Absagen wegen Corona? Das war für sie alle ke
Für den Kulturbetrieb war der Ausbruch der Coronapandemie ein Super-GAU. Aber es wurde bei Weitem nicht nur gejammert, es wurde auch Erstaunliches erreicht. Einige Porträts.
Es war ein Phänomen: Während alles stillzustehen begann, fingen manche Menschen an, eine fast unerträgliche Aktivität zu entwickeln. Marie-Theres Arnbom, auch sonst keine Tochter depressiver Verkapselung, zählt zu ihnen. Die Historikerin, Kuratorin, Buchautorin, Festivalgründerin, Verkäuferin feinster Stoffe und Geschichten (Jungmann & Neffe) begann im Lockdown auch noch zu kochen. Und zwar täglich Mittagessen, das sie mehr oder weniger Bekannten bis vor die Haustür brachte.
Jede dieser Mahlzeiten notierte sie penibel in ihrem Kalender, in dem sie an diesem Herbstmorgen in ihrer Arbeitswohnung zurückblättert. Und den Kopf schüttelt. Mit einem derartigen Stress habe sie in diesem Jahr tatsächlich nicht gerechnet. Es begann für sie mit der Absage der Präsentation ihres neuen Buchs über die „Villen von Pötzleinsdorf“, Arnboms Heimspiel nach mehreren Bestsellern über Villen in Ischl, am Attersee etc.
Die Buchpräsentation „to go“. Als klar wurde, dass die Buchvorstellung Anfang Mai nicht möglich sein würde, fing Arnbom an zu gehen. Wie sie oft geht, wenn sie denkt. Diesmal aber ging sie in Begleitung, bot über soziale Medien eine „Buchpräsentation to go“an. Mit dem Buch in der Hand spazierte sie dafür mit Kleingruppen von einer Villa zur nächsten – ein in Pötzleinsdorf erst irritierendes, mittlerweile gewohntes Bild. Seit 19. April habe sie schon um die 25 dieser sozusagen schrittweisen Lesungen gehalten, das Interesse sei ungebrochen, erzählt sie, viele gingen mehrmals mit. Das nächste Buch ist ebenfalls schon in Arbeit: „Villen des Ausseerlands“erscheint nächstes Jahr im Amalthea-Verlag. Auch in der kommenden Sommerfrische wird Arnbom also weitergehen.
Wobei Sommerfrische überhaupt ein Begriff ist, der mit ihr verwachsen scheint. Seit Generationen wird diese von ihrer Familie am Wolfgangsee, in St. Gilgen verbracht. Wo Arnbom 2004 aus der Not eines inexistenten Kulturprogramms für Kinder heraus eben ihr eigenes Kindermusikfestival für Nichte und Neffen gründete. Diese sind mittlerweile erwachsen, das Kinderfestival eine kleine Institution. Dann kam Corona. Und – „ich habe einfach nicht abgesagt“, erzählt Arnbom. „Weil ich mich so wahnsinnig geärgert habe über alle, die das so rasend getan haben. Sowohl das Publikum als auch die Künstler
brauchen aber den Auftritt, keine Almosen, das ist doch ihr Beruf!“Also wartete Arnbom einfach. Bis die Auflagen klar waren und sich herausstellte, dass man im Sommer sehr wohl Veranstaltungen durchführen könne.
Nicht nur das Kinderfestival hing heuer aber daran. Erstmals hatte Arnbom auch ein zweites Festival dazu programmiert. Nach Jahren habe sie
sich ausgerechnet in diesem Sommer dazu aufgerafft, erzählt sie, das historische Kabarett „Die Hölle“, das rund um Georg Wacks und Christoph Wagner-Trenkwitz im Souterrain des Theaters an der Wien reaktiviert wurde, an den Wolfgangsee zu holen. Flyer waren schon verteilt worden, die Plakate fertig – der „Hölle am See“stand nichts mehr im Weg, an verschiedenen Orten hätte sie sich auftun sollen.
Asyl in Bad Ischl. Dann kam zu Corona noch der Cluster in St. Wolfgang dazu. Ausgerechnet in der Woche vor dem Kinderfestival und dem Herzstück der „Hölle“(wenn sie eins hätte). Der Bürgermeister von St. Gilgen verbot für zehn Tage alle Veranstaltungen. Worauf Arnbom begann – zu gehen. An einem Nachmittag 10.000 Schritte und telefonierend in ihrem Gilgener Garten. Danach sagte sie wieder nicht ab. Sondern hatte einen neuen Ort gefunden: Die Bad Ischler Bürgermeisterin, Ines Schiller, hatte ihr Asyl angeboten, noch dazu im Leha´r-Theater, wo die „Hölle“mit ihrem Programm „perfekt aufgehoben“war, so Arnbom.
Als St. Gilgen alle Veranstaltungen verbot, fand Arnbom Asyl in Bad Ischl.
Schließlich habe das ursprüngliche „Hölle“-Ensemble rund um Fritz Grünbaum dort in den 1910er-Jahren jeden Sommer gastiert, „was eine ganz spezielle Stimmung ergab“. Am Ende brachte Arnbom 1000 Besucher sicher durch ihre Veranstaltungen, die einzigen kulturellen heuer am Wolfgangsee. Fast „beschämend rührende“Reaktionen habe sie dafür bekommen: „Man merkte einfach, wie wichtig Kultur für die Seele ist.“
Klingt das nicht gar zu abgedroschen? Ja, gibt Arnbom zu. „Wahr ist es trotzdem. Auch ich gehe diesen Herbst so oft wie nie in Konzert und Oper. Genau das sind jetzt die Highlights, die im Leben sonst fehlen, um sich nicht von der depressiven Stimmung anstecken zu lassen.“