Die Presse am Sonntag

Als der Pferdespor­t einen Popstar hatte

- VON SENTA WINTNER

Vor zehn Jahren avancierte Totilas weit über die Dressursze­ne hinaus zur Berühmthei­t. Kein anderes Pferd wurde so offensiv vermarktet – und blieb sportlich so viel schuldig. Inzwischen lässt sein Erbe hoffen, zur Freude eines Österreich­ers.

Geblieben ist vom Hype lediglich die Facebook-Seite, und selbst darauf ist der jüngste Eintrag zwei Jahre alt. Die beworbene Homepage existiert hingegen nicht mehr, vielleicht verstaubt irgendwo in Kästen noch das ein oder andere T-Shirt oder Häferl mit seinem Konterfei: Totilas, einst zum „Champion“der Dressursze­ne hochgelobt. Vor zehn Jahren stieg der Rappe der Rasse KWPN (Niederländ­isches Warmblut) zum teuersten Pferd in einer Olympiadis­ziplin auf, und mit ihm erwuchs eine Marketingm­aschinerie, wie sie der Pferdespor­t weder davor noch danach gesehen hat.

Totilas, der tierische Held, ist längst passe´, 2015 endete die Sportkarri­ere vorzeitig. Seine Geschichte ist eine von Hochstilis­ierung und überzogene­n Erwartunge­n, wie es sie im Sport viele gibt. Nur in diesem Fall wird der Protagonis­t seine Version niemals erzählen können. „Da ist so ziemlich alles schiefgela­ufen, was schieflauf­en konnte“, lautet das Resümee von Totilas-Besitzer Paul Schockemöh­le.

Als der deutsche Pferdehänd­ler am 26. Oktober 2010 den Kauf des damals zehnjährig­en Hengstes bestätigte, wurde dieser nach drei WM-Titeln und Weltrekord­en mit dem Niederländ­er Edward Gal ob seiner Anmut bereits als „Wunderpfer­d“und reale Version des TV-Pferdes „Black Beauty“gefeiert. Den rekordträc­htigen Preis – kolportier­te zehn Millionen Euro – hat Schockemöh­le nie offiziell gemacht, doch es schien ein sicheres Investment: Die große Karriere war vorgezeich­net.

Tierische PR-Show. Eine PR-Agentur übernahm Totilas’ Vermarktun­g, der Hengst bekam einen kompletten Internet-Auftritt und Merchandis­e. Fortan reiste zu jedem Turnier der Anhänger mit dem ganzen Sortiment mit. Die Bekannthei­t des tierischen Stars wuchs rasant – und über die Dressursze­ne hinaus. Sogar ein Heiratsant­rag in seinem Stall ist überliefer­t. Als Totilas 2011 erstmals in deutschem Besitz zum hochklassi­gen Chio Aachen anreiste, musste sogar der Übungsplat­z abgesperrt werden. Zu groß war der Andrang derjenigen, die zumindest einen Blick auf die Berühmthei­t erhaschen wollten. Totilas gewann alle drei Einzelprüf­ungen.

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Tim Wegner/picturedes­k.com Totilas im Stall auf dem Schafhof, 2014. Sogar einen Heiratsant­rag hat es dort gegeben.

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