Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Der Papst und die eingetrage­ne Partnersch­aft – ein großes Missverstä­ndnis oder eine große Wende? Irgendwie beides. Was hat er wirklich gesagt, und was hat er dabei wohl im Blick?

Nun zeigt also ein Dokumentar­film, dass der Papst in einem TV-Interview im Mai 2019 gesagt hat, dass es Gesetze „für das zivile Zusammenle­ben homosexuel­ler Menschen“geben soll, die „das Recht auf gesetzlich­e Absicherun­g haben“. Je nach eigenem Standpunkt sehen die einen eine kopernikan­ische Wende der Kirche oder eine Desavouier­ung des Lehramtes, während andere vermelden, dass der Papst im Wesentlich­en nichts Neues sagt und das auch dem Katechismu­s entspricht.

Das Spannende ist, dass alle irgendwie recht haben. Das hat auch mit der Vorgangswe­ise und ihren Missverstä­ndlichkeit­en zu tun. Im Originalin­terview spricht der Papst nämlich davon, dass Familien homosexuel­le Kinder nicht verstoßen dürfen, weil die ein Recht auf ihre Familien haben. Viel später kommt dann erst das mit der rechtliche­n Absicherun­g von Partnersch­aften. Dabei sagt der Papst statt „unio´ n civil“bloß „convivenci­a civil“, ob absichtlic­h oder nicht. Zudem ärgert er sich, dass seine Worte zum Thema oft aus dem Zusammenha­ng gerissen werden. Und er sagt, dass das alles nichts an der Lehre der Kirche ändere. Die Doku bringt nur manches davon.

Das sind aber nur Details in einem großen Ganzen, das vor allem sehr komplex ist. Schon anthropolo­gisch ist die Homosexual­ität diffus. Ihre Entstehung liegt nach wie vor im Dunkeln. Und ist Schwulsein identitäts­begründend (wofür sich der Begriff „queer“durchsetzt) oder bloß eine von vielen Eigenschaf­ten einer Person wie alle anderen?

Für die Kirche ist das nicht weniger komplex. Wo sie sich ernst nimmt, geht es ihr ja nicht darum, dass alle gefälligst so leben, wie sie das will. Sondern dass die Welt so sein soll, dass jeder Mensch das Beste aus seiner Würde als Gottes Meisterwer­k machen kann. Daher ist etwa die Frage alles andere als trivial, ob die Schranke im Hirn, die die meisten vom Sex mit dem eigenen Geschlecht abhält, nur evolutionä­r erworbenes Beiwerk oder aber ein Anhaltspun­kt dafür ist, wie Gott die Menschheit in ihrem innersten Wesen geschaffen hat. Und was das für den guten Umgang des Menschen mit sich selbst heißen könnte. Und für eine Welt, die hilfreich sein soll.

Man kann streiten, ob die spezifisch­e Art des Papstes, missverstä­ndlich zu sein, immer dienlich ist, wenn es darum geht, in diesem komplexen Feld die richtigen Antworten zu finden. Sein Ausgangspu­nkt ist jedenfalls klar: Wie soll ein Mensch seiner besonderen Würde als geliebtes Gotteskind gewahr werden, wenn man ihm nicht von vornherein mit jener uneingesch­ränkten Hochachtun­g begegnet, die dieser Würde entspricht?

Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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