurkerl.at ins Gesicht geschrieben. Er will die grüne Frucht zum neuen Symbol für Bequemlichkeit machen.
Der Blondschopf mit hohem Haaransatz war 15 Jahre für große internationale Handelsunternehmen tätig, ehe er sich vor einigen Jahren in Österreich niedergelassen hat und Start-ups beim Markteinstieg hilft. Mit gurkerl.at hat der 39-Jährige nun ein Mammutprojekt vor sich. Er will nicht weniger, als die österreichische Supermarktlandschaft auf den Kopf zu stellen. Dazu braucht es viel Manpower, das weiß auch Beurskens: „Wir denken groß und meinen das wirklich ernst hier.“
Das klingt angesichts der riesigen Lagerhalle durchaus glaubwürdig. In den vergangenen Wochen hat der gebürtige Niederländer 60 Mitarbeiter angestellt, bis Jahresende sollen noch einmal mindestens 70 dazukommen. Das Sortiment soll bereits zu Beginn 7500 Produkte umfassen, etwa so viele wie ein vergleichbarer Onlinesupermarkt. Um die Regale voll zu bekommen, wurden bereits Deals mit Großhändlern und Fachgeschäften abgeschlossen, erzählt Beurskens. Auch von regionalen Bauerhöfen will man Lebensmittel beziehen. „Regionalität und beste Qualität sind uns enorm wichtig.“Großzügig finanziert wird das österreichische Gurkerl vom tschechischen Geschäftsmann Toma´sˇ Cˇ upr, der in Prag und Budapest mit einem ähnlichen Konzept den Onlinelebensmittelmarkt
Das Versprechen: Lieferung des Warenkorbes innerhalb drei Stunden nach Bestellung.
schon seit einigen Jahren aufmischt. In Österreich sind die Personalkosten jedoch deutlich höher als in Tschechien oder Ungarn. „Das geht natürlich ins Geld“, sagt Beurskens. „Aber wir sind ein IT-Unternehmen. Wir funktionieren und denken ganz anders als traditionelle Supermärkte.“Der Unternehmer ist überzeugt, dass gurkerl.at spätestens nach drei Jahren schwarze Zahlen schreiben wird.
Der geplante Markteinstieg Anfang Dezember könnte sich zeitlich als Glücksgriff herausstellen. Bringt der Winter unbequemes Wetter und sollten die Corona-Infektionszahlen weiter steigen, werden viele lieber zuhause bleiben. „Wir bieten dann eine
seinem Masterabschluss in Wirtschaftsinformatik 2015 selbstständig. Der 30-Jährige entwickelte eine Software zur kontaktlosen Bezahlung. Erster großer Kunde in der Gastronomie war das Münchner Oktoberfest. „Dort sind Tausende Grillhendl durch unser System gegangen“, erzählt Bauer. Seither reißen sich deutsche Großkantinen um die „Dishtracker“-Software.
Die zuvor florierende Auftragslage wandelte sich im Frühjahr innerhalb kürzester Zeit ins Gegenteil. Der junge Unternehmer bekam die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise mit voller Wucht zu spüren, musste seine Mitarbeiter auf Kurzarbeit stellen. „Das ist nicht lustig“, sagt Bauer. „Vor allem, weil damals niemand wusste, wie lange das dauert.“Den Auftragseinbruch hat er genutzt, um wieder etwas Neues zu versuchen. Mit dem Aufbau von annakauft.at habe er einfach getan, was er damals für sinnvoll gehalten habe, erzählt Bauer, der die neue Onlinemarktplattform auch als digitale Experimentierwiese für seine Ideen versteht. „Man muss nicht immer was machen, um viel Geld zu verdienen, sondern soll auch einfach etwas ausprobieren, um des Ausprobierens willen.“In Österreich würde er diesen Unternehmerund Experimentiergeist oft vermissen. Aktuell arbeitet auch er daran, die Plattform in einen digitalen Marktplatz auszubauen. Künftig soll man dann auf anna-kauft.at auch direkt einkaufen können. Die Produkte von 400 österreichischen Händlern – „von der Vorhangstange bis zu Süßigkeiten“– sollen die Kunden schon bald in einem gemeinsamen Warenkorb kaufen können.
»Man muss nicht immer etwas machen, nur um Geld zu verdienen.«