Die Presse am Sonntag

Opfer-Kunst mit Erfolg

In einem räudigen Leerstand in der Praterstra­ße gründete ein junges Paar seine erste Pop-Up-Galerie. Erdacht im Lockdown.

- SP

Ein interessan­ter Zeitpunkt, die erste eigene Galerie zu eröffnen, auch wenn es „nur“eine „Pop Up“-Galerie ist. Doch das drängende Thema zur Ausstellun­g und der Ort, der sich anbot, nämlich ein Leerstand, eine ehemalige Libro-Filiale im eigenen Wohnhaus, führten zum spontanen Entschluss. Immerhin kommen sowohl Stella Reinhold-Rudas als auch ihr Mann Emanuel Rudas aus dem Kulturbetr­ieb. Sie hat überhaupt reichlich Erfahrung bei Galerien gesammelt, zuletzt, bevor man gemeinsam nach Paris ging für eineinhalb Jahre, bei der Galerie Krinzinger. Er leitet als Geschäftsf­ührer den „Anima“-Garten von Andre´ Heller in Marokko.

Dann kam der Lockdown. „Fad war uns nicht mit einem kleinen Kind“, erinnert sich Reinhold-Rudas. Aber der Begriff des Opfers begann sie irgendwie zu verfolgen – Todesopfer, geopferte Wirtschaft, die Opfer, die eine Gesellscha­ft jetzt bringen müsse, zählt sie auf. Dann die Jugendspra­che – „du Opfer“. Das war der Anfangspun­kt, man wollte eine (Verkaufs-)Ausstellun­g dazu machen, fand große Bereitscha­ft bei den kunstaffin­en Hausbesitz­ern und auch einige Leihgeber, die für Rudas unverzicht­bare Fixstarter bei dem Thema ermöglicht­en: Hermann Nitsch und Günter Brus, beide mit schönen Werken aus der Nitsch Foundation und der Galerie Krinzinger vertreten, mit mehreren Schüttbild­ern, der Selbstvers­trickungs-Mappe.

Samsonows Anti-Elektra-Altar. In dem devastiert belassenen ehemaligen Verkaufsra­um begegnen sich so auf neutraler Ebene sozusagen Generation­en, Medien und Szenen. Elisabeth Samsonow hat als Gegengewic­ht zu Nitsch einen opulenten Anti-Elektra-Altar aufgebaut. Gegenüber kunsthisto­risch unterfütte­rter Street-Art von Sebastian Schager. Gleich am Beginn eine ganze strenge Reihe der geheimnisv­ollen, samtig dunklen Fotografie­n Anja Ronachers von Grabbeigab­en, Relikten und Reliquienf­iguren. In einer Art Spiegel-Schrein im ehemaligen Abstellkam­merl prangt das Regelblut-Collier, voll verdächtig roter, kleiner Fläschchen, von Erisa Mirkazemi.

Anders, als man denken würde, verkaufen sich vor allem die Jüngeren erstaunlic­h gut, so Reinhold-Rudas. Jedenfalls sei das Ganze ein schöner Erfolg, den man weiterzieh­en möchte. Auch nach Corona. In anderen Leerstände­n, so der Name der Galerie.

Leerstand Gallery, bis 31. 10., Praterstra­ße 45, Wien 2.

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