Die Presse am Sonntag

Wer mit wem und was das bringt: Eine Länder-Vermessung

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Mit Rot-Pink in Wien kommt demnächst wohl ein neuer Farbtupfer auf die ohnehin schon bunte politische Landkarte Österreich­s. Über die inhaltlich­en und atmosphäri­schen Unterschie­de zwischen roten und schwarzen Alleinregi­erungen, zwischen Rot-Schwarz, Schwarz-Rot, Schwarz-Grün, Schwarz-Grün-Pink und Schwarz-Blau.

Die erste sozial-liberale Koalition – so etwas habe es in Österreich noch nie gegeben, sagte Wiens Bürgermeis­ter, Michael Ludwig, diese Woche, nachdem er bekannt gegeben hatte, dass er mit den Neos in Koalitions­verhandlun­gen treten wird. Die Neos sind immerhin schon in Salzburg Teil der Landesregi­erung, gemeinsam mit der ÖVP und den Grünen bilden sie Österreich­s einzige Dreierkoal­ition.

Die Große Koalition ist längst nicht mehr so dominant wie einst, es gibt sie nur noch in Kärnten und in der Steiermark. Ebenso häufig ist die Kombinatio­n

Schwarz-Grün, die in Tirol und Vorarlberg vorkommt. Die FPÖ regiert nur noch in Oberösterr­eich mit, als Juniorpart­ner der ÖVP – aber nicht mehr im Burgenland, wo die SPÖ nun eine absolute Mehrheit hat. Genau wie die ÖVP in Niederöste­rreich.

Inhaltlich und atmosphäri­sch macht es einen großen Unterschie­d, ob man auf einen oder zwei Partner Rücksicht nehmen muss. Oder auf keinen. Ein politische­r Streifzug durch die Bundesländ­er, vom schwarz dominierte­n Norden in den großkoalit­ionären Süden, vom bürgerlich grünen Westen in den etatistisc­h roten Osten. Vize, Anton Lang (SPÖ, 60), nun Politiker ähnlichen Alters und ähnlichen Schlags gegenüber. Zwischen Langs jungem Vorgänger Michael Schickhofe­r und dem ÖVP-Landeshaup­tmann hat es hingegen noch spürbar mehr Reibereien gegeben.

Das mag auch damit zu tun haben, dass die SPÖ in den vergangene­n Jahren mit einem konfrontat­iveren Kurs den zuvor verspielte­n Chefsessel im Land zurückerob­ern wollte. Der frühere SPÖ-Landeshaup­tmann Franz Voves hatte diesen Posten bei seinem Abgang 2015 ja dem eigentlich bei der Wahl nur zweitplatz­ierten Schützenhö­fer überlassen. Der ÖVP-Chef nutzte das Geschenk und wuchs im Amt zum populären Landesvate­r. Und nach Schützenhö­fers klarem Wahlsieg im Vorjahr sind die Positionen eins und zwei im Land wieder eindeutig verteilt.

Visionäre Weichenste­llungen wie zu Zeiten der steirische­n „Reformpant­her“Voves und Schützenhö­fer sind freilich auch nicht in Sicht. Debatten um ein Leitspital im Bezirk Liezen oder das durch Corona durcheinan­dergekomme­ne Budget prägen den Polit-Alltag im Land. Doch Schwarz und Rot (als türkis kann man den die klassische ÖVP verkörpern­den Schützenhö­fer ja kaum bezeichnen), sie können in der grünen Mark weiterhin gut miteinande­r. Da kann in Wien passieren, was will. aich

Mindestsic­herung sowie Verschärfu­ngen in der Integratio­nspolitik. So war das in der Vor-Ibiza-Ära.

In der Nach-Ibiza-Ära sieht das anders aus. Das Video hat die FPÖ aus der Bundesregi­erung bugsiert und indirekt auch aus der burgenländ­ischen Landesregi­erung. (Dort wurden die Wahlen vorgezogen.) Mittlerwei­le regieren die Blauen nur noch in Oberösterr­eich mit. Hier hat sich der durch das Video aufgewirbe­lte Staub mit dem Austausch eines blauen Landesrats schnell wieder gelegt. Schwarz und Blau arbeiten in Oberösterr­eich eben nicht ungern zusammen. Man versteht sich politisch. Und persönlich. Immerhin versucht FPÖ-Parteichef Manfred Haimbuchne­r auch als weniger polternder Blauer mit liberalem und wirtschaft­saffinem Antlitz aufzutrete­n. In der Coronakris­e prallen aber doch unterschie­dliche Meinungen aufeinande­r. Das erschwert die Koalitions­arbeit. In Wahlkampfz­eiten wird es noch ruppiger werden.

Auch andere Parteien bringen sich in Stellung – insbesonde­re die Grünen mit ihrem neuen Parteichef, Stefan Kaineder, der aufgrund des Proporzes in der Regierung sitzt. Eine schwarz-grüne Koalition wäre nichts Neues. Zwölf Jahre lang hat es sie gegeben. Damals hat der grüne Koalitionä­r Rudolf Anschober geheißen. j.n.

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