So viel getanzt wie nie
Rio Rutzinger hat heuer mit »Public Moves« 19.000 Leute zum zeitgenössischen Tanzen gebracht. Und zwar in der Öffentlichkeit.
Für viele in Wien, die mit zeitgenössischem Tanz bisher keine Berührungspunkte hatten, wurde ausgerechnet in diesem Corona-Sommer alles anders. Obwohl das Impulstanz-Festival praktisch völlig absagen musste. Was aber dennoch nicht nur stattfand, sondern ungeahnte Dimensionen erreichte, war die Schiene öffentlicher Gratis-Tanzstunden „Public Moves“. Seit 2017 fand diese, erst in Kooperation mit dem MQ, zuletzt an jährlich zwei Standorten statt, etwa im etwas versteckten OttoBenya-Park im Vierten oder auf der Jesuitenwiese im Prater. Erstmals habe man heuer sogar drei Orte geplant gehabt, erzählt Rio Rutzinger, der die Kurse gemeinsam mit Marina Losin kuratierte, immerhin werden sie von professionellen, bekannten Tänzerinnen und Tänzern geführt.
Und dann kam, auch hier, Corona. „Relativ schnell war in Gesprächen mit Wiens Kulturstadträtin Veronika KaupHasler klar, dass wir Public Moves jedenfalls machen, dass es im Sommer ein derartiges Angebot geben soll.“Während des Lockdowns im April habe man noch begonnen herumzufahren und Plätze zu fotografieren, eine 70-Seiten-Mappe mit Orten für die Behörden zusammenzustellen, die man sich vorstellen könne, so Rutzinger.
Sieben sind es schließlich geworden, an denen man beachtliche 300 Klassen durchgezogen habe, eingebettet im offiziellen Wiener „Kultursommer“-Programm, was die Auflagen noch erhöhte – „also Improvisationsfestival war das keines“, muss Rutzinger lachen. Die 90 Dozentinnen und Dozenten mussten ihr Angebot von Ballett über Jazz, HipHop, Voguing etc. eben an die aufgezeichneten Abstandsquadrate anpassen. Dabei wichen viele etwa auf Imaginationsgeschichten aus, beobachtete Rutzinger, wie etwa: Stellt euch vor, die Schultern eures Partners vor euch zu berühren.
Derlei bot natürlich einen teils komischen Anblick an bisher unerprobten öffentlichen Plätzen wie der Kaiserwiese vor dem Prater. Nicht nur 19.000 Leute nahmen schließlich teil, sondern es schauten ihnen auch 13.000 dabei zu, die meisten davon hatten wohl noch nie von Brut oder Tanzquartier gehört. Was, so Rutzinger, für beide Seiten manchmal eine Challenge darstellte, „das müssen auch Dozentinnen einmal aushalten, dass ausgerichtet wird, was das für ein Vollholler sei“. Am Ende aber sei die Rezeption über die Maßen positiv gewesen. „Der Gang aus dem Elfenbeinturm wurde eher belohnt.“