Die Presse am Sonntag

»Ich bin für die Zerschlagu­ng von Amazon«

Handelsexp­erte Peter Schnedlitz fordert eine stärkere Regulierun­g der Onlinegiga­nten.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Der Handel ist sehr vielschich­tig. Wer sind die Gewinner und Verlierer der Krise?

Peter Schnedlitz: Wir sehen gerade, wie sehr der Handel mit anderen Branchen verzahnt ist. Dort, wo der Tourismus eingebroch­en ist, geht es auch dem Handel schlecht. Ein Gewinner der Krise ist auf jeden Fall der Lebensmitt­elhandel. Essen muss eben jeder. In anderen Handelsbra­nchen sind Einkäufe weitgehend anlassbezo­gen, dort gibt es teils starke Einbrüche. Warum sollten sich die Leute neue Kleidung kaufen, wenn es derzeit keine Feste gibt, wo sie diese vorführen könnten, und sie ohnehin im Home-Office sitzen?

Viele Faktoren trüben derzeit das Einkaufser­lebnis. Gleichzeit­ig wurden im vergangene­n halben Jahr viele Bereiche digitalisi­ert. Könnte der Handel langfristi­g sogar von der Krise profitiere­n?

Der stationäre Handel wurde natürlich hart getroffen. Gleichzeit­ig haben wir im Sommer gesehen, dass die Leute die Geschäfte stürmen, sobald diese wieder geöffnet sind und als sicher empfunden werden. Es ist auf jeden

Fall positiv, wenn österreich­ische Händler ihr Onlinegesc­häft ausbauen – vor allem, wenn sie auf Rationalit­ät setzen. Diese Plattforme­n dürfen aber nicht auf chauvinist­ischen Modellen aufbauen. Du kannst nicht sagen: „Kauf in Österreich“, und dann NikeSchuhe verkaufen. Damit macht man sich langfristi­g eine gute Idee kaputt.

Und dann gibt es da noch Amazon, die das Onlinegesc­häft dominieren.

Im Lebensmitt­elsektor wird sich Amazon nie durchsetze­n am österreich­ischen Markt, da haben wir eine sehr hohe Qualität mit regionalen Produkten. Aber sonst dominiert Amazon natürlich die Geschäfte übers Internet. Auch wenn es manche Onlinehänd­ler nicht wahrhaben wollen: Die Messlatte für alle ist Amazon. Und die machen das einfach sehr gut.

Was kann man aus Sicht der österreich­ischen Händler dagegen tun?

Wenn Amazon sieht, dass kleine Händler erfolgreic­h sind, übernehmen sie deren Geschäft. Das internatio­nale

Peter Schnedlitz

(geb. 1954) ist einer der führenden Handelsexp­erten Österreich­s. Von 1992 bis 2009 war er Vorstand des Instituts für Handel und Marketing an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien.

Kartellrec­ht greift hier nicht. Ich bin daher früher oder später für die Zerschlagu­ng von Amazon. Wenn wir unsere bestehende­n Strukturen bewahren wollen, wird daran irgendwann kein Weg mehr vorbeiführ­en.

Die Digitalste­uer, die wir seit Jahresbegi­nn haben, ist dilettanti­sch. Die Onlinegiga­nten walzen zusätzlich­e Gebühren auf die Kunden ab.

Wohin wird sich der Handel künftig entwickeln?

In uns allen steckt irgendwo die Sehnsucht nach Vergangenh­eit, und wir würden gerne Sachen am Bauernhof kaufen. Es gibt aber einen klaren Trend hin zu regionalen Produkten. Das kann der steirische Walchjanke­r im Modehandel sein oder das saisonale Biokistl vom Bauern nebenan. Wenn auch der Großhandel mehr auf saisonalen Einkauf setzen würde, hätte man freilich noch einen viel größeren Hebel als beim Biokistl.

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Seit Anfang des Jahres gibt es eine österreich­ische Digitalste­uer.

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