»Ich bin für die Zerschlagung von Amazon«
Handelsexperte Peter Schnedlitz fordert eine stärkere Regulierung der Onlinegiganten.
Der Handel ist sehr vielschichtig. Wer sind die Gewinner und Verlierer der Krise?
Peter Schnedlitz: Wir sehen gerade, wie sehr der Handel mit anderen Branchen verzahnt ist. Dort, wo der Tourismus eingebrochen ist, geht es auch dem Handel schlecht. Ein Gewinner der Krise ist auf jeden Fall der Lebensmittelhandel. Essen muss eben jeder. In anderen Handelsbranchen sind Einkäufe weitgehend anlassbezogen, dort gibt es teils starke Einbrüche. Warum sollten sich die Leute neue Kleidung kaufen, wenn es derzeit keine Feste gibt, wo sie diese vorführen könnten, und sie ohnehin im Home-Office sitzen?
Viele Faktoren trüben derzeit das Einkaufserlebnis. Gleichzeitig wurden im vergangenen halben Jahr viele Bereiche digitalisiert. Könnte der Handel langfristig sogar von der Krise profitieren?
Der stationäre Handel wurde natürlich hart getroffen. Gleichzeitig haben wir im Sommer gesehen, dass die Leute die Geschäfte stürmen, sobald diese wieder geöffnet sind und als sicher empfunden werden. Es ist auf jeden
Fall positiv, wenn österreichische Händler ihr Onlinegeschäft ausbauen – vor allem, wenn sie auf Rationalität setzen. Diese Plattformen dürfen aber nicht auf chauvinistischen Modellen aufbauen. Du kannst nicht sagen: „Kauf in Österreich“, und dann NikeSchuhe verkaufen. Damit macht man sich langfristig eine gute Idee kaputt.
Und dann gibt es da noch Amazon, die das Onlinegeschäft dominieren.
Im Lebensmittelsektor wird sich Amazon nie durchsetzen am österreichischen Markt, da haben wir eine sehr hohe Qualität mit regionalen Produkten. Aber sonst dominiert Amazon natürlich die Geschäfte übers Internet. Auch wenn es manche Onlinehändler nicht wahrhaben wollen: Die Messlatte für alle ist Amazon. Und die machen das einfach sehr gut.
Was kann man aus Sicht der österreichischen Händler dagegen tun?
Wenn Amazon sieht, dass kleine Händler erfolgreich sind, übernehmen sie deren Geschäft. Das internationale
Peter Schnedlitz
(geb. 1954) ist einer der führenden Handelsexperten Österreichs. Von 1992 bis 2009 war er Vorstand des Instituts für Handel und Marketing an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Kartellrecht greift hier nicht. Ich bin daher früher oder später für die Zerschlagung von Amazon. Wenn wir unsere bestehenden Strukturen bewahren wollen, wird daran irgendwann kein Weg mehr vorbeiführen.
Die Digitalsteuer, die wir seit Jahresbeginn haben, ist dilettantisch. Die Onlinegiganten walzen zusätzliche Gebühren auf die Kunden ab.
Wohin wird sich der Handel künftig entwickeln?
In uns allen steckt irgendwo die Sehnsucht nach Vergangenheit, und wir würden gerne Sachen am Bauernhof kaufen. Es gibt aber einen klaren Trend hin zu regionalen Produkten. Das kann der steirische Walchjanker im Modehandel sein oder das saisonale Biokistl vom Bauern nebenan. Wenn auch der Großhandel mehr auf saisonalen Einkauf setzen würde, hätte man freilich noch einen viel größeren Hebel als beim Biokistl.